Spionage beim Nato-Partner Türkei:Brisantes Abhören unter Freunden

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Ihm könnte die Spähaffäre gerade recht kommen: der türkische Premier Erdoğan. (Foto: AP)

Der BND belauscht den Nato-Partner Türkei. Die Türken wird das kaum entrüsten, denn ihr Staat treibt es selbst noch bunter. Doch Premier Erdoğan könnte die Spähaffäre für seine Zwecke ausschlachten. Und Deutschland - bei aller Berechtigung für die Spionage - ein Problem bekommen.

Kommentar von Christiane Schlötzer, Istanbul

Die Floskel ist abgedroschen: Nur der Türke ist des Türken Freund. Man wird den Satz in Ankara nun wieder öfter hören. Ob Gezi-Park-Proteste oder Korruptionsvorwürfe - hinter jedem Baum und hinter jedem ermittelnden Polizisten sahen Recep Tayyip Erdoğan und seine Helfer bislang schon "fremde Mächte". Die Neuigkeit, dass die Türkei seit Jahren Ziel von Aktivitäten des BND ist, wirkt daher wie ein Geschenk für den frisch gewählten Staatspräsidenten.

Erdoğan wird, wenn es ihm passt, dies künftig für seine Politik der Abschottung von Europa nutzen: Die Deutschen misstrauen uns, also tun wir das auch.

Mit keinem anderen EU-Land unterhält die Türkei jedoch so enge Beziehungen wie mit Deutschland. Das macht die Lauschaktion so brisant, aber gleichzeitig, zumindest aus Sicht der Bundesregierung, auch irgendwie begründbar. Es gibt vieles, was aus der Türkei in Berlin interessiert.

Muss man deshalb die Lauscher aufstellen?

Die militante kurdische PKK - deren Kämpfer gerade im Irak als Befreier der Jesiden gefeiert werden - hat jahrelang auch in Deutschland Nachwuchs rekrutiert und "Steuern" eingetrieben. Die Türkei hat es Dschihadisten auch aus Deutschland zeitweise ziemlich leicht gemacht, Syrien und den Irak zu erreichen. Erst jüngst hat sich dies geändert, auch nach massiver Kritik aus Berlin und Washington. Immer wieder haben Politiker aus Berlin in Ankara darüber geklagt, dass der Informationsaustausch der Sicherheitskräfte nicht funktioniere (die Türkei tat übrigens umgekehrt dasselbe).

Nur: Muss man deshalb gleich selbst die Lauscher aufstellen? Waren das die gewonnen Erkenntnisse denn wert?

Die Frage nach dem Erkenntnisgewinn wird man wohl kaum beantworten können. Weder die Regierung in Berlin noch die deutschen Geheimen dürften verraten, was sie in der Türkei denn genau erfahren haben. Deshalb darf nun wild spekuliert werden, ob der BND vielleicht auch mithörte, als Erdoğan mit Sohn Bilal beriet, wie man den hauseigenen Safe leeren solle, oder als der Premier Journalisten maßregelte. Diese Mitschnitte kann man in der Türkei im Internet nachhören, und bis heute wird gerätselt, wie viel davon echt und was möglicherweise manipuliert ist.

Erst jüngst wurde bekannt, dass in Istanbul zeitweise - mit Gerichtsbeschluss - alle E-Mails überwacht wurden. In der Türkei wird so viel gelauscht, dass sich selbst der scheidende Präsident Abdullah Gül über das Ausforschen seines Telefons beschwert hat. Die Befugnisse des Geheimdienstes zum Abhören hat die Erdoğan-Regierung gerade erst wieder erweitert. Dies dürfte viele Türken mehr stören als die gewiss begrenzteren Aktivitäten des BND.

Wenn ein abgefangenes Telefonat von Hillary Clinton für den BND "Beifang" war, dann ist ein Lauschangriff auf das Nato- Land Türkei - um im Bild zu bleiben - gewiss ein dicker Fisch. Schließlich wird die Türkei von ihren Bündnispartnern derzeit besonders gebraucht.

Warum ein belastetes Verhältnis gerade jetzt ein Problem darstellt

Hilfstransporte zu den Jesiden und den Christen im Irak gehen über die Türkei. Für 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge ist die Türkei vorrübergehende oder womöglich dauerhafte Heimat. Hätte die Türkei die Menschen nicht ins Land gelassen - auch schon Tausende Iraker - sie würden sich Wege nach Europa suchen. Die Kalifats-Terroristen sind auch der türkischen Grenze schon gefährlich nahe gerückt.

Im Zweifel wird sich die Nato darauf verlassen, dass die türkische Armee diese Grenze auch für Europa sichert. All dies sind Gründe, warum es jetzt nötig wäre, dass Berlin und Ankara ihr nicht erst seit der BND-Enthüllung belastetes Verhältnis zu verbessern. Damit auch im Fall der Türkei gilt, was Kanzlerin Angela Merkel, wie man nun weiß, zu vollmundig behauptet hat: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht."

© SZ vom 18.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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