Spesenskandal in Großbritannien:Am Anfang war der Porno

Pornorechnungen ihres Mannes, abgerechnet als Spesen: Dafür scheint die britische Innenministerin Jacqui Smith nun zurücktreten zu müssen. Unterdessen geraten schon die nächsten Minister ins Zwielicht.

Der Spesenskandal im britischen Parlament erfasst zunehmend auch die Regierung von Ministerpräsident Gordon Brown. Innenministerin Jacqui Smith werde wegen der Affäre ihren Rücktritt erklären, berichteten die BBC und der Sender Sky News am Mittag übereinstimmend. Eine Ministeriumssprecherin sagte, sie könne dies weder bestätigen noch dementieren. Ein Sprecher von Premierminister Gordon Brown bezeichnete den Bericht als Spekulation.Einen Zeitpunkt und Quellen für ihre Informationen nannten beide Medien nicht.

Smith, AP

Jacqui Smith - noch britische Innenministerin.

(Foto: Foto: AP)

Smith hatte sich Ende März dafür entschuldigt, unter anderem die Gebühren für zwei Pornofilme, die ihr Mann bei einem Bezahlsender bestellt hatte, auf ihre Abrechnung gesetzt zu haben. Zahlungen im Zusammenhang mit ihrem Wohnzuschuss werden derzeit geprüft.

Verkehrsminister Geoff Hoon musste am heutigen Dienstag ein falsche Abrechnung einräumen, nur einen Tag nach Finanzminister Alistair Darling. Hoon erklärte, er werde die irrtümlicherweise doppelt abgerechneten 384 Pfund (440 Euro) umgehend zurückerstatten. "Das war absolut ein Versehen", sagte Hoon. Hoon war bereits unter Browns Vorgänger Tony Blair in der Regierung - während des Irak-Kriegs 2003 war er Verteidigungsminister.

Hoon hatte die gleichen Aufwendungen, darunter Geld für eine Hausratsversicherung und eine Gasrechnung, bei zwei Wohnsitzen geltend gemacht. Dasselbe war auch Darling passiert. Der Finanzminister kündigte am Montag an, die doppelt abgerechneten rund 700 Pfund (800 Euro) umgehend zurückzuzahlen. Zwei Tage vor der Europa- und Kommunalwahl in Großbritannien deutete zuletzt vieles auf eine Ablösung Darlings als Finanzminister hin.

Stühlerücken nach der Europawahl erwartet

Brown hatte zuvor bei mehreren Interviews keine Garantie für einen Verbleib seines wichtigsten Ministers im Kabinett abgegeben. Neben dem Fehler in der Spesenabrechnung wird Darling auch zur Last gelegt, dass er häufiger seine Zweitwohnsitz gewechselt und der Öffentlichkeit auch die Kosten für seinen privaten Steuerberater in Rechnung gestellt hatte.

Darling könnte seinen Posten schon in den nächsten Tagen bei einer Kabinettsumbildung verlieren. Diese wird wegen des absehbaren Debakels von Browns regierender Labourpartei bei den Europa- und Kommunalwahlen Ende dieser oder Anfang nächster Woche erwartet.

Nach einhelligen Medienberichten könnte Brown Bildungsminister Ed Balls zum neuen Finanzminister machen. Wirtschaftsminister Peter Mandelson wurde zuletzt als Kandidat für den Posten des Außenministers gehandelt. Amtsinhaber David Miliband könnte dann in das Innenressort auf Jacqui Smiths Posten nachrücken. Beobachter rechneten jedoch nicht vor der Wahl des Europaparlaments in Großbritannien am Donnerstag mit einem Stühlerücken im Kabinett.

Zahlreiche Unterhausabgeordnete haben im Zusammenhang mit dem Spesenskandal inzwischen erklärt, sie würden bei der nächsten Parlamentswahl - die bis spätestens Juni kommenden Jahres abgehalten werden muss - nicht mehr antreten.

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