SPD:Weiter so, Genossen?

Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen - SPD

Der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, und die abgewählte Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, kommen zu einer Pressekonferenz ins Willy-Brandt-Haus.

(Foto: dpa)
  • An der Parteispitze gilt es als klarer Fehler, dass SPD-Kanzlerkandidat Schulz sich rarmachte und nach ersten programmatischen Akzenten nichts mehr lieferte.
  • Doch ansonsten scheint es angesichts der drei Wahlschlappen wenig kontrovers innerhalb der Partei zuzugehen.
  • Ziemlich breit ist an der Parteispitze allerdings die Meinung vertreten, dass die Kernmannschaft von Schulz keine Erfahrung darin habe, einen Bundestagswahlkampf in vorderster Reihe zu führen.

Von Christoph Hickmann

Wenn man am Montagmorgen für längere Zeit den rechten Fuß von Olaf Scholz betrachtet, kann einem kurz bang um die körperliche Unversehrtheit des Hamburger Bürgermeisters werden. Es ist halb elf an diesem Tag nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, Scholz hat sich wie der Rest der sozialdemokratischen Parteispitze auf ein Podium im Willy-Brandt-Haus gestellt. Vorn stehen Hannelore Kraft und Martin Schulz. Scholz steht am Rand, und zwar so weit, dass man befürchten muss, er könnte vom Podium fallen. Wenn nicht alles täuscht, ragt sein rechter Fuß sogar ein Stückchen über die Kante. So, als wolle er, der schon am Sonntagabend der Parteizentrale fernblieb, mit der Sache hier möglichst wenig zu tun haben.

Natürlich sollte man nicht zu viel in Scholz' rechten Fuß hineindeuten - andererseits verkörpert der Bürgermeister, wie er da, wohl unbewusst, in größtmöglicher Distanz zu den Verlierern steht, recht hübsch die Lage der Bundes-SPD. Denn eine Frage lautet ja: Wer ist dafür verantwortlich, dass es so weit kommen konnte?

SPD: SZ-Grafik; Quelle: Landeswahlleiter

SZ-Grafik; Quelle: Landeswahlleiter

Hannelore Kraft hat da, wie schon am Vorabend, eine so eindeutige wie ehrenwerte Antwort parat: sie selbst. Sie sei es gewesen, die darum gebeten habe, die Bundespolitik aus dem Wahlkampf herauszuhalten, also keine Initiativen zu starten, die womöglich Wähler hätten irritieren können. Sie nimmt diese Verantwortung am Montagmorgen vor der Presse auf sich und wiederholt ihre Erklärung später noch einmal hinter verschlossenen Türen. Damit liefert sie die Erklärung dafür, warum der Kanzlerkandidat Schulz nach seinem beinahe rauschhaften Start irgendwann geradezu abtauchte. Allerdings gehören zu einem solchen Fehler ja immer zwei Seiten: diejenige, die um bundespolitische Zurückhaltung bittet - und derjenige, der dieser Bitte nachkommt. Also: Schulz.

Trotzdem mag am Montagvormittag niemand direkt auf den Parteichef zeigen, nicht im Präsidium und nicht im Parteivorstand. Zwar gilt es an der Parteispitze als klarer Fehler, dass Schulz sich rarmachte und nach ersten programmatischen Akzenten wie dem Arbeitslosengeld Q nichts mehr lieferte. Doch die Stimmung in den Gremien ist am Montag laut Teilnehmern trotzdem freundlich. Einig ist man sich darin, dass man nun inhaltlich etwas bieten müsse.

Das Äußerste, was aus der Vorstandssitzung an sogenannter Kontroverse überliefert wird, ist die Einlassung einer Bundestagsabgeordneten, die sich dafür ausspricht, nun möglichst schnell möglichst konkret zu werden - woraufhin Schulz erklärt, dass es so schnell dann auch nicht gehe, sondern dass man erst mal darüber reden müsse. Außerdem gibt es noch eine Beschwerde darüber, dass ein Entwurf für das Wahlprogramm nicht, wie ursprünglich geplant, am Sonntagabend verschickt wurde - sondern im Vorstand nur als Tischvorlage ausliegt. Das war es dann weitestgehend. Die Reihen hinter Schulz bleiben vorerst geschlossen.

Aber was dann? Inhaltliche Impulse?

Stattdessen reagieren die enttäuschten Genossen ihren Frust anderweitig ab. So wie schon am Wahlabend der bayerische SPD-Bundestagsabgeordnete Christian Flisek, der sich den Auftritt der Parteispitze angesehen und daraufhin getwittert hatte, vielleicht könne Parteivize Ralf Stegner wenigstens bei der Rede von Schulz "aus dem Bild gehen, wenn er schon nicht seine Verantwortung übernimmt" - womit er auf die Zustände in Stegners Landesverband Schleswig-Holstein anspielte.

Ziemlich breit ist an der Parteispitze allerdings die Meinung vertreten, dass man an der Aufstellung um den Kandidaten herum etwas ändern müsse. Dessen Kernmannschaft besteht aus Leuten, die keine Erfahrung darin haben, einen Bundestagswahlkampf in vorderster Reihe zu führen - angefangen mit Generalsekretärin Katarina Barley. Erfahrene Strategen hingegen, über die man in der Partei durchaus verfügt, bleiben außen vor. Trotzdem heißt es am Montag aus der Spitze, es solle vorerst keine personellen Veränderungen geben.

Aber was dann? Inhaltliche Impulse? Als Schulz am Montagmorgen beim Presseauftritt sinngemäß gefragt wird, ob er inhaltlich zu beliebig geblieben sei, antwortet er: "Ich kenne den Vorwurf. Wir nehmen das auch sehr ernst." Und tatsächlich soll in der nächsten Woche ein Programmentwurf beschlossen werden. Zu den harten, womöglich entscheidenden Themen Steuern und Rente allerdings habe Schulz noch keine abgeschlossene Meinung, heißt es aus der Parteispitze. Bis zum Programmparteitag Ende Juni sei ja noch Zeit. Und womöglich lasse man sich mit manchen Punkten sogar noch länger Zeit.

Die Schlagworte, die man am Montag in der SPD hört, lauten stattdessen Gerechtigkeit, Zukunft, Europa. Das klingt überaus wolkig, doch zumindest scheint man an der Parteispitze verstanden zu haben, dass man mit dem Punkt Gerechtigkeit allein nicht weiterkommen wird, sondern ihn ergänzen muss - so, wie einst Gerhard Schröder mit dem Stichwort "Innovation".

Wenigstens scheint Schulz nun entschlossen zu sein, die offenen Flanken des Gegners auch mal zu nutzen. Auf die Frage, ob die SPD das Thema innere Sicherheit vernachlässigt habe, verweist er auf die rechtsextremen Umtriebe bei der Bundeswehr und das Versagen der Behörden, die einen deutschen Oberleutnant als syrischen Flüchtling akzeptierten: Beide zuständigen Ministerien würden von der CDU geführt.

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