SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel:Der Wortspieler

Sigmar Gabriel hat viele Papiere produziert und die Mitglieder angespornt - nur ein klares Profil hat er der SPD nicht gegeben. Nun denkt er über einen neuen Slogan für die Partei nach, der ziemlich an das Jahr 1998 erinnert.

Susanne Höll

Eigentlich könnte sich Sigmar Gabriel freuen. Denn seine SPD hat offenkundig wieder Geschmack an der Politik und an Diskussionen gefunden. Die Vorstandssitzung an diesem Montag im Willy-Brandt-Haus könnte jedenfalls munter werden, zumindest dann, wenn sich die Leute zu Wort melden, die zuletzt öffentlich laut über Steuer- und Sozialpolitik nachgedacht und damit für Schlagzeilen gesorgt haben.

SPD Party Convention

Die SPD will sich nicht mehr nur selbst bespiegeln - doch den Genossen fehlt ein Mann, der in der Diskussion die Richtung weist. Der Vorsitzende Sigmar Gabriel bewährte sich zwar als Moderator, wofür er steht, ist aber unklar.

(Foto: Getty Images)

Nicht wenige Sozialdemokraten haben inzwischen genug von der bleiernen Zeit der Selbstbespiegelung. Ein ganzes Jahr lang blickte die Partei in ihr Inneres und zurück in die jüngste Vergangenheit, korrigierte echte oder auch nur vermeintliche Fehler ihrer Regierungszeit. Daneben leistete sie sich ein inzwischen als überflüssig empfundenes Spektakel um den Ausschluss ihres Genossen Thilo Sarrazin.

Die deutsche Öffentlichkeit weiß inzwischen, was die Sozialdemokraten nicht wollen - die Rente mit 67 zum Beispiel, zumindest in jener Form, die sie in der großen Koalition mitbeschlossen hat. Auch Steuersenkungen lehnt sie ab, wie sie die schwarz-gelbe Koalition noch verheißt. Was die SPD aber will, ist nicht klar. Vielleicht interessiert sich deshalb kaum ein Mensch mehr sonderlich für diese Partei. Dass ihre politische Bedeutung schrumpft und alle Welt auf die Grünen schaut, sorgt für große Übellaunigkeit in den roten Reihen. Daran liegt es wohl, dass die SPD sich jetzt wieder regt.

Hessens Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel will Spitzenverdienern 60 Prozent Steuern abnehmen. Ein Parteirechter, der Niedersachse Garrelt Duin, und ein Linker, der Berliner Björn Böhning, propagieren eine Kürzung des Kindergeldes zugunsten besserer Bildungseinrichtungen. In der Kombination wirkten beide Ideen nahezu irrwitzig. Man kann verstehen, dass die Spitzen der Sozialdemokraten alles andere als begeistert waren. Die Führung kanzelte sie erwartungsgemäß ab, auch wenn sie selbst das Vakuum zuließ, in dem diese Debatten erfahrungsgemäß gedeihen.

Viele Papiere, wenig Profil

Gabriel und seine Mitstreiter haben zwar viele Diskussions- und Werkstattrunden bestritten, viele Papiere produziert und die Mitglieder angespornt. Aber wofür genau die SPD steht und für wen sie künftig welche Politik machen will, ist nach wie vor unklar. Gabriel hat sich zum Ziel gesetzt, die Politikverdrossenen zurückzugewinnen, jene vormalige Klientel, die im Westen zur Linkspartei abgewandert ist oder gar nicht mehr zur Wahl geht. Für die Zukunft der Volkspartei SPD verheißt das nichts Gutes. Es klingt nach altem Umverteilungsverein, an dem junge Leute, Selbständige und Gutverdienende kaum großen Gefallen finden dürften.

Inzwischen sucht Gabriel für das kommende Jahr nach neuen Überschriften für die SPD. Fortschritt und Fairness sind zwei Begriffe, über die er derzeit nachdenkt und mit denen er seiner Partei eine neue Anmutung verschaffen will. Das erinnert stark an das Jahr 1998. Damals bestritten die SPD und ihr Kanzlerkandidat Gerhard Schröder den Wahlkampf erfolgreich mit dem Slogan Innovation und Gerechtigkeit, der so viel bedeutet wie Fortschritt und Fairness.

Viel wichtiger als Wortspiele werden allerdings politische Grundsatzentscheidungen sein, auch und gerade in der Steuer- und Sozialpolitik. Die werden Aufschluss über die Führungsrolle Gabriels bringen. Bislang hat er der Partei seinen eigenen Stempel noch nicht aufgedrückt. Er moderierte bislang hauptsächlich den schwierigen Genesungsprozess der SPD nach der Wahlniederlage.

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