SPD vor den Wahlen:Fünf Gründe, warum die Lage der SPD so schwierig ist

Parteivorsitzender Sigmar Gabriel beim SPD-Parteitag im Dezember in Berlin

Die Grundstimmung gegenüber der SPD ist schlecht. Dafür ist auch Parteichef Sigmar Gabriel mitverantwortlich.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die SPD ist eine Volkspartei - oder? Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz droht ein Desaster. Warum nur?

Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

Die SPD ist eine Volkpartei. Ist sie doch. Oder nicht? Ein Blick auf die Umfragen vor den drei Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz lässt da Zweifel aufkommen, besonders in den beiden erstgenannten Ländern. Und vor allem dann, wenn unter Volkspartei eine Partei verstanden wird, die in allen Bevölkerungsschichten starken Zuspruch bekommt.

In Baden-Württemberg steht die SPD bei 13 Prozent. In Sachsen-Anhalt bei 15 Prozent. Es fallen einem dazu viele Adjektive ein: desaströs, katastrophal, niederschmetternd. Im Grunde aber reicht es, die Zahlen zu nennen. 13 und 15 Prozent. Das bekommen manchmal Kleinparteien, wenn an einem Wahltag alles, aber auch wirklich alles passt. Volksparteien bekommen solche Ergebnisse, wenn alles schiefläuft. Die 34 Prozent, auf die die SPD in Rheinland-Pfalz taxiert wird, wirken da wie eine Zahl aus einer Parallelwelt, in der es der SPD noch gutgeht.

Woran liegt es, dass die SPD so dermaßen in den Keller rauscht? Fünf Antwort-Versuche:

1. Regieren allein hilft nicht

Die SPD musste es im Bund erfahren und jetzt wohl auch in den Ländern. Die Rolle des Juniorpartners in einer Regierung ist fast noch schlimmer, als in der Opposition zu sein. Opposition ist Mist, sagte einmal der alte SPD-Haudegen Franz Müntefering. Stimmt. Aber regieren und danach mit 15 Prozent vom Hof gejagt zu werden, ist nicht minder frustrierend. In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt hat sich die SPD jedenfalls nichts zu Schulden kommen lassen, was solche Ergebnisse plausibel erscheinen lässt.

2. Alles ist nichts ohne guten Spitzenkandidaten

In Rheinland-Pfalz hat die SPD Malu Dreyer. Sympathisch. Bestimmt. Ministerpräsidentin. Könnten die Rheinland-Pfälzer die Regierungschefin direkt wählen, Dreyer würde deutlich vor der CDU-Herausforderin Julia Klöckner landen.

In Baden-Württemberg hat die SPD Nils Schmid. Ein Notstromaggregat hat Charisma neben Schmid. Er ist auch nicht Regierungschef, sondern nur der Stellvertreter. Und selbst das weiß kaum einer. Winfried Kretschmann, der erste grüne Ministerpräsident, dominiert den Wahlkampf. Ein Kandidat wie Schmid hat da keine Chance.

In Sachsen-Anhalt ein ähnliches Bild: Eine gewisse Katrin Budde, Partei- und Fraktionsvorsitzende, ist dort Spitzenkandidatin der SPD. Dass sie sich um das Amt der Ministerpräsidentin bewirbt, wirkt im Lichte aktueller Umfragen geradezu vermessen. Ähnlich aussichtlos wirkte im Jahr 2002 der Versuch von Cornelia Pieper, dieses Spitzenamt zu erringen. Der Unterschied: Cornelia Piper war Kandidatin der FDP. Und sie steigerte das Ergebnis ihrer Partei damals von 4,2 auf 13,3 Prozent.

Budde dagegen schafft es gerade, die SPD von ohnehin schon miesen Zweiundzwanzigkommanochwas auf 15 Prozent herunterzuziehen. Das erstaunliche daran ist: Buddes Ministerpräsident und Regierungspartner Reiner Haseloff (CDU) ist auch nicht gerade ein Publikumsmagnet. Aber er ist der souveräne Regierungschef. Das zählt.

3. Die Bundes-SPD ist Teil des Problems

Seit Jahren schon steckt die SPD in einer tiefen Vertrauenskrise. Bundesweit kommt sie seit der Wahlniederlage von Frank-Walter Steinmeier 2009 in Umfragen und Wahlen kaum über die 25-Prozent-Marke hinaus. Das hat noch immer etwas mit der Hartz-Politik der Schröder-Jahre zu tun. Mit der Agenda 2010 hat die SPD die Mittelschicht in Deutschland schwer verunsichert. Ein halbes Leben lang gearbeitet, ohne eigenes Verschulden den Job verloren und schon nach einem Jahr Arbeitslosigkeit von Stütze leben müssen. Die Abstiegsängste vieler Menschen sind SPD-gemacht. Da sind viele lieber zu den Nichtwählern gegangen. Oder zur Linken.

Bis heute hat die SPD das nicht kitten können. Helfen würde es, wenn Parteichef Sigmar Gabriel, seit 2009 im Amt, klare Linie zeigen würde. Aber er ist wankelmütig oder hinterlässt zumindest den Eindruck, dass es mit seiner Prinzipientreue nicht so weit her ist. Mal scheint er bereit zu sein, das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP notfalls in die Tonne zu treten. Dann wieder hält er stoisch daran fest. Rüstungsexporte will er begrenzen, dann muss er neue Rekordzahlen verkünden. In der Debatte um Kriegsflüchtende bestimmt nicht Gabriel den Ton, sondern die Kanzlerin.

Die SPD ist nicht in der Lage, den Menschen Halt zu geben und Orientierung. Die Grundstimmung gegenüber der SPD ist schlecht. Da können nur herausragende Kandidaten in den Ländern gegenhalten. Die gibt es nur in Rheinland-Pfalz. Und selbst Dreyer wird wohl nicht an alte Erfolge ihres Vorgängers Kurt Beck anknüpfen können. Der hat die SPD noch 2006 zur absoluten Mehrheit geführt.

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