SPD:Warum die Suche nach Brandts Erben so schwierig ist

Willy-Brandt-Haus in Lübeck

Die Bronze-Skulptur "Willy Brandt - Die kleine Skulptur" des Künstlers Rainer Fetting im Willy-Brandt-Haus in Lübeck.

(Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Bei der SPD kann sich nun offiziell melden, wer für den Parteivorsitz kandidieren möchte.
  • Doppelbewerbungen sind von der kommissarischen Parteiführung sehr erwünscht. Bislang drängeln sich die Bewerber aber nicht.
  • Parteienrechtler äußern Zweifel: Bislang sieht das Parteistatut keine Doppelspitze für den Vorsitz vor.
  • Finanziell ist die Partei nach den jüngsten Wahlniederlagen klamm. Der Schatzmeister soll von den Landesverbänden und Bezirken Geld eintreiben.

Von Mike Szymanski, Berlin

Die SPD geht bei der Wahl ihrer Führungsspitze neue Weg. So neue Wege, dass sie sich kaum noch an Gewissheiten festhalten kann. Am Montag hat die Bewerbungsphase begonnen. Spätestens bis zum 1. September können sich Kandidaten in der Parteizentrale melden. Das ist ein ungewöhnlicher langer Zeitraum, so wie sich insgesamt das Verfahren bis zum Parteitag Anfang Dezember hinziehen wird. Schon wird gerätselt, wie man es als Kandidat oder Kandidatin angeht. Gilt noch: Wer sich zuerst aus der Deckung wagt, hat verloren? Oder: Den letzten beißen die Hunde? Die Lage am Montag im Willy-Brandt-Haus sah so aus: entspanntes Abwarten.

Der Parteivorstand hat sich für ein Verfahren entschieden, das gleich aus mehreren Gründen Bewerbungen allein aus einem Bauchgefühl heraus kaum zulässt. Sie bedürfen der sorgsamen Vorbereitung. Antreten darf nur, wer fünf Unterbezirke, einen Bezirk oder einen Landesverband als Unterstützer vorweisen kann. Damit sind die Anforderungen deutlich anspruchsvoller als sonst: Für Personalvorschläge zum Parteivorstand gilt sonst laut Statut, dass mindestens drei Ortsvereine diese unterstützen. So war es, als 2018 Andrea Nahles durch die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange Konkurrenz um den Parteivorsitz bekam.

Fünf Unterbezirke für sich zu gewinnen, gilt als gar nicht leicht in der Partei, in der die Untergliederung sich mitunter nichts gönnen oder gar bekämpfen. Einen Bezirk oder Landesverband von sich zu überzeugen, dürfte für Kandidaten, die bisher kaum jemand auf dem Schirm hatte, schwierig werden. Im Willy-Brandt-Haus rechnet man frühestens in ein paar Tagen mit Bewerbungen, denn die Parteigremien müssen ihre Unterstützung erst in Beschlüsse fassen.

Die kommissarische Parteiführung hat sich zudem sehr unmissverständlich dafür ausgesprochen, dass sie sich künftig eine Doppelspitze für die SPD wünscht, unter ihnen zwingend eine Frau. Um zu verhindern, dass zwei Personen an der Spitze zur Zusammenarbeit gezwungen werden, die sich nicht verstehen, sollen Bewerber von Anfang an als Team antreten. Das setzt eine Partnersuche voraus, samt Abgleich an Zielen und Strategie, Chancenabwägung und natürlich die Frage: Stimmt die Chemie. Gesine Schwan, 76, etwa, ehemalige Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin, hatte eine Doppelspitze mit ihr selbst und Juso-Chef Kevin Kühnert ins Gespräch gebracht. Abgesprochen war dieser Vorstoß nicht.

Auch Einzelbewerber können antreten. Nach der klaren Empfehlung der kommissarischen Parteiführung für eine Doppelspitze dürften sie es aber tendenziell schwerer haben: Das Modell Einzelkämpfer oder Einzelkämpferin wurde von ihr quasi als überholt dargestellt. Wenig ermutigend dürfte auf Bewerber wirken, wie zahlreiche Spitzenpolitiker aus der ersten Reihe umgehend erklärt haben, sie stünden für den Parteivorsitz nicht zur Verfügung. Dazu gehören etwa die beliebten Ministerpräsidentinnen aus Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern, Malu Dreyer und Manuela Schwesig. Aber auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Vize-Kanzler Olaf Scholz haben abgesagt.

Das Verfahren, auf das sich die SPD eingelassen hat, ist nicht nur zeitraubend. Es ist auch kühn. Vom 14. bis zum 25. Oktober sollen die mehr als 420 000 Mitglieder online oder per Briefwahl die Möglichkeit bekommen, ihre Favoritenlösung zu benennen. Sollte niemand im ersten Anlauf die absolute Mehrheit erreichen, gibt es eine zweite Befragungsrunde. Mehrere Parteienrechtler hatten in der Welt am Sonntag Zweifel an der Zulässigkeit des Verfahrens geäußert. In jedem Fall bleibt es angreifbar.

Bislang sieht das Parteistatut keine Doppelspitze für den Vorsitz vor. Dennoch tut die SPD mit dem Verfahren bereits so, als sei ein solches Team möglich. Die Satzungsänderung soll dann erst auf dem Parteitag vollzogen werden. Theoretisch könnten die Delegierten ein Duo auf den letzten Metern zu Fall bringen, wenn sie eine Satzungsänderung blockieren.

Thüringens SPD-Schatzmeister: "Wir brauchen jeden Euro"

Und dann geht es noch ums Geld. Die Partei ist nach den jüngsten Wahlniederlagen klamm. Die Mitglieder zu beteiligen, kostet viel Geld. Schatzmeister Dietmar Nietan soll nun in den Landesverbänden und den Bezirken Geld eintreiben. Aber die Bereitschaft, das Verfahren mitzufinanzieren, fällt verhalten aus. Von der SPD in Thüringen, die sich mitten im Landtagswahlkampf befindet, kommt eine klare Absage. "Wir brauchen jeden Euro", sagte Schatzmeister Georg Maier der Süddeutschen Zeitung. Seine Partei sei ohnehin unterfinanziert. "Wir sehen keine Möglichkeit, hier einen finanziellen Beitrag zu leisten."

In Bayern könnte sich SPD-Generalsekretär Uli Grötsch vorstellen, die anstehenden Regionalkonferenzen zur Präsentation der Kandidaten zu unterstützen und etwa Hallenmieten zu übernehmen. Die Kosten für die Mitgliederbefragung sieht er tendenziell eher bei der Bundespartei. "Wir stehen vor Kommunalwahlen und brauchen jeden Cent für die Wahlkämpfer um die Rathäuser und Landratsämter", sagte er der SZ.

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