SPD:"Wenn die Wissenshalbwertszeit immer kleiner wird..."

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In einem bisher weitgehend unbekannten SMS-Gespräch gehen die SPD-Arbeitsministerin Nahles und die SPD-Abgeordnete Katja Mast erschreckend schonungslos auf die aktuelle Politik ein. Besser nicht lesen.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die SMS ist im Berliner Politik-Betrieb seit Jahren die wichtigste Form der Eins-zu-Eins-Kommunikation. Das Dumme daran ist nur: In der Regel sind sie geheim. Nur selten tauchen Kurzmitteilungen in der Öffentlichkeit auf und geben Einblick in das Kommunikationsverhalten von Politikern. Im Juni 2010 etwa hat SPD-Chef Sigmar Gabriel in einer langen SMS der Kanzlerin Angela Merkel den Pfarrer Joachim Gauck als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen. Die antwortete mit: "Danke für die info und herzliche grüße am." Dass die SMS öffentlich wurde, hat Merkel damals ziemlich auf die Palme gebracht.

Jetzt sind wieder SMS von SPD-Politikern öffentlich geworden. Von SPD-Politikerinnen, um genau zu sein. Und nach der Lektüre fragt sich der Leser, warum niemand vor der Veröffentlichung interveniert hat.

Als erstes ist das SMS-Gespräch zwischen Arbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, und der SPD-Bundestagsabgeordneten Katja Mast in sozialen Netzwerken aufgetaucht. Das Gespräch findet sich jedoch urspünglich in einem aktuellen, "Klartext" benannten Newsletter der Abgeordneten Mast, dort unter der Rubrik "Blick zurück - Blick nach vorn". In dem SMS-Verkehr "sprechen" die beiden Politiker "so über das, was sie bewegt", heißt es in einem Begleittext. Die Echtheit des SMS-Verkehrs ( hier als Original-PDF) wurde der SZ von Masts Büro ausdrücklich bestätigt.

Wir haben uns trotz erheblicher Bedenken entschlossen, den schonungslos offenen, ja intimen SMS-Verkehr an dieser Stelle zu dokumentieren - damit auch die Bürger da draußen endlich verstehen, was Politiker im tiefsten Inneren bewegt.

Mast: "Hallo Andrea! Denk´ grad, dass wir bald Halbzeit der Legislaturperiode haben. Toll, was wir schon erreicht haben!"

Nahles: "Klar! Bisher haben wir viel geschafft. Die SPD gibt in der Regierung gut den Takt vor."

Mast: "Gesetzlicher Mindestlohn, Konzept zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit, abschlagsfreie Rente ab 63 - dank uns geht es voran... Dabei ist es gar nicht so einfach mit der Union."

Nahles: "Ja, wir machen einfach weiter! Die Vorbereitungen laufen mit Hochdruck. Das Thema 'Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen' steht an. Mir ist die Würde der Arbeit wichtig.

Mast: "Mir auch. Das Bundesteilhabegesetz für eine bessere Inklusion von Menschen mit Behinderung kommt auch noch. Langweilig wird es nicht."

Nahles: "Auf keinen Fall!"

Mast: "Finde deinen Dialogprozess Arbeiten 4.0 übrigens Klasse. Und das Grünbuch auch."

Nahles: "Danke! Bin sicher, dass unsere Bürgerinnen und Bürger über die Veränderungen unserer Arbeitswelt diskutieren wollen. Mit dem Grünbuch haben wir Fragen an den Anfang des Dialogprozess gestellt."

Mast: "Ja, ich war gerade heute im Internet auf www.arbeitenviernull.de. Haben echt schon viele was geschrieben."

Nahles: "Das Dialogangebot wird gut angenommen. Wir nehmen alles mit auf den Weg zu unserem Weißbuch, wir wollen Antworten finden. Für mich ist die Frage 'Wie organisieren wir in Zukunft Weiterbildung?' am wichtigsten. Lebensbegleitendes Lernen ist angesichts Technologisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt eine der wichtigsten politischen Antworten."

Mast: "Denke ich auch. Als Gesellschaft haben wir kein Interesse daran, dass die Menschen mit 40 oder 50 aufgrund mangelnder Qualifikation nicht mehr am Arbeitsmarkt teilnehmen, der Fachkräftemangel lässt grüßen. Finde richtig, dass du eine 'Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung' ins Gespräch gebracht hast."

Nahles: "Ja, das müssen wir diskutieren. Wenn die Wissenshalbwertszeit immer kleiner wird, braucht der Arbeitnehmer lebensbegleitend ein Beratungsangebot für Weiterbildungen."

Mast: "Genau so wichtig ist es, die Bedürfnisse der Beschäftigten im Blick zu behalten. Bekomme immer wieder von Bürgern die Rückmeldung, dass sich viele strecken müssen, um Arbeit, Familie und Leben unter einen Hut zu bekommen."

Nahles: "Ja, klar. Das verstehe ich auch. Kennen wir doch auch, ist echt nicht immer einfach."

Mast: "Eben, das ist ganz schön viel, was 30- bis 50-Jährige stemmen müssen. Wir brauchen neue lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle, die mehr Flexibilität am Arbeitsplatz ermöglichen."

Nahles: "Und gleichzeitig dürfen sie nicht dazu führen, dass man immer verfügbar sein muss für den Vorgesetzten. Deshalb braucht es einen neuen Flexibilitäts-Kompromiss."

Mast: "Meinst Du, das ganze Thema wird bei der nächsten Wahl eine Rolle spielen?"

Nahles: "Ja, deswegen ist der Dialogprozess so wichtig. Muss jetzt beim DGB-Kongress zum Thema Arbeit der Zukunft reden."

Mast: "Und ich habe eine Betriebsrätekonferenz zum Thema Digitalisierung. Bis nächste Woche in Berlin!"

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