Ende Juni machte Yaqi X. eine Dienstreise nach China, es ging auf eine Logistikmesse in Shanghai. Ein Vorgesetzter postete ein Foto im Berufsnetzwerk Linkedin, Yaqi X. steht zwischen Kollegen vom Flughafen Leipzig/Halle und lächelt in die Kamera. „Wir sind sichtbar in China und werden als aktiver Player wahrgenommen“, schreibt der „Leiter Business Development und Strategie“ des Flughafenbetreibers.
Auf welche Weise sie wahrgenommen werden, konnte der Flughafenmanager damals wohl noch nicht ahnen: Am Montag ließ der Generalbundesanwalt die Chinesin Yaqi X. in Leipzig festnehmen, sie soll für einen chinesischen Geheimdienst spioniert und interne Informationen über Rüstungstransporte weitergegeben haben. Der Manager hat das Foto gelöscht, und beim Flughafenbetreiber will nun niemand mit der Presse reden. Ein Sprecher teilt knapp schriftlich mit, dass man keine Angaben zur Sache machen könne, „aber vollumfänglich die Arbeit der Behörden“ unterstütze.
Die Frau hatte offenbar Zugang zu sensiblen Daten
Chinas Geheimdienste interessieren sich für nahezu alles, was in Deutschland passiert, von Politik bis Wissenschaft. Davor warnt der Verfassungsschutz schon länger. Besonders brisant sind gerade in der derzeitigen Weltlage Geheimnisse zu Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, für die sich die chinesische Spionage interessiert. Und genau solche soll Yaqi X. weitergegeben haben. Wer ist die Frau und um was für Informationen geht es?
Yaqi X., 38 Jahre alt, soll seit 2015 in Deutschland leben und arbeitete seit einigen Jahren bei einer Tochterfirma der Flughafengesellschaft, die sich um die Logistik am Flughafen Leipzig/Halle kümmert – Flugzeuge, Passagiere, Fracht. In ihrem Job, zuletzt im Bereich Kundenservice, hatte sie wohl Zugang zu sensiblen Daten. Und solche soll sie nun „in der Zeit von Mitte August 2023 bis Mitte Februar 2024“ an einen Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes weitergegeben haben, wie der Generalbundesanwalt mitteilt.
Beim Geheimdienstmitarbeiter handelt es sich um Jian G., den ehemaligen Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah. Jian G. sitzt seit Ende April in Untersuchungshaft, weil er verdächtigt wird, für den chinesischen Auslandsgeheimdienst gespitzelt und Informationen nach China übermittelt zu haben. Es soll um chinesische Exil-Oppositionelle in Deutschland gegangen sein, aber auch um Vorgänge im Europäischen Parlament. „Der einzige Vorwurf, den ich mir im Zusammenhang mit meinem chinesischstämmigen Ex-Mitarbeiter mache, ist, nicht gründlicher aufgepasst zu haben“, schrieb Krah am Dienstag im Internet. Dabei ist bekannt, dass er eine freundliche Haltung gegenüber China gezeigt hat, und Krah soll auch persönlich profitiert haben, etwa durch Geldzahlungen von G., die laut Ermittlern aus chinesischen Geheimdienstquellen kommen sollen.
Krahs Ex-Mitarbeiter könnte ihr „Agentenführer“ gewesen sein
Yaqi X. und Jian G. kennen sich offenbar schon länger, unklar ist, ob schon aus China. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass G. als „Agentenführer“ Informationen von seiner Bekannten bekommen und weitergeleitet hat. Es soll sich dabei um Interna über den Rüstungskonzern Rheinmetall, auch zu Mitarbeitenden, und Waffentransporte vom Flughafen Leipzig/Halle in die Ukraine und nach Israel gehandelt haben. Der Leipziger Flughafen ist das Drehkreuz in Deutschland für solche Transporte, nicht nur die Bundeswehr, auch das US-Militär nutzt den Flughafen.
Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR kamen die Ermittler Yaqi X. bereits vor der Verhaftung des Krah-Mitarbeiters auf die Spur. Ihr enger Kontakt zu Jian G. fiel demnach bei der Überwachung seiner Telefon- und Internetkommunikation auf. Konkrete Hinweise auf die mutmaßliche Spionagetätigkeit von Yaqi X. bekamen sie offenbar aber erst durch die Auswertung der sichergestellten Handys von G.
Yaqi X. wohnte in einem hübsch sanierten Backsteinbau nicht weit entfernt vom Leipziger Hauptbahnhof, ebenso wie ihr Büro wurde die Wohnung am Montag vom Bundeskriminalamt durchsucht. Eine unscheinbare Mieterin, an die sich dort wenige erinnern, was auch daran liegt, dass im Haus viele Appartements sind, die lediglich kurzzeitig vermietet werden. Yaqi X. aber wohnte bereits seit Frühjahr 2020 in der Wohnung Nr. 41.
Ein Nachbar erzählt, dass sie sich im Treppenhaus gegrüßt hätten, Yaqi X. habe nicht viel Deutsch gesprochen und schüchtern gewirkt. Auch bei ihrem Arbeitgeber fiel die Chinesin lange nicht auf. Und das, obwohl sie für ihre Tätigkeit einer Sicherheitsprüfung unterzogen wurde. Dabei wird in den Datenbanken der Sicherheitsbehörden nachgeschaut, ob etwas gegen die Person vorliegt. Bei Yaqi X. gab es keine Treffer. Sie sitzt nun in Untersuchungshaft. Ihr Verteidiger will sich auf Anfrage von SZ, NDR und WDR nicht äußern.
Mitarbeit: Florian Flade, Sebastian Pittelkow