Spitzenkandidat:Auf verlorenem Posten

Manfred Weber

Gewaltiger Unmut: EVP-Fraktionschef Manfred Weber gab sich kompromissbereit, seine Parteifreunde im Parlament waren davon allerdings weit entfernt.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die EVP-Fraktion folgt ihrem Chef Manfred Weber nicht mehr. Er gibt auf.

Von Alexander Mühlauer

Die Blamage ist da, das lässt sich nicht mehr leugnen. Trotzdem versucht Manfred Weber am Montagabend, die Lage schönzureden. Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) ist von Brüssel nach Straßburg gefahren, um mit seiner Fraktion über das zu sprechen, was passiert ist. Und so versucht er, seinen Parteifreunden zu erklären, warum er nicht Präsident der EU-Kommission wird. Weber erinnert daran, dass die EVP weitaus weniger Staats- und Regierungschefs stellt als vor fünf Jahren. Angesichts dieses schwindenden Einflusses brauche es nun Kompromissbereitschaft, sagt er. Doch davon ist in den Reihen der Abgeordneten nichts zu spüren. Sie halten von der "konstruktiven Lösung", die Weber zufolge auf dem Tisch liege, überhaupt nichts.

Der CSU-Vize muss sich an diesem denkwürdigen Abend in Straßburg anhören, was seine Fraktionsmitglieder wirklich denken. Weit über 20 Wortmeldungen gibt es, der Frust ist gewaltig. Zwei Botschaften haben die Parlamentarier, die sich in fast allen Beiträgen wiederfinden. Erstens: Die EVP-Abgeordneten wollen sich nicht damit abfinden, dass sie als stärkste Kraft bei der Europawahl ihren Spitzenkandidaten Weber einfach so aufgeben sollen. Das könne man den Bürgern schlicht nicht erklären, heißt es immer wieder. Noch deutlicher ist die zweite Botschaft der EVP-Fraktion: Frans Timmermans, den Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten, wählen wir auf gar keinen Fall.

Genau das hatte Weber aber indirekt gefordert, als er von einer "konstruktiven Lösung" sprach. Er war es, der zusammen mit EVP-Präsident Joseph Daul am vergangenen Mittwoch in Berlin einen Pakt mit der Bundeskanzlerin und den Parteichefs von CDU und CSU schloss. Demnach sollte Timmermans Kommissionspräsident werden, weil für Weber weder im Europäischen Rat noch im Parlament eine Mehrheit absehbar war. Mit dem Ansinnen, Timmermans zu unterstützen, sollte zumindest das Spitzenkandidaten-Verfahren gerettet werden. Weber wäre in diesem Planspiel Parlamentspräsident geworden - und hätte für sich in Anspruch nehmen können, der europäischen Demokratie einen großen Dienst erwiesen zu haben.

Doch wie es aussieht, wird daraus nichts. Merkel sondierte das Paket zwar erfolgreich beim G-20-Gipfel in Osaka. Doch in Brüssel muss sie dann feststellen, dass sie sich verkalkuliert hat. Weder im Kreis der EVP-Regierungschefs, noch in der christdemokratischen Parlamentsfraktion gibt es dafür eine Mehrheit. Im Gegenteil: Der Widerstand ist so groß, dass Merkel plötzlich als Verliererin dazustehen scheint. Doch da präsentiert die Kanzlerin am Dienstagmittag eine Kandidatin, hinter der sie wirklich steht: Ursula von der Leyen. Für Weber bedeutet dieses Manöver, dass er die Unterstützung der Kanzlerin wohl verloren hat. Schließlich hat er es nicht geschafft, den mit Merkel gefundenen Kompromiss in der EVP-Fraktion zu verkaufen. Am Dienstagabend gab er seine Ansprüche als Spitzenkandidat resigniert auf.

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