Süddeutsche Zeitung

Spendenskandal um "Live Aid":Geldofs "Death Aid"?

Als Bob Geldof mit "Live Aid" zu Spenden für die Hungernden in Äthiopien aufrief, kamen Millionen Dollar zusammen. Doch Rebellen sollen die Spenden nicht in Nahrung, sondern in Waffen investiert haben.

Wenn Bob Geldof ruft, lässt sich die internationale Musik-Elite nicht lange bitten: Das war 2005 bei den weltweiten "Live 8"-Konzerten so - und auch 20 Jahre zuvor, als Geldorf für die Opfer der Hungersnot in Äthiopien Spenden sammelte, waren seine prominenten Musikerkollegen zur Stelle: Bono, David Bowie, Phil Collins, Boy George, Paul McCartney und viele weitere namhafte Musiker sangen 1984 gemeinsam "Do They Know It's Christmas Time?" - und traten ein Jahr später kostenlos bei den "Live-Aid"-Konzerten im Londoner Wembley Stadion und der Kennedy-Arena in Philadelphia auf.

CD-Erlöse und ein weltweiter Spendenaufruf brachten Millionen für die Hungernden in dem afrikanischen Land. Doch nun kam heraus, dass ein Teil des Geldes möglicherweise nicht in Nahrung, sondern in Waffen investiert wurde.

Ehemalige Anführer der äthiopischen Rebellenorganisation "Tigray People's Liberation Front" (TPLF) sagten der BBC, man habe damals "ein Drama" inszeniert, um Spendengelder zu erschleichen. 95 Prozent der rund 100 Millionen Dollar, die in die nördliche Provinz Tigray flossen, sollen demnach von den Rebellen, die das Gebiet damals kontrollierten, für militärische Zwecke verwendet worden sein.

"Täuschungsmanöver für die NGOs"

Überhaupt möglich wurde dies, weil zur Bewältigung der Hungersnot neben Nahrungsmittellieferungen aus dem Ausland auch Getreide von Bauern in Regionen Äthiopiens aufgekauft wurde, die einen Überschuss erwirtschaftet hatten.

Die BBC berichtet von einem vermeintlichen Getreide-gegen-Spendengeld-Geschäft im Jahr 1984: Max Peberdy, Mitarbeiter einer christlichen Hilfsorganisation transportierte 500.000 Dollar in äthiopischer Währung aus dem Sudan über die Grenze nach Tigray, um dort Getreide einzukaufen. Doch anstatt Getreide soll in einem Großteil der erworbenen Säcke Sand gewesen sein - und der vermeintliche Korn-Verkäufer war in Wirklichkeit ein führendes TPLF-Mitglied.

Der ehemalige TPLF -Rebell Gebremedhin Araya sagte BBC-Reportern: "Ich war gekleidet wie ein muslimischer Verkäufer - das war ein Täuschungsmanöver für die NGOs." Das Geld habe er dem damaligen Rebellenführer Meles Zenawi ausgehändigt.

Geldof empört über BBC

Peberdy selbst bestreitet den Schwindel und betonte, seines Wissens nach sei das Geld der hungernden äthiopischen Bevölkerung zugute gekommen. In 25 Jahren habe niemand etwas Derartiges behauptet.

Gestützt werden Arayas Aussagen allerdings von einem weiteren ehemaligen Kopf der TPLF: Ex-TLFP-Kommandant Aregawi Berhe sagte der BBC, man habe die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen "zum Narren gehalten". Das ergaunerte Geld sei zu 95 Prozent dazu benutzt worden, Waffen zu kaufen und innerhalb der Rebellenbewegung eine marxistische Partei zu etablieren.

Medienberichten zufolge soll auch ein kürzlich veröffentlichter CIA-Bericht den Missbrauch von Spendengeldern in Äthiopien bestätigen.

Der Groll der Helfer richtet sich indes nicht gegen die Rebellen: Der Independent berichtet, Geldof sowie führende Hilfsorgansiation, darunter Oxfam, das Rote Kreuz und Unicef, wollten einen Beschwerdebrief an den Vorsitzenden der BBC, Sir Michael Lyons, schreiben. Sie beklagen, die BBC-Reportage erwecke einen "gefährlich falschen Eindruck" und sei "naiver" Journalismus auf Basis der Aussage eines "verstimmten" Ex-Rebellen. Aregawi Berhe wurde 1985 aus der TPLF ausgeschlossen und lebt seitdem im Exil in den Niederlanden.

Äthiopischen und eritreischen Rebellen gelang es Ende der 1980er Jahre, die Macht in Äthiopien zu übernehmen. Regiert wird das immer noch bitterarme Land seitdem von Meles Zenawi - eben jenem Rebellenführer, der die westlichen Hilsorganisationen offenbar so meisterhaft zu täuschen wusste.

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