SPD im Wahlkampfmodus:Neues von gestern

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„Die SPD hat einen klaren Plan vorgelegt für einen neuen Aufschwung“, sagt Parteichefin Saskia Esken am Montag nach der Vorstandsklausur der Sozialdemokraten. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

2021 wollten die Sozialdemokraten 96 Prozent der Steuerzahler entlasten. Nun lautet ihr Wahlversprechen: 95 Prozent. Zur Finanzierung schickt Christian Lindner sogleich ein vergiftetes Angebot.

Von Georg Ismar, Berlin

Zwei Tage hat die SPD in der schönen Wahlkampfwelt geschwelgt. In einer Welt, in der Wünsche beschlossen werden können für eine Zukunft, die man gern hätte. Als Saskia Esken diesen Wunsch-Kokon oben im Willy-Brandt-Haus verlässt, ist die SPD-Chefin rundum zufrieden. „Die SPD hat einen klaren Plan vorgelegt für einen neuen Aufschwung“, sagt sie. Es gehe um Zuversicht und neuen Stolz auf „made in germany“.

Der Vorstand hat bei seiner Klausur zum Beispiel beschlossen, dass die von der Ampel erst eingeführten, dann wieder abgeschafften E-Auto-Kaufprämien erneut wieder eingeführt werden könnten, der Industrie bei Strompreisen und Netzentgelten finanziell geholfen werden soll und dass die Kanzlerpartei locken will mit Steuerprämien für Unternehmen, die in Deutschland investieren. Was besonders auf Resonanz stößt: 95 Prozent der Steuerzahler sollen entlastet werden, so wird es im Bundestagswahlprogramm stehen. Bezahlen soll dies das oberste Prozent.

„Das sind natürlich alles Schätzungen“, räumt Esken ein

Allerdings erinnert dieser „klare Plan“ doch sehr an den vorherigen Wahlkampf 2021. Schon damals hatte Olaf Scholz angekündigt: „96 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden entlastet. Für die obersten vier Prozent Topverdiener, das sind gut eine Million, wird es dafür etwas teurer.“ Wer 3000 Euro brutto verdient, sollte laut jenem Konzept etwa 75 Euro im Jahr an Steuern sparen.

Warum die Sozialdemokraten damals 96 Prozent entlasten wollten und nun nur 95 Prozent anpeilen, kann Esken nicht ganz erklären. Ungewiss bleibt an diesem Tag auch, wie die Rechnung aufgehen soll, dass ein Prozent so viel mehr zahlt, dass 95 Prozent davon spürbar profitieren. „Das sind natürlich alles Schätzungen“, sagt sie. Das müsse nun gegengerechnet werden.

Zur Frage, warum denn nicht in drei Jahren Kanzlerschaft von Olaf Scholz so eine Reform ins Werk gesetzt worden sei, betont Esken, es habe immer wieder Entlastungen gegeben, etwa die Inflationsausgleichsprämien. Christian Lindner hat schon ein vergiftetes Angebot gemacht. „Wenn die SPD 95 Prozent der Steuerzahler entlasten will, schlage ich ein“, betont der FDP-Chef. Aber die oberen ein Prozent oder Unternehmen, die davon auch betroffen wären, stärker belasten, das will er nicht. „Wir können das finanzieren durch eine weitere Bürgergeldreform und die Unterbindung irregulärer Einwanderung in den Sozialstaat.“ Esken blockt Lindners Gegenfinanzierungsmodell umgehend ab.

Das Rentenpaket II und der „Herbst der Entscheidungen“

Und so ist die SPD-Vorsitzende schnell wieder im Hier und Jetzt. Dort hat Lindner der Ampel einen „Herbst der Entscheidungen“ vorhergesagt. Vor allem das Herzensanliegen der SPD, das Rentenpaket II, könnte zur Sollbruchstelle werden. Esken ist hier unmissverständlich. „Es ist ausverhandelt und es muss jetzt beschlossen werden.“ Lindner hat Scholz das Wort gegeben, aber seine Fraktion stellt sich bisher quer; der Sozialexperte Johannes Vogel warnt, dass durch die Garantie eines Rentenniveaus von 48 Prozent des Durchschnittseinkommens die Beiträge für die arbeitende Mitte und die Jungen stark steigen könnten.

Doch die SPD fordert zwingend einen Beschluss noch in diesem Jahr. Das hat der Vorstand im Zuge der Strategieklausur noch mal förmlich beschlossen. Wörtlich heißt es: „Das Rentenpaket wurde im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankert. Es wurde in der Bundesregierung ausverhandelt und vom Kabinett beschlossen. Es gibt keinen Grund mehr, den parlamentarischen Beschluss im Bundestag zu verzögern oder zu blockieren.“

Wenn die Koalition hält, soll es am 21. Juni 2025 einen Sonderparteitag der SPD geben, bei dem Olaf Scholz offiziell erneut als Kanzlerkandidat nominiert werden soll. Die Hoffnung im Willy-Brandt-Haus ist, dass sich die Debatten um einen Wechsel zu Boris Pistorius nun beruhigen. Bisher sind alle Planungen auf ein Duell zwischen Scholz und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ausgerichtet. „Diese Bundestagswahl wird eine echte Richtungsentscheidung“, betont Esken. Denn während die SPD sich den Alltagssorgen der Bürger zuwende, schaue Merz „mit dem Blick aus dem Privatjet“ auf Land und Leute.

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