SPD:Wie es nach dem Ja der Genossen weitergeht

Die SPD-Delegierten stimmen für Koalitionsverhandlungen mit der Union. Kann die Regierungsbildung jetzt noch scheitern? Und wie lange dauert es noch? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Max Ferstl und Jasmin Siebert

Vier Monate nach der Bundestagswahl hat die SPD mit knapper Mehrheit den Weg zu Koalitionsverhandlungen mit der Union frei gemacht. Nach einer konfrontativen und emotionsgeladenen Debatte stimmten auf dem Parteitag in Bonn 56,4 Prozent von 642 Delegierten und Vorstandsmitgliedern dafür.

Wie geht es nun weiter?

Auf die Sondierungsgespräche und das Ja des SPD-Parteitags folgen die Koalitionsverhandlungen. Sie sollen voraussichtlich an diesem Montag beginnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angekündigt, dass sie die Verhandlungen bis Fasching abschließen möchte. Der Rosenmontag fällt in diesem Jahr auf den 12. Februar. Kommt ein Koalitionsvertrag zustande, lässt die SPD ihre Mitglieder darüber abstimmen. Das würde weitere vier Wochen dauern. Erst wenn die Basis der Sozialdemokraten zustimmt, steht einer neuen Regierung nichts mehr im Weg.

Wie laufen die Koalitionsverhandlungen?

Die Parteien bilden Arbeitsgruppen, die über Sachfragen aus den verschiedenen Themenfeldern verhandeln. Sie sollen gemeinsame Positionen für die kommende Legislaturperiode vereinbaren. Das dürfte trotz erfolgreich abgeschlossener Sondierungsgespräche nicht einfach werden. Denn die Parteien interpretieren das Sondierungsergebnis unterschiedlich. Während die Union das 28-seitige Papier für nicht mehr verhandelbar hält, versteht es die SPD als Rahmen, in dem noch Spielraum für Verbesserungen steckt.

Manche Themen behandelt das Sondierungspapier so knapp, dass es ohne weitere Verhandlungen nicht gehen wird. Dem Bereich Gesundheit sind etwa nur 16 Zeilen gewidmet. Aber auch dort, wo das Sondierungspapier sehr konkret wird, wie etwa beim Thema Asyl, könnte es noch Diskussionsbedarf geben.

Die Parteien betonen gerne, dass es vor allem um Sachfragen gehe, nicht ums Personal. Doch üblicherweise wird schon bei Koalitionsverhandlungen über künftige Ministerposten entschieden. Sind die Verhandlungen erfolgreich, präsentieren die künftigen Koalitionäre am Ende einen Vertrag.

Kann die Regierungsbildung am SPD-Mitgliedervotum scheitern?

Ja, kann sie. Die Abstimmung der SPD-Basis ist quasi die letzte Hürde. Nur wenn eine Mehrheit der mehr als 443 000 Parteimitglieder den Koalitionsvertrag befürwortet, wird ihn Martin Schulz unterzeichnen und die SPD in die Regierung eintreten.

Bereits 2013 ließ der damalige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel die Mitglieder über den Eintritt in eine große Koalition abstimmen. Das Votum war ein Novum in der Bundesrepublik, fast 78 Prozent der SPD-Mitglieder stimmten ab, gut drei Viertel von ihnen befürworteten eine große Koalition. Wie die Mitgliederbefragung dieses Mal ausgehen wird, vermag niemand vorherzusagen. Experten sind aber zuversichtlich, dass die Basis der SPD-Spitze folgen wird, wenn diese geschlossen auftritt.

Ob sich eine Mehrheit der SPD-Mitglieder für die große Koalition entscheidet, dürfte aber auch davon abhängen, wie viele sozialdemokratische Ziele sich am Ende im Koalitionspapier finden.

Wann könnte die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnehmen?

Das hängt von der Dauer der Koalitionsverhandlungen und des SPD-Mitgliederentscheids ab. Am 12. März beginnen zwei Sitzungswochen des Bundestags. Wenn Union und SPD zügig verhandeln und die Mehrheit der SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag zustimmt, könnte dann bereits die Kanzlerwahl im Plenum stattfinden. Immer wieder ist auch Ostern im Gespräch, der Ostersonntag fällt in diesem Jahr auf den 1. April. Viele Politiker verbreiten Optimismus und verkünden, dass bis dahin eine neue Regierung stehen werde. CSU-Chef Horst Seehofer sagte, Ostern sei der "allerspäteste Termin".

Auch wenn noch nicht klar ist, wann die neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen wird, eines steht längst fest: So lange hat eine Regierungsbildung in Deutschland noch nie gedauert. Selbst der Rekord von 2013 wurde noch übertroffen, damals dauerte es 86 Tage, bis das neue Kabinett vereidigt wurde. Dieses Mal werden es mindestens 170 Tage werden.

Was passiert, wenn die SPD-Basis den Koalitionsvertrag ablehnt?

Theoretisch könnte Merkel eine Minderheitsregierung wagen oder sich erneut nach anderen Partnern umschauen. Eine Neuauflage von Jamaika-Sondierungen gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Die nächste Option sind Neuwahlen, die nur Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier herbeiführen kann. Der Ablauf ist in Artikel 63 des Grundgesetzes geregelt: Der Bundespräsident schlägt einen Kanzlerkandidaten vor. Rein rechtlich darf er vorschlagen, wen er möchte. In der Praxis ist es der Kandidat oder die Kandidatin der stärksten Partei. Stimmt in geheimer Wahl mehr als die Hälfte aller Bundestagsabgeordneten für den Kandidaten (die sogenannte Kanzlermehrheit), ernennt der Bundespräsident ihn zum Regierungschef.

Erreicht der Kandidat diese absolute Mehrheit auch nach zwei Wochen (und mehreren möglichen Wahlgängen) nicht, würde ihm in einer letzten Abstimmung die relative Mehrheit genügen. Nun ist es Aufgabe des Bundespräsidenten zu entscheiden, ob er den Kandidaten zum Kanzler ernennt und damit eine Minderheitsregierung ermöglicht. Er hat sieben Tage Bedenkzeit. Entscheidet er sich für Neuwahlen, müssen diese innerhalb von 60 Tagen stattfinden.

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