Süddeutsche Zeitung

Wahlkampagne der SPD:Wie ein Merkel-Anhänger Scholz zum Erfolg führen soll

Der Werber Raphael Brinkert ist ehemaliges CDU-Mitglied - und verantwortlich für die Wahlkampagne, die SPD-Kanzlerkandidat Scholz doch noch ins Kanzleramt tragen soll. Wie will er das schaffen?

Von Mike Szymanski, Berlin

Für die Bundestagswahl im Herbst hat die SPD-Parteispitze einen Plan. Sie will der Union jene Wähler abjagen, die Fans von Angela Merkel sind. Die Kanzlerin steht am 26. September nicht mehr zur Wahl. Und wer weiß, vielleicht geht die Strategie ja tatsächlich auf. Einen Merkel-Anhänger, der ein ehemaliges CDU-Mitglied ist, hat die SPD zumindest schon für sich gewonnen. Er heißt Raphael Brinkert, ist 43 Jahre alt und von Beruf: Werber. Er hat jetzt den Auftrag, auch andere von dem Seitenwechsel zu überzeugen, den er selber hingelegt hat.

Brinkert ist mit seiner Agentur verantwortlich für die Wahlkampagne, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz doch noch ins Kanzleramt tragen soll. Das Besondere an der Person Brinkert: Er kennt den Gegner gut. Brinkert war an der Kampagne der CDU zur Europawahl 2019 beteiligt und auch bei einzelnen Projekten zuvor. Wegen Merkel war er in die CDU eingetreten und Mitglied bis 2020.

Als Anfang 2020 in Thüringen der FDP-Politiker Thomas Kemmerich auch mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, sei das für ihn ein Grund zum Austritt gewesen. So erzählt er das. Jedenfalls legt er eine beachtliche politische Wendigkeit an den Tag, von der die Genossen nun hoffen, profitieren zu können. Im Herbst 2020 engagierte die SPD Brinkerts Agentur, seit Januar ist er SPD-Mitglied. Er sagt, den SPD-Themen sei er schon immer verbunden gewesen. Brinkert wird sich aber nicht daran messen lassen müssen, wie überzeugt er seine Parteizugehörigkeit auslebt, sondern daran, ob er die SPD ins Spiel zurückbringt.

Im Moment sieht es so, dass sich Union und Grüne ein Duell liefern und Kanzlerkandidat Scholz um die verbleibende Aufmerksamkeit kämpft. In den Umfragen kommt die SPD bislang selten über 16 Prozent hinaus. Es sind noch etwa 100 Tage bis zur Wahl.

Zehn Millionen Euro weniger für den Wahlkampf

Brinkert rechnet fest damit, dass das Auftreten und die Wirkung der Spitzenkandidaten die Entscheidung bringen wird. Deshalb schneidet die SPD die Kampagne komplett auf Scholz zu. Dass er als eher dröge daherkommt, hält Brinkert für kein Problem. Das Land sei dabei, die Corona-Krise hinter sich zu lassen, da würden die Leute keinen Showmaster erwarten, argumentiert er. Wer die Kanzlerin gut findet, könne sich noch am ehesten mit Scholz für die Nach-Merkel-Zeit arrangieren: "Kompetent, führungsstark" sei Scholz, wie Brinkert findet. Mit ihm im Wahlkampf müsse ein Wahlkampfteam keine "schlaflosen Nächte" haben.

Wer in die Partei hineinhört, bekam zuletzt eher zu hören, dass es eher zu lange zu ruhig um Scholz gewesen sei. In der Wirtschaft hat Brinkert in solchen Fällen schon helfen können. Er war unter anderem an der Kampagne "Schrei vor Glück" beteiligt, die den Online-Händler Zalando groß herausbrachte.

Beim Kunden SPD gibt es für ihn viel zu tun. Das Erste, was Brinkert unternommen hat, war, der Partei ein knalliges Rot zu verpassen. Die Farbe sei in den vergangenen Jahren immer blasser geworden, hatte er den Eindruck. Wenn es eine Erkenntnis aus verlorenen Wahlen ob im Bund oder den Ländern gegeben hat, dann, dass die Leute regelmäßig in Umfragen angaben, sie wüssten nicht, wofür die SPD steht. Hier hat Brinkert auch schon nachgeholfen: Unter dem Logo steht jetzt regelmäßig "Soziale Politik für Dich".

Die intensivere Farbe hat auch einen ganz praktischen Nutzen. Wenn demnächst die Großplakate aufgestellt werden, dann sollen diese auf jeden Fall auffallen - jedes einzelne. Die Zeiten, als die Sozialdemokraten noch Ergebnisse von 30 oder gar 40 Prozent einfuhren, sind lange her. Die anhaltenden Niederlagen haben sich längst auch im Budget bemerkbar gemacht. Die SPD wendet für den Bundestagswahlkampf etwa 15 Millionen Euro auf, knapp zehn Millionen Euro weniger als beim letzten Mal.

Als Scholz mit seinem Projekt der globalen Mindeststeuer für Großkonzerne Erfolg hatte, musste Brinkert übersetzen, was das bedeutet: "Sorry Alexa, Amazon wird endlich global Steuern bezahlen" - diese Botschaft verbreitet die Partei in den sozialen Medien. Bezahlte Anzeigen in der jetzigen Phase der Kampagne kann sich die Partei nicht leisten. Dieses Mal dürfte es auch keine auf wenige Tage begrenzte Schlussphase geben, in der die Parteien noch einmal alles unternehmen, ihre Botschaften zu verbreiten. Coronabedingt hat die Briefwahl stark an Bedeutung gewonnen. Die SPD geht davon aus, spätestens von August an alles geben zu müssen, um die Leute von sich zu überzeugen.

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