Süddeutsche Zeitung

Spionage:Landesverräter des Geldes wegen

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Von Hans Holzhaider, München

Die USA mögen ein politischer Freund und ein militärischer Bündnispartner Deutschlands sein - aber auf der Ebene der Geheimdienste hat die Freundschaft ein Ende. Wer geheime Dokumente aus dem Bereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) an den amerikanischen Geheimdienst CIA weitergibt, gefährdet die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und macht sich deshalb des Landesverrats schuldig. Das hat am Donnerstag der 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts München entschieden und den 32-jährigen Markus R. zu acht Jahren Haft verurteilt.

R. war von Anfang 2008 bis zum Juli 2014 beim BND in Pullach angestellt. Er hatte sich selbst bei der US-Botschaft in Berlin als Agent angedient und im Lauf der Jahre mehr als 200 teils als streng geheim eingestufte Dokumente an seinen Mittelsmann von der CIA weitergegeben.

R.'s Agententätigkeit war aufgeflogen, nachdem er im Mai 2014 auch dem russischen Generalkonsulat in München per E-Mail seine Dienste angeboten und zum Beweis seiner Leistungsfähigkeit gleich drei Dokumente mitgeschickt hatte.

Beim BND fühlte er sich nicht ausgelastet, sagt der Angeklagte

Nach seiner Festnahme hatte er auch seine langjährige Zusammenarbeit mit der CIA gestanden. Er habe sich durch seine Tätigkeit in der Poststelle des BND nicht ausgelastet und unterfordert gefühlt, gab er an. Bei der CIA dagegen habe er Wertschätzung und Anerkennung gefunden, auch finanzieller Art: Bei Agententreffs in Österreich und über geheime Briefkästen hatte R. insgesamt 90 000 Euro erhalten.

Deshalb glaubte das Gericht auch nicht daran, dass Langeweile und Frust im Dienst das Motiv für R.'s Agententätigkeit war. Für den ausgebildeten Bürokaufmann war es der erste Job nach langer Arbeitslosigkeit, und er habe sich ja auch ausdrücklich um einen Verwaltungsposten beworben, sagte der Vorsitzende Richter Reinhold Baier. Vielmehr sei es R. wohl in erster Linie um das Geld gegangen. Das Gehalt beim BND war nicht gerade üppig; R. habe den Agentenlohn als angenehmes Zweiteinkommen betrachtet. Zum Landesverrat kam also auch Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall, weil er sein Geschäft gewerbsmäßig betrieben habe.

Ob der Verrat von Staatsgeheimnissen an einen Bündnispartner den Tatbestand des Landesverrats erfüllt, sei eine Frage des Einzelfalls, sagte der Vorsitzende Richter. Kein Landesverrat wäre es lediglich dann, "wenn davon auszugehen ist, dass der Bündnispartner das Staatsgeheimnis vertraulich behandelt". Das sei aber "ersichtlich nicht die Absicht der CIA gewesen", sagte Baier. Es habe sich um eine gezielte, langjährige Spionagetätigkeit gehandelt, durch die der amerikanische Geheimdienst umfassende Einblicke in den Personalbestand und die Arbeitsweise des BND und dessen Kooperation mit fremden Geheimdiensten gewonnen habe.

R. habe sehr "gewissenhaft" spioniert, sagt der Richter

R. hatte seinem Kontaktmann unter anderem eine Personaldatenbank mit den Klar- und Decknamen von Mitarbeitern des deutschen Auslandsgeheimdiensts auch bei den ausländischen Residencen übermittelt. Das habe zu einer "schwerwiegenden Beeinträchtigung der Tätigkeit des BND" geführt. Unter anderem sei die Kooperation mit einem Dienst im Nahen Osten gestört und die Türkei als Aufklärungsziel des BND verraten worden.

Aufträge seines Agentenführers habe R. "gewissenhaft abgearbeitet", sagte Baier. Die CIA hatte sich besonders für Informationen aus dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags und die deutsche Haltung im Syrienkonflikt interessiert.

Strafmildernd wertete das Gericht, dass Markus R. sich nach seiner Festnahme kooperativ gezeigt und bereitwillig die Passwörter für den Laptop preisgegeben hatte, den ihm die CIA zur Übermittlung der Dokumente überlassen hatte. Als Beifang fiel dem BND auf diese Weise auch eine bis dahin unbekannte Verschlüsselungssoftware der CIA in die Hände.

Die laxen Sicherheitsbestimmungen beim BND hielt das Gericht dem Angeklagten dagegen nicht zugute. R. hatte die Geheimdokumente problemlos kopieren und mit nach Hause nehmen können. "Der BND hat nicht die Möglichkeit, jeden Mitarbeiter vollständig zu kontrollieren", sagte Baier. Mit dem Strafmaß von acht Jahren blieb das Gericht unter dem Antrag der Bundesanwaltschaft, die zehn Jahre gefordert hatte.

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SZ vom 18.03.2016
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