Süddeutsche Zeitung

Spionage:Generalbundesanwalt ermittelt gegen Vietnams Geheimdienst-Vizechef

  • Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen Duong Minh Hung, den Vizechef des Geheimdienstes in Vietnam.
  • Er soll die Entführung des vietnamesischen Geschäftsmanns Trinh Xuan Thanh in Berlin koordiniert haben.
  • Mit den jetzigen Ermittlungen kommt der Fall auf der höheren politischen Ebene an.

Von Georg Mascolo und Ronen Steinke

Der Generalbundesanwalt hat nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR Ermittlungen wegen Spionage und Freiheitsberaubung gegen den Vizechef des vietnamesischen Geheimdiensts eingeleitet, Duong Minh Hung. Dieser soll im vergangenen Juli die Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmanns in Berlin koordiniert haben und dazu eigens für mehrere Tage nach Berlin gekommen sein.

Es ist die bislang schärfste Reaktion der deutschen Seite auf diesen Entführungsfall, der in Berlin als flagrante Verletzung des Völkerrechts und der deutschen Souveränität gewertet wird. Am 23. Juli 2017 morgens kurz vor elf Uhr war der Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh im Berliner Tiergarten im Bereich der Hofjägerallee von einem Greifkommando des vietnamesischen Geheimdienstes gekidnappt worden. Im Kofferraum fanden deutsche Ermittler später Blut, Trinh muss sich gewehrt haben. Der Verschleppte wurde sofort in die vietnamesische Botschaft in Berlin-Treptow gebracht und von dort auf unbekanntem Weg nach Vietnam transportiert.

Vietnams Geheimdienst-Vize Hung war nach Ansicht der deutschen Ermittler der zentrale Akteur dieser Entführung, wie sich nun zeigt. Er hatte in der Woche, in der er in Berlin war, mehr als hundert Handytelefonate und SMS mit anderen an der Tat beteiligten Männern geführt und deren Aufgaben koordiniert. Zwei Tage vor der Entführung wechselte er das Hotel und quartierte sich im "Sylter Hof" ein. Das Zimmer diente ihm als Kommandozentrale, er verließ es bis zum Zeitpunkt der Entführung kaum noch. Die Karlsruher Bundesanwaltschaft wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Nicht die erste Sanktion gegen Vietnam

Es ist nicht die erste Sanktion gegen Vietnam. Nach der Entführung hatte das Auswärtige Amt bereits zwei vietnamesische Diplomaten aus Deutschland ausgewiesen. Einem gab man 48 Stunden Zeit, die Bundesrepublik zu verlassen, dem anderen vier Wochen. Unter ihnen war der sogenannte Resident des vietnamesischen Geheimdiensts in Deutschland, der den Kontakt zu deutschen Diensten hält. Strafrechtlich konnten die deutschen Behörden jedoch kaum einen der mutmaßlichen Täter belangen. Viele waren durch ihren Status als Diplomaten geschützt - was ihr Vorgehen aus Sicht der deutschen Regierung besonders dreist machte. Der Geheimdienst-Vize Hung selbst war schon wieder ausgereist.

So sitzt bislang nur ein angeblich eher untergeordneter Tatbeteiligter in Deutschland in Untersuchungshaft: Der Vietnamese Long N. H., der seit vielen Jahren in Tschechien lebt, soll bei der Entführung als Fahrer gedient haben. Die Bundesanwaltschaft hat Anklage wegen Spionage und Freiheitsberaubung gegen ihn erhoben, wie in der vergangenen Woche bekannt wurde. Er selbst beteuert seine Unschuld. Er sei ein "Bauernopfer", sagt sein Anwalt Stephan Bonell.

Mit den deutschen Ermittlungen gegen Hanois Vize-Geheimdienstchefs kommt der Fall nun auf der höheren politischen Ebene an.

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