Süddeutsche Zeitung

Spendenskandal in Österreich:Deals im Hintergrund

Ein Spendenskandal erschüttert Österreich - schon wieder. Konservative wie Sozialdemokraten sollen sich Geld aus der Wirtschaft besorgt haben, ohne das als offizielle Spenden auszuweisen. Selbstbedienungsmentalität ist in Wien nichts Neues, vier Wochen vor der Wahl ist der Skandal umso heikler für die große Koalition.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Einen "Parteispendenskandal, der Österreichs Innenpolitik in ihren Grundfesten erschüttern" werde, hatte das Nachrichtenmagazin News angekündigt. In den Medien des korruptionsgewöhnten Landes jedoch wurde die Nachricht am Donnerstag nicht an erster Stelle gehandelt - vielleicht, weil Zyniker Neuigkeiten aus dem Reich der verdeckten Parteienfinanzierung schon nicht mehr schockierend finden.

Schließlich waren Anfang August erste Urteile gegen eine Reihe von Parteimanagern der Ex-Haider-Parteien FPÖ und BZÖ sowie der Telekom Austria ergangen; sie hatten über den Umweg von PR-Agenturen und Scheinrechnungen Gelder vom Konzern in die Parteikassen umgeleitet.

Wut könnte steigen

Nun allerdings, knapp vier Wochen vor der Nationalratswahl am 29. September, trifft es ÖVP und SPÖ, und das heftig: Auch sie sollen sich Mittel aus der Wirtschaft verschafft haben, die niemals als Parteispenden deklariert wurden. Im laufenden Wahlkampf, in dem die Sozialdemokraten mit derzeit 28 und die Österreichische Volkspartei mit 25 Prozent in der Wählergunst stehen, könnten diese Enthüllungen die Wut über die Selbstbedienungsmentalität der etablierten Parteien noch einmal steigern.

ÖVP-Sprecher Thomas Lang beeilte sich daher zu betonen, dass die Vorgänge nicht neu seien - und dass die neue Parteiführung unter dem Vizekanzler Michael Spindelegger damit nichts zu tun habe. Man warte eine "rechtsstaatliche Untersuchung ab, werde die fragliche Summe aber "auf Heller und Pfennig zurückzahlen", wenn sich die Vorwürfe bewahrheiteten.

400.000 Euro auf das Kundenkonto

Unter den Überschriften "Der Weg des schwarzen Geldes" sowie "Und so kassierten die Roten" listet News Geldflüsse auf, wie sie ein von der Wiener Staatsanwaltschaft bestellter Gutachter nachgezeichnet hatte. Danach sollen über mehrere staatsnahe Firmen, darunter erneut die Telekom, aber auch die Österreichischen Lotterien und der Raiffeisen-Konzern, hohe Summen an die ÖVP gegangen sein. Der Lobbyist Peter Hochegger, der in zahlreichen anderen Korruptionsverfahren aus der Ära der schwarz-blauen Regierung von ÖVP und FPÖ ebenfalls eine Schlüsselrolle spielt, soll mit seiner Valora AG das Geld eingesammelt und an eine Agentur namens Mediaselect weitergeleitet haben.

An dieser waren wiederum die Telekom, die Österreichischen Lotterien, die Post, die P.S.K.-Bank und eine Tochter der ÖVP-nahen Industriellenvereinigung beteiligt. Die Agentur stellte offenbar Scheinrechnungen, zum Beispiel für "Ausarbeitung eines Mediakonzepts Breitbandkommunikation" oder zur Frage, ob sich das "Internet als Medium neben anderen Massenmedien etabliert hat". Das Geld lief auf ein Kundenkonto namens "ÖVP". Insgesamt sollen so 2005 und 2006 etwa 400.000 Euro an die Konservativen gegangen sein.

Aufgedeckt wurde dies durch Ermittlungen im Rahmen der Telekom-Affäre: Der Konzern hatten sich zuvor bereits für Kursmanipulationen und fragwürdige Ost-Geschäfte sowie für den Vorwurf des Gesetzeskaufs (Geldflüsse zur Durchsetzung einer profitablen Telekommunikationsrichtlinie) verantworten müssen. Gutachter Matthias Kopetzky, der das in Hausdurchsuchungen, auf Computern und bei Banken sichergestellte Material durchleuchtete, folgerte allgemein, dass den Rechnungen, welche die Medienagentur im Gegenzug gegen Gelder aus Großkonzernen ausstellte, "keine Leistungen gegenüberstehen". Von der Mediaselect sei ja sogar ein "eigenes Bankkonto für die ÖVP geführt worden", die eingenommenen Summen seien eins zu eins unverzüglich auf dieses Konto überwiesen worden.

Pikant: Auf Seiten der Telekom kümmerte sich um diese Angelegenheiten als "Public Affairs Verantwortlicher" der Mann, der zuvor Finanzreferent bei der ÖVP gewesen war und später Geschäftsführer der Mediaselect wurde. Alle Services, sozusagen, in einer Hand.

"Eingekaufte Gunst"

Auch die SPÖ erhielt, vermittelt durch Hochegger, größere Summen, die über die Austria Consult des SPÖ-Telekom-Sprechers Kurt Gartlehner sowie über die parteieigene PR-Agentur Echo-Verlag liefen. Alles in allem soll es sich um schätzungsweise 200.000 Euro handeln. Mit Blick auf die SPÖ schreibt Gutachter Kopetzky von "eingekaufter Gunst zugunsten der Telekom". Der Ex-Telekom-Sprecher der Sozialdemokraten bestätigte zwar, er sei für die Valora AG von Peter Hochegger tätig gewesen, habe aber für sein Geld wirklich gearbeitet. Geld an die SPÖ sei nicht geflossen.

Das Gutachten, das die Staatsanwaltschaft bestellt hatte, hält das für "auszuschließen". Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos legte am Donnerstag Wert auf die Unterscheidung, dass im Falle der ÖVP "Geldwäsche und Schwarzgeldkonten" im Raum stünden, bei der SPÖ hingegen nur die "Geschäftsbeziehung" eines ehemaligen Abgeordneten mit Hochegger.

Die Regierungsparteien hatten bisher, wenn es um verdeckte Parteienfinanzierung gegangen war, gern auf die rechtspopulistischen Parteien FPÖ beziehungsweise BZÖ gezeigt, die im vergangenen Jahrzehnt mit der ÖVP von Kanzler Wolfgang Schüssel koaliert hatten. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu zahlreichen Korruptionsvorwürfen, der das Jahr 2012 politisch prägte, hatten sich die Koalitionsparteien gegenseitig in Schutz genommen und den Ausschuss dann im Herbst, als sie selbst unter Druck gerieten, mit Mehrheitsbeschluss beendet.

Danach waren eilig ein Parteienfinanzierungsgesetz und ein Transparenzgesetz verabschiedet worden. Doch die Nachwehen der vergangenen Jahre holen nun alle Beteiligten wieder ein. Bei der ÖVP, die derzeit im Fokus der Berichterstattung steht, hält man das Timing der Enthüllungen für Absicht, um der Partei im Wahlkampf zu schaden.

Der Wiener Politikwissenschaftler Josef Melchior nennt das Vorgehen der Parteien "demokratiepolitisch äußerst bedenklich". In Österreich habe es immer viele Staatsunternehmen und daher traditionell ein Nahverhältnis der Politik zur Industrie gegeben. Aber die verdeckte Finanzierung weise auf eine "wachsende Unterwerfung unter Wirtschaftsinteressen" hin. Und Meinungsforscher Peter Filzmaier fragt: "Warum haben die Parteien nicht auf Spenden bestanden? Die tatsächliche Praxis lässt auf Deals im Hintergrund schließen."

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SZ vom 30.08.2013/webe
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