Sozialdemokratie:Der Neustart der SPD könnte das Ende der Groko sein

Sozialdemokratie: Blick in eine Sitzung des Bundeskabinetts. Die Entscheidung über die Spitze der SPD ist auch eine Entscheidung über die Zukunft der großen Koalition.

Blick in eine Sitzung des Bundeskabinetts. Die Entscheidung über die Spitze der SPD ist auch eine Entscheidung über die Zukunft der großen Koalition.

(Foto: AFP)
  • Finanzminister Scholz will nun auch SPD-Vorsitzender werden.
  • Er ist einer der wenigen Kandidaten, der für ein Weiterregieren mit der Union eintritt.
  • Offen ist noch die Frage, ob auch Außenminister Maas noch in den Wettbewerb einsteigt.

Von Stefan Braun, Berlin

So schleppend es angefangen hat, so spannend ist es doch noch geworden. Über Wochen gab die SPD bei ihrer Kandidatensuche für den Parteivorsitz ein verheerendes Bild ab. Wochenlang wirkte es so, als dränge es die prominentesten Sozialdemokraten nicht an die Spitze, sondern möglichst weit weg von dem, was Franz Müntefering mal als das "schönste Amt neben Papst" bezeichnet hatte. Die SPD war nicht nur für sich gesehen kein schöner Anblick. Weil Ministerinnen und Minister, Parteivizes und andere Prominente zögerten, blieben nur die im Rennen, die das Heil der SPD außerhalb der großen Koalition suchen. Es sah danach aus, als würde der Kampf um die SPD-Spitze in einem Trauerspiel enden. Und der Kampf um den Verbleib in der Groko schien entschieden zu sein, bevor er begonnen hatte.

Binnen 24 Stunden hat sich das geändert. Und diese Änderung könnte ihren Ursprung dort genommen haben, wo die vermeintlich letzte Hoffnung der Koalitionsbefürworter starb. Als am Donnerstag Bundesfamilienministerin Franziska Giffey ihren Verzicht auf den Posten bekannt gab, schien bei vielen Sozialdemokraten der letzte Optimismus zu weichen. Nur einen Tag später aber kündigten erst Petra Köpping und Boris Pistorius, beide bekannte Landesminister, via der Zeitschrift Der Spiegel ihre Kandidatur an. Kurz darauf wurde so auch bekannt, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz entgegen bisherigen Aussagen um den Chefposten kämpfen möchte. Niemand kann sagen, wie der Prozess endet. Aber seit Freitag ist klar, dass sich noch nicht alle in der SPD-Führung aufgegeben haben.

Für die SPD ist das eine lebenswichtige Botschaft; für die Koalition ist sie bitter nötig, um nicht sang- und klanglos auf ihr Ende zuzusteuern. Selbst die Union muss darauf setzen, dass die SPD, die als Volkspartei seit Jahrzehnten die Machtbalance in der Republik mitbestimmt hat, nicht einfach abtritt. Nur dann besteht für beide die Möglichkeit zu zeigen, dass nicht alles wertlos gewesen ist, was in anderthalb Jahren Groko beschlossen wurde.

Entschieden ist freilich noch nichts. Weder für die SPD noch für die Koalition. Beantwortet ist nicht einmal die Frage, mit wem sich Scholz anschickt, den Vorsitz zu erkämpfen. Klar scheint nur zu sein, dass er es nicht alleine machen möchte. Und als nahezu sicher kann gelten, dass ihn die Absage von Giffey eher getroffen als gefreut hat. Die Familienministerin galt als besonders geeignet, weil die ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln neben viel Leidenschaft und Großstadterfahrung auch den Charme des Neuen mitgebracht hätte. Außerdem zählt sie zu jenen, für die Regieren immer besser ist und also angestrebt werden muss. So hatte sie auch argumentiert, solange sie mit einer Kandidatur kokettiert hatte.

Scholz hätte sie als Mitstreiterin deshalb gerne mit dabeigehabt. Nun lastet die Verteidigung der Koalition fürs Erste vor allem auf seinen Schultern. Zu groß war Giffeys Sorge geworden, dass die Überprüfung ihrer Dissertation eine Kandidatur und alle Debatten drumherum belastet hätte. Bis heute weiß sie nicht, wann und wie die Freie Universität Berlin entscheiden wird. Aus Sicht mancher Sozialdemokraten wirft das Fragen auf. Dem Prüfausschuss der politischen Fakultät liegen seit Monaten alle Unterlagen vor. Trotzdem haben es die Vertreter der politischen Wissenschaften noch immer nicht geschafft, eine politisch derart brisante und für Giffey wie die SPD so entscheidende Frage zu lösen.

"Schnell raus aus der großen Koalition", heißt das Versprechen von Scheer und Lauterbach

Offen ist nun die Frage, ob auch Außenminister Heiko Maas noch in den Wettbewerb um den Vorsitz einsteigt. Zeit hat er dafür bis zum 1. September. Gleiches gilt für Arbeitsminister Hubertus Heil und Generalsekretär Lars Klingbeil.

Es ändert aber nichts dran, dass nun um die Zukunft der Groko gerungen wird. Mit Scholz rückt die Frage ins Zentrum, und das wird auch Pistorius und Köpping zwingen, sich zu positionieren. Beide sind amtierende Landesminister: sie als Integrationsministerin in Sachsen, er als Innenminister in Niedersachsen. Und beide stehen bislang für eine Verantwortungsethik, die eher für als gegen einen Verbleib spricht. Klare Aussagen dazu aber haben sie noch nicht abgegeben. Sie wird es frühestens am Sonntag geben. Dann wollen sie sich gemeinsam vorstellen.

Die meisten anderen Paare, ob nun Gesine Schwan und Ralf Stegner, Karl Lauterbach und Nina Scheer oder die Stadtoberhäupter von Flensburg und Bautzen, Simone Lange und Alexander Ahrens, stehen teilweise sehr eindeutig für einen Ausstieg aus der Groko. "Schnell raus aus der großen Koalition", heißt das Versprechen von Scheer und Lauterbach. Bei Schwan und Stegner klingt das vorsichtiger. Aber dass sie mit Verve für einen Verbleib eintreten, gilt als unwahrscheinlich.

Der Kampf um die SPD und die Zukunft der großen Koalition: Er hat neu Fahrt aufgenommen.

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