SPD-Wahlsieg in Hamburg:Allein gegen alle

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Die dunkle Seite des Sieges: Die absolute Mehrheit stellt die Hamburger SPD vor die Zerreißprobe. Gegen den Streit, wie das Geld zwischen Kultur und Kita, zwischen Hafen und Hochschulen zu verteilen ist, wird nur absolute Disziplin helfen.

R. Wiegand

Als die Zahlen auf den Monitoren endlich aufhörten, Samba zu tanzen und dem ersten Rausch die Ratio folgte, dachte so mancher Sozialdemokrat daran, dass dieser Sieg ganz schön teuer werden könnte. Der Preis für die absolute Mehrheit ist nämlich die absolute Disziplin. Die Hamburger SPD hat 62 Sitze in der Bürgerschaft gewonnen. 61 Stimmen braucht sie, um im Parlament die wichtigen Entscheidungen durchzubringen. Wer glaubt, Einstimmigkeit in einer Partei sei die Regel, der glaubt auch, dass der Storch die Babys bringt.

Die siegreiche SPD zu bändigen, ist keine leichte Aufgabe. Der Wahlsieger Olaf Scholz wird all seine Nüchternheit brauchen. (Foto: dapd)

Der Wahlerfolg der hanseatischen Sozialdemokraten hat viel damit zu tun, dass der künftige Bürgermeister Olaf Scholz als Landesvorsitzender seine Partei zusammengezurrt hat wie ein Bündel Reisig. Da neigt sich, ohne feste Bindung, gewöhnlich auch jeder Zweig in die Richtung, in die ihn die Schwerkraft gerade zieht. Für einen kurzen Wahlkampf hatte Scholz die bunte Gruppe auf Kurs gehalten: durch seine strenge, beinahe wie eine Drohung formulierte Ansage, der zufolge Führung bekomme, wer sie bei ihm bestelle.

Es war zudem ein Kurs der Mitte, so dass sich an diese vorläufig wiedervereinte SPD Menschen aller Schichten ohne Berührungsängste andocken konnten. Scholz verkaufte die Partei erfolgreich als gemeinsamen Nenner. Die großen Probleme einer Metropole, die Alltagssorgen der kleinen Leute - die SPD sammelte alles und heftete Punkt für Punkt in ihrem Terminkalender ab unter "demnächst zu erledigen".

Und nu? Die Frage hatte die CDU herrlich unbeholfen über ihre - so hätte sie es gerne gehabt - widerspruchslos zu akzeptierende Erfolgsbilanz gedruckt, als wollte sie den tapsigen Humor ihres Spitzenkandidaten Christoph Ahlhaus originalgetreu in ein Wahlplakat umsetzen. Als Frage an die Siegerin käme es jetzt besser: Und nu, SPD? Hätte nicht der Wähler die Wahl gehabt, sondern die Partei, sie hätte sich selbst wohl eine Handbreit unterhalb der absoluten Mehrheit einsortiert.

Die SPD hat nur Versprechen

Denn solch überdimensionierter Erfolg macht schnell einsam in der Gesellschaft: Was immer ich entscheide, ich entscheide es von jetzt an gegen alle anderen. Der Überschwang der Wahl kann da rasch in Überdruss umschlagen. Ein kleiner Koalitionspartner hülfe dabei, ähnlich wie die Stützpfosten an einem Kranwagen, die Last der Verantwortung ein wenig ausgewogener über mehrere Milieus zu verteilen. Auch manches Wahlversprechen verschwindet in Koalitionsverhandlungen nur allzu gerne als Manövriermasse hinter einem günstigeren Kompromiss. Die SPD hat keine Manövriermasse. Sie hat nur Versprechen.

Und schließlich sind da die Flügelschläge einer Partei, die eine Menge Wind machen können. Die beginnende Personaldebatte wird von den Polit-Analytikern schon wieder so geführt wie eh und je: Wer vom linken Flügel hat am stillsten gehalten und müsste mit einem Posten entlohnt werden? Welcher Konservative hat Scholz die besten Vorlagen geliefert für seinen Kurs der Mitte und hat nun Ansprüche am Zahltag?

Und was, wenn in den parteiinternen Verhandlungen über das Regierungsprogramm das Bündel Reisig wieder auseinanderplatzt, weil es auch innerhalb einer Partei verschiedene Ansichten darüber gibt, wie das Geld zwischen Kultur und Kita, zwischen Hafen und Hochschulen zu verteilen ist? Mit sich selbst verhandeln zu müssen, ist in einer streitlustigen Partei wie der SPD keine Formalie.

Scholz sollte deshalb seine Ansage schnell neu aufnehmen und auf seine Mailbox sprechen: Wer Führung bestellt, bekommt sie auch. Und er sollte sich von den Flaneuren der Stadt nicht beirren lassen, die als Bürgermeister gerne einen hätten, der mit ihnen zusammen bei einem Prosecco am Ufer der Binnenalster über die Schönheiten Hamburgs staunt. Scholz ist als nüchterner Politmanager besser gerüstet für eine der schwersten Aufgaben dieses Geschäfts: siegreiche Sozialdemokraten bändigen.

© SZ vom 22.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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