Spekulation um Besuch in Peking:Warum Nordkoreas Diktatoren Züge so lieben

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Im August 2001 winkt der damalige Herrscher Nordkoreas, Kim Jong-il, in der russischen Stadt Wladiwostok aus einem Zug heraus in die Menge.

(Foto: UIG via Getty Images)

Nordkoreas Staatsgründer nutzte einen Zug, den ihm Stalin schenkte - und fuhr bis in die DDR. Kim Jong-il mochte Züge, weil er Flugangst hatte, und ließ Spas in die Waggons einbauen. Er soll sogar auf der Schiene gestorben sein.

Von Anna Reuß

Die Ankunft eines grünen Sonderzugs aus Nordkorea in der chinesischen Hauptstadt Peking sorgt weltweit für Aufsehen. Ob sich Nordkoreas Diktator Kim Jong-un wirklich in einem der Waggons befand, um sich vor dem möglichen Gipfel mit US-Präsident Donald Trump Ratschläge zu holen, ist noch unklar. Unstrittig ist aber die jahrzehntelange Liebe der Kim-Familie zu Zügen.

Staatsgründer Kim Il-sung bekam die erste rollende Festung einst vom sowjetischen Diktator Josef Stalin geschenkt. Während des Koreakriegs nutzte Kim Il-sung einen Zug als Hauptquartier auf Rädern und behielt diese Angewohnheit auch nachdem die Kriegshandlungen 1953 eingestellt wurden. Er ließ zahlreiche Hochsicherheits-Paläste bauen - viele davon hatten entweder direkten Zugang oder waren nah an einem Bahnhof gelegen.

Das Streckennetz der Kim'schen Privatzüge verfügt bis heute über 19 Bahnhöfe, wie der Guardian berichtet. Einige von ihnen sind nur unterirdisch zu erreichen. Seine Vorliebe für Züge geht auf Kim Il-sungs ausgeprägte Flugangst zurück. Er reiste mit dem Zug, wenn er Einheiten der Armee oder Fabriken besuchte, aber auch während seiner Besuche im Ausland. Seine längste Zugreise unternahm er 1984, als er alle sozialistischen Staaten Osteuropas besuchte, darunter Polen und die DDR.

Die Diktatoren reisen in Luxuswaggons mit eigenem Spa

Der Zug, von dem sich seit gestern Bilder in sozialen Netzwerken verbreiten, ähnelt stark dem Panzerzug von Kim Jong-il, dem Sohn des Staatsgründers und Vater des amtierenden Machthabers. Kim Jong-il reiste damit 2011 nach Peking. Weil auch er an Flugangst litt, legte der Machthaber alle Reisen in diesem Zug zurück, wenngleich sie deshalb mehrere Wochen dauerten.

Im Laufe der Jahre wurde das Gefährt modernisiert und verfügt nun unter anderem über ein Spa, eine Küche und mehrere gepanzerte Fahrzeuge für die Weiterfahrt abseits der Gleise. Die Züge der Herrscherfamilie sind zudem gepanzert und mit Waffen ausgestattet. Berichten zufolge besaß der Machthaber eine Flotte aus sechs Privatzügen mit insgesamt 90 gepanzerten Luxus-Waggons. Wie die BBC erfuhr, ließ sich Kim stets Hummer per Flugzeug anliefern, um diese mit silbernen Stäbchen zu verspeisen. In jedem Zug soll laut Guardian eine moderne Kommunikationsanlage mit Satellitentelefon verbaut sein. Als Kim Jong-il 2001 nach Russland reiste, war sein Zug 22 Waggons lang.

Spekulation um Besuch in Peking: Der Zug war ein Geschenk des russischen Diktators Josef Stalins an Kim Il-sung.

Der Zug war ein Geschenk des russischen Diktators Josef Stalins an Kim Il-sung.

(Foto: Getty Images/Robert Harding Worl)

Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen nach verheerender Explosion

2004 wurden die Schutzmaßnahmen erweitert, nachdem es zu einer schlimmen Explosion eines mit Ammoniumnitrat beladenen Zuges kam. Damals wurden mindestens 154 Menschen getötet und etwa 1300 verletzt, wie der Guardian berichtete. Ein großer Teil der Stadt Ryongchon nahe der chinesischen Grenze wurde damals zerstört. Das Unglück wurde vor allem auf ein marodes Schienensystem in Nordkorea zurückgeführt: Die Züge sind alt, die Gleise verrostet.

Es wurden jedoch auch Vermutungen laut, dass es sich um einen Anschlag auf Kim Jong-il gehandelt haben könnte. Seither fahren die Privatzüge stets zu dritt nacheinander sowie bei einer maximalen Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde: Der erste testet die Sicherheit der Schienen, der mittlere folgt circa zwanzig Minuten darauf - mit dem Staatschef als Passagier, und im dritten fahren Sicherheitspersonal und Gefolgschaft.

Das Ende im Privatzug

Kurz vor seinem Tod, im Dezember 2011, bereiste Kim Jong-il noch einmal Russland, wo er den damaligen Präsidenten Dimitrij Medwedjew traf. Dabei legte er eine Strecke von etwa 4400 Kilometern zurück. Die Liebe Kim Jong-ils zu den Zügen nahm ein traurig-ironisches Ende: Nordkoreanische Medien berichteten im Dezember 2011, er sei während einer Zugfahrt an einem Herzinfarkt gestorben.

Auch die nächste Generation der Diktatorenfamilie scheint die Vorliebe für Züge zu teilen. Denn obwohl weder über den aktuellen, in der Schweiz aufgewachsenen Machthaber Kim Jong-un noch über seine mächtige Schwester Kim Yo-jong ist überliefert, dass sie unter Flugangst leiden würden. Eines steht aber fest: Die Anreise per Flugzeug hätte sicher weniger Schlagzeilen generiert.

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