Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen einen Mann, der im April in Bayreuth wegen des Verdachts festgenommen wurde, für Russland spioniert und Sabotageakte geplant zu haben. In der Anklage, über die der Generalbundesanwalt am Donnerstag informierte, geht es allerdings um andere Vorwürfe: Die Staatsanwälte werfen Dieter S. vor, von Dezember 2014 bis September 2016 in der Ostukraine für die prorussische „Volksrepublik Donezk“ gekämpft zu haben. Er soll an Gefechten am Flughafen Donezk im Winter 2014/2015 beteiligt gewesen sein und im Juni 2015 in der nahegelegenen Kleinstadt Marjinka. Diese war im Krieg ab 2014 zwischen der ukrainischen Armee und Rebellentruppen der abtrünnigen „Volksrepublik“ jahrelang schwer umkämpft.
Nun muss der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München darüber entscheiden, ob er das Hauptverfahren gegen den Deutschrussen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat eröffnet. Wenn der Fall vor Gericht landet, könnten dort auch weitere Vorwürfe gegen Dieter S. behandelt werden.
Ein Musterbeispiel dafür, wie russische Geheimdienste in Deutschland agieren
Die Bundesanwaltschaft wirft S. nämlich in einem zweiten Ermittlungsverfahren vor, für den russischen Staat militärische Infrastruktur in Deutschland ausgespäht und Sabotage geplant zu haben. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll S. seit Oktober 2023 mit einem ehemaligen Vorgesetzten aus den Kampfeinheiten der prorussischen Rebellengruppe in Verbindung gestanden haben, der nach Erkenntnissen der Ermittler wiederum an einen russischen Geheimdienst angebunden ist. Demnach sollen die Männer besprochen haben, welche Ziele man in Deutschland ins Visier nehmen könnte.
Nach Überzeugung der Ermittler fiel die Wahl unter anderem auf den Truppenübungsplatz der US-Armee im bayerischen Grafenwöhr. Dort werden seit Beginn der russischen Großinvasion in die Ukraine Soldaten des angegriffenen Landes ausgebildet.
Neben Dieter S. wurde am 17. April dieses Jahres auch sein mutmaßlicher Komplize Alexander J. festgenommen. Er soll S. bei den Ausspähaktionen und den Sabotageplanungen geholfen haben. Auch Alexander J. ist Deutschrusse. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft steht dieses Ermittlungsverfahren kurz vor dem Abschluss, die zweite Anklage dürfte also demnächst folgen.
Der Fall gilt unter Fachleuten in den deutschen Sicherheitsbehörden als Musterbeispiel dafür, wie russische Geheimdienste in Deutschland agieren: Sie schicken in der Regel keine eigenen Agenten mehr in die Bundesrepublik, um geheime Operationen durchzuführen, sondern bezahlen Freiwillige dafür und leiten sie an.
In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben deutsche Ermittler von zahlreichen Fällen erfahren, in denen zumindest der Verdacht naheliegt, dass es sich um russische Spionage oder Sabotage handelt. Im Sommer etwa geriet im DHL-Logistikzentrum auf dem Flughafen Halle/Leipzig ein Paket in Brand, das gerade in ein Frachtflugzeug verladen werden sollte. Später fand man darin einen professionellen Brandsatz, mutmaßlich das Werk von Geheimdienstlern. Britische Behörden ermitteln, ob ein gleichzeitiges Feuer in einem DHL-Lagerhaus in Birmingham in Verbindung mit dem Fall aus Leipzig steht und ob russische Dienste dahinterstecken.
Auch Militärinfrastruktur ist nicht nur im Bayreuther Fall ins Visier geraten. Über Bundeswehrliegenschaften werden seit Kriegsbeginn in der Ukraine immens viele unerlaubte Drohnenflüge registriert. Auch hier vermuten die Sicherheitsbehörden russische Geheimdienstler im Hintergrund. Erst vor zwei Wochen hatten die Chefs der deutschen Nachrichtendienste im Bundestag vor den Einflussversuchen des russischen Regimes in Deutschland gewarnt – und vor Geheimdienstoperationen „ohne jegliche Skrupel“, wie es Bruno Kahl, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, formulierte.