Es gibt zwei Arten von Spionen: Zum einen Agenten, die mit dem Auftrag, unauffällig an geheime Informationen zu kommen, ausgesandt werden. Zum anderen Informanten, die geheimes Wissen oder Material weitergeben. Bei ihnen handelt es sich um Verräter. Und wenn Agenten zu Informanten werden, spricht man von Doppelagenten.
Wenn Geheimdienste die Mitarbeit von Bürgern eines Staates suchen, in dem sie spionieren wollen, versuchen sie, Personen zu identifizieren, bei denen bestimmte Motive angesprochen werden können. Die vier wichtigsten werden von Fachleuten unter dem Akronym MICE zusammengefasst: Geld (Money), Ideologie, Zwang (Coercion) und Ego.
Welche wichtige Rolle diese Motive spielen, belegen berühmte Fälle aufgeflogener Spione.
Günter Guillaume
Der berühmteste deutsche Spion der Nachkriegszeit war Günter Guillaume. Das Ministerium für Staatssicherheit in Ostberlin schickte ihn nach Westdeutschland. Dort machte er Karriere in der SPD und schaffte es bis zum Referenten im persönlichen Stab von Willy Brandt. So arbeitete dieser als Bundeskanzler bis 1974 eng mit einem DDR-Spion zusammen. Als Guillaume aufflog, war der Skandal so groß, dass auch Brandt als Kanzler zurücktreten musste. Der Stasi-Agent wurde 1981 gegen West-Agenten ausgetauscht und kehrte in die DDR zurück.
Die Motivation: Guillaume stellte sich selbst in seinen Memoiren als Patriot dar, der sich als Staatsbürger der DDR zum Dienst an seinem Land verpflichtet sah. Zum anderen verehrte er aber auch Willy Brandt für dessen Ostpolitik. Dessen Sturz über die "Affäre Guillaume" bedauerte der Spion.
Julius und Ethel Rosenberg, Klaus Fuchs und David Greenglass gaben in den vierziger Jahren Informationen zur Entwicklung der Atombombe in den USA an die Sowjetunion weiter. Greenglass war Mitarbeiter des Manhattan-Projekts, aus dem während des Zweiten Weltkriegs die ersten Atombomben hervorgingen. Seine Schwester Ethel Rosenberg und deren Mann Julius bewegten ihn dazu, Informationen darüber zu beschaffen.
Klaus Fuchs war ein deutscher Physiker, der zuerst 1941 an den britischen Versuchen beteiligt war, eine Atombombe zu entwickeln, und dann in den Labors von Los Alamos am US-Atombombenprogramm mitarbeitete. Schon in Großbritannien hatte er begonnen, Informationen über seine Arbeit an die Sowjetunion zu verraten.
Als die Spione Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre aufflogen, gestanden Fuchs und Greenglass und wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Greenglass belastete zudem das Ehepaar Rosenberg schwer, um Strafmilderung zu bekommen. Seine Schwester und ihr Mann wurden 1953 hingerichtet.
Die Motivation: Alle vier Atomspione waren Kommunisten, überzeugt davon, dass es richtig sei, der Sowjetunion den Bau der Atombombe ebenfalls zu ermöglichen.
Mata Hari gilt als berühmteste Spionin der Weltgeschichte. 1876 wurde die Niederländerin als Margaretha Geertruida Zelle geboren. Vor dem Ersten Weltkrieg machte sie als mysteriöse, angeblich indische Nackttänzerin Karriere.
Mata Hari verkehrte mit mächtigen Männern und hatte Liebschaften mit hohen Militärs und Politikern. 1915, ein Jahr nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, warb sie der deutsche Militärnachrichtendienst an. Gesicherte Fakten zu Agentin H21 sind rar, aber die gelieferten Informationen hatten offenkundig keine größere Brisanz. Sie hatte auch Kontakte zu alliierten Agenten, die Mata Haris Rolle wohl ebenso aufbauschten wie spätere Romanautoren und Filmemacher. 1917 wurde sie in Frankreich festgenommen, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die deutsche Propaganda schlachtete den Fall aus, Mata Haris Nimbus wuchs weiter.
Die Motivation: Mata Hari ließ sich auf die Spitzeleien aus einem Grund ein: Geld. Durch ihre Tanzkünste konnte sie sich vor dem Ersten Weltkrieg einen aufwändigen Lebensstil leisten. 1914 blieben Engagements aus, doch Mata Hari wollte weiterhin luxuriös leben. Ihren ersten Lohn erhielt sie aus der Hand eines deutschen Generalkonsuls: 20 000 Francs.
Er gehörte zu den "Cambridge Five", jenen fünf sowjetischen Spionen, die mit Erfolg die britischen und amerikanischen Geheimdienste unterwandert haben: Der in Indien geborene Brite Harold 'Kim' Philby begeisterte sich im Studium an der britischen Elite-Universität Cambridge für den Kommunismus. Wegen seiner guten Kontakte ins linke Milieu wurde er vom britischen Geheimdienst MI6 angeworben und 1949 nach Washington geschickt, um dort mit der CIA unter anderem in Fragen der Atomwaffenforschung zusammenzuarbeiten. Vordergründig arbeitete Philby für den Westen, doch in Wahrheit gab der Top-Spion seine Informationen an Moskau weiter.
Die Motivation: Offensichtlich war Philby weniger an Geld interessiert, seine Spionagetätigkeit erscheint vor allem politisch motiviert: Nachdem er vom Westen als Doppelagent enttarnt worden war, floh er nach Moskau und nahm die sowjetische Staatsbürgerschaft an. Später arbeitete Philby dann offiziell für den sowjetischen Geheimdienst KGB - allerdings zeigte er sich bald von dem System enttäuscht.
Fatale Folgen hatte der Verrat des CIA-Agenten Aldrich Ames für die USA und insbesondere für eine Reihe von Agenten im Dienste der Amerikaner. Ames hatte es 1985 bereits bis zum Chef der CIA-Abteilung für Gegenspionage gegen die UdSSR gebracht, als er sich den Sowjets als Maulwurf anbot. Bald danach begannen hinter dem Eisernen Vorhang Informanten der CIA in großer Zahl zu verschwinden. Bevor er 1994 aufflog, hatte sein Verrat einige Informanten das Leben gekostet - sie waren hingerichtet worden. Er selbst wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Die Motivation: Geld aus Moskau, um seinen aufwändigen Lebensstil zu finanzieren, scheint der einzige Grund für Ames' Verrat gewesen zu sein.
Der deutsche Journalist Richard Sorge arbeitete während der dreißiger und vierziger Jahre als Korrespondent für deutsche Zeitungen in Japan. Doch das war lediglich eine Tarnung, genau wie seine Mitgliedschaft in der NSDAP. Er baute in Tokio für die Sowjets einen Spionagering auf, der die japanischen Politiker und Militärs aushorchte, aber auch die Deutschen in Japan. Er schaffte es bis zum Presseattaché des deutschen Militärattachés und später auch Botschafters Eugen Ott - und zum Liebhaber von dessen Frau Helma. Als er 1941 von den Plänen des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion erfuhr, warnte er Moskau, fand jedoch kein Gehör. Größeren Erfolg hatte er mit dem Hinweis, dass Japan Indochina angreifen werde. Sibirien war demnach nicht in Gefahr. Aufgrund dieser Informationen verlegte die Rote Armee etliche Divisionen von dort aus nach Westen und stoppte den Vormarsch der deutschen Wehrmacht vor Moskau. Sorge selbst, der sich in Tokio viel zu auffällig verhielt, wurde im Oktober 1941 von den Japanern als Spion verhaftet. Da die Sowjetunion nicht zu einem Austausch des Gefangenen bereit war, wurde Sorge 1944 hingerichtet.
Die Motivation: Sorge war als deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg schwer verletzt worden. Seine Hoffnung war, dass der Kommunismus der Welt den Frieden bringen würde. Er trat in die Kommunistische Partei Deutschlands ein und wurde vom Militärischen Geheimdienst Moskaus, der GRU, rekrutiert.
Alfred Redl machte Karriere in der Armee der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie. Der Offizier galt als fleißig und vertrauenswürdig, sprach Polnisch und Russisch und schaffte es bis zum Vize-Chef des Militärgeheimdienstes, dem "Evidenzbüro". Dort hatte Redl Zugriff auf nahezu alle Geheimsachen der österreichischen Spionage. Redl verriet alles Wissenswerte an das zaristische Russland, wo er als Agent Nr. 25 und R geführt wurde. Redl war homosexuell (was damals verpönt und verboten war) und damit erpressbar.
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Zwischenzeitlich flog Redl fast auf: Nach einem Tipp suchte das Evidenzbüro nach einem Leck - ohne Erfolg. Kein Wunder: Redl leitete die Ermittlungen. 1913 wurde er enttarnt, als er als "Nikon Nizetas" eine postlagernde Geldsendung abholte. Redl sollte sich, nach einem knappen Geständnis, das Leben nehmen. Im Folgejahr, nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, zeigte sich die Wirkmächtigkeit von Redls Verrat: Die Russen kannten die Aufmarschpläne Österreich-Ungarns.
Die Motivation: Redl führte ein extravagantes Leben, das viel Geld kostete. Für seinen Verrat erhielt er vom russischen Geheimdienst Raswedka üppige Gagen. Dafür leistete er sich Automobile und Diener, tafelte in teuersten Restaurants und kaufte sich edle Uhren. Außerdem stattete er seinen Liebhaber mit Geld aus, finanzierte ihm Wohnung und Reitpferde. Binnen weniger Jahre zahlte er auf ein Konto 150 000 Kronen ein - das Zehnfache seines Jahresgehalts.
Als FBI-Beamter gelang es Robert Hanssen, über einen Zeitraum von 22 Jahren geheime Informationen an die Sowjetunion und dann an Russland zu verraten - darunter die Identität von Informanten im Dienste der USA. Zwei solcher Spione wurden daraufhin hingerichtet. Hanssen, der ausgerechnet für die Spionageabwehr des FBI gearbeitet hatte, wurde 2001 festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte sich dem sowjetischen Geheimdienst GRU selbst als Maulwurf angeboten.
Die Motivation: Hanssen hat angeblich fast eineinhalb Millionen Dollar für seinen Verrat kassiert. Und das Geld war auch der einzige Grund, den Hanssen für sein Verhalten selbst angab.
Oberst Oleg Gordijewski vom sowjetischen Geheimdienst KGB wurde 1974 vom britischen Geheimdienst MI6 angeworben und organisierte dann vom Londoner KGB-Büro aus die sowjetische Spionage in Großbritannien. Nachdem er 1985 in Moskau verhört worden war und Gefahr bestand, dass er auffliegen würde, half ihm der MI6 bei der Flucht nach Großbritannien.
Die Motivation: In einem Interview mit der BBC erklärte Gordijewski 1995: "Es war der Einfluss meiner Mutter, die mir mit ihrem gesunden Menschenverstand, ihrer bäuerlichen Haltung, ihrer Normalität die Realität des Lebens in der Sowjetunion vor Augen geführt hat - im richtigen Licht und den richtigen Dimensionen." Nachdem er vor allem wegen des Geldes und des Ruhms KGB-Agent geworden war, entschied er sich also aus idealistischen Gründen dazu, überzulaufen.
Der französische Hauptmann Alfred Dreyfus wurde Ende des 19. Jahrhunderts des Landesverrats beschuldigt, verurteilt und auf die Teufelsinsel vor Französisch-Guayana deportiert. Es stellte sich schließlich heraus, dass der Soldat zu Unrecht beschuldigt worden war. Man hatte ihm den Verrat in die Schuhe geschoben, den ein anderer Offizier begangen hatte: Ferdinand Walsin-Esterházy hatte sich Berlin als Spion angeboten und den Deutschen Informationen zukommenlassen. Nachdem er dessen verdächtigt worden war, wurde er in einem Militärprozess freigesprochen. Als es immer schwieriger wurde, zu leugnen, dass Dreyfus unschuldig war, floh Esterházy nach London.
Die Motivation: Esterházy hatte zwar eine wohlhabende Frau geheiratet, hielt sich jedoch mehrere Geliebte und war offenbar spielsüchtig. Vermutlich um seinen finanziellen Ruin zu verhindern, spielte er dem deutschen Militärattaché in Paris Informationen zu.