Spionage-Affäre:Weckruf für den Datenschutz

Viviane Reding

Viviane Reding auf einer Pressekonferenz in Luxemburg

(Foto: picture alliance / dpa)

"Danke, Prism, für diesen Weckruf:" Beim Treffen der EU-Justizminister in Litauen kündigt Viviane Reding an, Konsequenzen aus den Ausspähaffären der US-Geheimdienste zu ziehen. Die EU-Justizkommissarin droht den Vereinigten Staaten mit der Kündigung des "Safe-Harbor"-Abkommens.

Von Javier Cáceres

Die Justizkommissarin der Europäischen Union, Viviane Reding, will handfeste Konsequenzen aus den Ausspähaffären der US-Geheimdienste ziehen. Wie Reding beim informellen Treffen der EU-Justizminister im litauischen Vilnius erklärte, erwäge die Kommission, eine Vereinbarung zum Datenschutz mit den Vereinigten Staaten zu kippen.

Dabei handelt es sich um die "Safe-Harbor"-Übereinkunft zwischen der EU und den USA über den Austausch personenbezogener Daten. Darin wird geregelt, dass Firmen personenbezogene Daten in die USA übermitteln können, wenn sie "einen angemessenen Schutz der Privatsphäre" gewährleisten, sprich: einen "sicheren Hafen" darstellen. Reding sagte in Vilnius, das Abkommen müsse wohl geändert werden: "Safe Harbor ist eher ein Schlupfloch denn eine Absicherung unserer Bürger. Und dann gehört dieses Schlupfloch geschlossen."

Die Prüfung des "Safe-Habor"-Abkommens soll laut Reding Ende des Jahres abgeschlossen sein. Denkbar seien Änderungen bis hin zur Aufkündigung der Vereinbarung. Dies sei einseitig möglich und Sache der EU-Kommission, hob sie hervor. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte die Initiative. Der Druck könne zu einem höherem Datenschutzniveau bei den US-Unternehmen führen.

Die 1998 verabschiedete Safe-Harbor-Übereinkunft war deshalb nötig, weil die Datenschutzvorschriften in den USA an das Niveau, das man in europäischen Ländern wie Deutschland kennt, kaum heranreichen. Das Abkommen ist aber von jeher umstritten gewesen. Der Grund: Das Abkommen basiert auf einem selbstregulatorischen Ansatz. Auf einer Website des US-Handelsministeriums ist davon die Rede, dass die Rahmenübereinkunft den US-Unternehmen eine Orientierung biete, wie in europäischen Augen ein "adäquater Schutz persönlicher Daten" aussehe.

Schwung in die Debatte

Die Kontrolle über die Einhaltung der europäischen Datenschutzstandards unterliegt aber amerikanischen Stellen, konkret der Federal Trade Commission (FTC). Reding will nun unter anderem prüfen, wie intensiv die FTC die Einhaltung der Standards durch nunmehr Tausende US-Firmen mit dem Gütesiegel "Sicherer Hafen" prüft. Schon jetzt habe die Prism-Affäre ein Manko des Abkommens vor Augen geführt. Die übermittelten Daten könnten von US-Firmen letztlich an den US-Geheimdienst NSA weitergereicht werden, ohne dass sich Betroffene vor US-Gerichten zur Wehr setzen können, erklärten Brüsseler Beamte.

Insgesamt kann Reding mit dem Treffen von Vilnius mehr als nur zufrieden sein. In Litauen war deutlich zu spüren, wie sehr die Ausspähaffären Schwung in die Debatte um ihre Anfang 2012 vorgelegte Datenschutzreform gebracht haben. Reding wurde sogar mit dem Satz zitiert: "Danke, Prism, für diesen Weckruf."

Der aufziehende deutsche Bundestagswahlkampf sorgte für ein ziemlich beispielloses Interesse deutscher Regierungsvertreter an der Zusammenkunft: Gleich zwei Bundesminister war bei einem informellen Justizminister-Rat zugegen, also bei einem Treffen, auf dem nichts beschlossen wurde: Neben Leutheusser-Schnarrenberger war auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in Vilnius, der im Bundeskabinett für den Datenschutz zuständig ist.

Die europäischen Minister erklärten nachdrücklich wie nie, dass die Datenschutzreform rasch abgeschlossen werden sollte. Der Vorsitzende des Innen- und Rechtsausschusses des Europaparlaments, der spanische Sozialist Juan Fernando López Aguilar, verstieg sich gar zu der Hoffnung, dies könne noch in diesem Jahr geschehen - was technisch längst als unmöglich gilt. Entscheidend wird sein, was von dem Schwung übrig bleibt, wenn der deutsche Wahlkampf vorüber ist. Erst nach dem 22. September werde sich zeigen, was Deutschland wirklich wolle, sagte ein EU-Diplomat laut Nachrichtenagentur dpa.

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