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Monti als Berlusconi-Nachfolger im Gespräch:"Gegengift gegen den Zusammenbruch"

Wer folgt auf Silvio Berlusconi? Der frühere EU-Kommissar Mario Monti scheint derzeit die besten Chancen zu haben, neuer italienischer Premier zu werden. Nicht nur Berlusconi selbst soll sich für den 68-Jährigen ausgesprochen haben.

Ein Großteil der linken Opposition favorisiert ihn schon länger als Nachfolger von Silvio Berlusconi. Die Chancen für eine italienische Übergangsregierung unter dem ehemaligen EU-Kommissar Mario Monti steigen offenbar: Indirekt soll nun sogar der scheidende Ministerpräsident den 68-jährigen Wirtschaftswissenschaftler als seinen Nachfolger empfohlen haben, heißt es.

"Ich wünsche Ihnen erfolgreiche Arbeit im Interesse des Landes", beglückwünschte Berlusconi den parteilosen Ex-EU-Kommissar am Donnerstag in einem Telegramm. Zwar bezieht sich der Glückwunsch auf die Ernennung Montis zum Senator auf Lebenszeit. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, hatte Berlusconi jedoch in einer nächtlichen Krisensitzung erklärt, eine Übergangsregierung sei unumgänglich. Auch einer Regierung unter Führung von Monti stehe er offen gegenüber, hieß es.

Staatspräsident Giorgio Napolitano hatte Monti am Mittwochabend überraschend zum Senator auf Lebenszeit ernannt - ein Vorgang, der nicht zwingend notwendig war. Politik und Medien werteten dies am Donnerstag aber als eindeutiges Zeichen dafür, dass Napolitano den 68-jährigen Mailänder Wirtschaftsexperten sobald wie möglich zum Chef einer Übergangsregierung machen will. Die Tageszeitung La Stampa sieht den früheren EU-Kommissar in der "Pole Position", Berlusconis Sessel in einer Übergangsregierung zu übernehmen. Die Zeitung würdigte ihn als "Gegengift gegen den Zusammenbruch".

Auch die Partei von Noch-Regierungschef Silvio Berlusconi selbst, PdL (Volk der Freiheit), zieht offenbar erstmals eine Einheitsregierung unter Montis Führung in Betracht. Das bestätigte Fraktionschef Fabrizio Cicchitto am Donnerstag. Allerdings gebe es auch noch die Option, die Wahlen vorzuziehen. Eine abschließende Entscheidung sei noch nicht gefallen, sagte der Politiker.

Monti muss in der Tat erst eine Mehrheit im Parlament finden. Bisher steht Medienberichten zufolge nur ein Teil von Berlusconis Regierungspartei einer Regierung Monti offen gegenüber. Der bisherige Koalitionspartner Lega Nord habe sich in einem nächtlichen Krisengipfel strikt dagegen ausgesprochen. Dasselbe gelte für die kleine Antikorruptionspartei IDV (Italien der Werte) unter Antonio Di Pietro. Eine Lösung Monti wäre "eine Regierung, die auf die Banken, das Finanzsystem, ja gar die Spekulanten hört", erklärte Di Pietro. Mit den Interessen der italienischen Bevölkerung habe dies nichts zu tun.

Unter dem Druck der Schuldenkrise hatte Berlusconi am Dienstagabend angekündigt, er werde nach der Verabschiedung zentraler Spar- und Reformpläne durch das Parlament sein Amt abgeben.

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