Süddeutsche Zeitung

SPD:Von Garnitur keine Spur

Die Brandenburger Abgeordnete Klara Geywitz will mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz die SPD führen - aber sicher nicht als "dekoratives Salatblatt an seiner Seite".

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Das mit der Gleichberechtigung ist ja so eine Sache. Nicht nur in der SPD. Aber auch dort. Es ist Mittwochmittag, großer Auftritt von Olaf Scholz in der Bundespressekonferenz. Neben ihm sitzt eine Frau, die 24 Stunden zuvor kaum einer in Berlin kannte: Klara Geywitz. Aber nun hat sich die Brandenburger Landtagsabgeordnete bereit erklärt, mit Scholz zusammen um den Vorsitz der SPD zu kämpfen; beide stellen sich erstmals gemeinsam vor. Und Geywitz stellt unverzüglich klar, dass es hier ebenbürtig zugehen soll. "Sie haben das Wort, Herr Scholz", beginnt der Sitzungsleiter routinemäßig. Scholz ist Vizekanzler, die Dame neben ihm aus dem Osten. Klarer Fall von Hierarchie also. Nicht mit Geywitz.

Die "einfache Person aus dem Volk", so redet sie später über sich selbst, nimmt sich das Wort. Sie verhaspelt sich kurz, sagt, Scholz und sie seien ein Team, das sich für den Parteivorstand bewerbe, ähm, nein, Parteivorsitz. Dass sie nach Berlin gehen wolle, komme in Brandenburg gut an; das habe ihr zuletzt am Abend zuvor ein Malermeister versichert. Scholz sitzt neben ihr und nickt kurz. Es sieht aus wie "gut gemacht".

Als Frau und Ostdeutsche habe sie ein feines Gespür dafür, wenn ihre Interessen nicht wahrgenommen würden, sagt Geywitz

Scholz und Geywitz reden dann fast eine Stunde lang darüber, warum sie die SPD führen wollen. Geywitz sagt, als Frau und Ostdeutsche habe sie ein feines Gespür dafür, wenn ihre Interessen nicht wahrgenommen würden. Scholz erklärt, dass er sich persönlich verantwortlich fühle für seine Partei; dass die SPD gebraucht werde und die Gesellschaft eine andere wäre ohne die Sozialdemokratie. Er habe zuerst gedacht, es sei nicht zu schaffen, gleichzeitig das Finanzministerium zu leiten, Vizekanzler und SPD-Chef zu sein. Aber er habe seine Meinung geändert. "Ich sehe das jetzt anders." Weil sich die Arbeit auf vier Schultern verteile und weil "es nicht sein kann", dass so schlecht über die SPD gesprochen werde. Man stehe für guten Wohlstand, gute Arbeitsplätze, gute Antworten.

Und wie halten es die beiden mit der großen Koalition - rausgehen oder drinbleiben? Die Frage nach dem Fortbestand der großen Koalition sei nicht die wichtigste, weist Scholz Nachfragen ab. Es gehe um die SPD und sonst nichts. "Wir stehen für eine Sozialdemokratie, die Probleme löst, und das kann man am besten in der Regierung", sagt Geywitz. Sie scheue sich nicht, Verantwortung zu tragen; genauso wie Scholz. Und damit eines klar sei: Das "dekorative Salatblatt an seiner Seite" werde sie jedenfalls nicht sein.

Das mit dem Salatblatt ist ein recht ungewöhnlicher Vergleich. Er erinnert an den Abend zuvor. Scholz hatte zum traditionellen Gartenfest des Bundesfinanzministeriums eingeladen. In den Jahren zuvor - unter Wolfgang Schäuble (CDU) - war das Treffen beschaulich gewesen. Schäuble hatte geredet, es gab ein Gesellschaftsspiel, einen Grill und weiteres Geplauder mit dem Minister. Obwohl Scholz nachgesagt wird, nicht besonders leutselig zu sein, hat er das Fest um Dimensionen vergrößern lassen; er hat mehr Besucher eingeladen, was aber den traditionellen Überhang an männlichen Gästen nicht beseitigte.

"Wir kandidieren nicht nur, wir wollen gewinnen"

Am Dienstagabend war Scholz also überwiegend von männlichen Zuhörern umringt, als ein Ruf die Gespräche unterbrach: "Da ist ja die Kandidatin". Die Aufmerksamkeit der traubenförmig um Scholz gruppierten Zuhörer schwappte weg zu der Frau, die erschienen war. Und genau so schnell wieder zurück. Ach, es war ja nur Gesine Schwan, die da stand, eine eher aussichtslose Konkurrentin im Kampf um den Parteivorsitz. Sie tritt im Tandem mit Landtagsfraktionschef Ralf Stegner an. Es gab ein paar freundliche Worte, dann ging es weiter mit der eigenen Bewerbung, der SPD und den bundesdeutschen Finanzen, wobei letztere in einem stabileren Zustand zu sein scheinen als die Sozialdemokratie.

„Seit Montag wissen alle Bescheid“

Die drei Interims-Vorsitzenden der SPD kannten laut Parteivize Olaf Scholz seit Montag vergangener Woche seine Bereitschaft, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Scholz weigerte sich zwar am Mittwoch in seiner Pressekonferenz mit Klara Geywitz wiederholt, über etwaige Gespräche mit Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel an jenem 12. August zu berichten. Doch ergänzte er an einer Stelle mit Blick auf die drei Interims-Vorsitzenden: "Aber klar: Seit Montag wissen alle Bescheid." Wenn das stimmt, muss es nach einem Treffen von Scholz, Arbeitsminister Hubertus Heil und Außenminister Heiko Maas am Sonntag, den 11. August - in dem nach einem bislang unwidersprochenen Spiegel-Bericht Scholz' Kandidatur erst verabredet wurde - bis spätestens am nächsten Abend eine direkte oder indirekte Kommunikation zwischen Scholz und den Interims-Chefs gegeben haben.

Scholz' Aussage ist von Bedeutung, weil sie einen von Thorsten Schäfer-Gümbel gegen das Nachrichtenmagazin Der Spiegel erhobenen Vorwurf der Falschberichterstattung nicht erhärtet. Der Spiegel hatte geschrieben, Scholz habe an jenem Montag, "noch vor neun Uhr" am Morgen, Schäfer-Gümbel, Dreyer und Schwesig in einer Telefon-Konferenz über seine Bereitschaft zur Kandidatur informiert. Scholz habe gesagt: "Ich bin bereit anzutreten, wenn ihr das wollt." Schäfer-Gümbel sagte dazu am Montag in einer Pressekonferenz mit Dreyer und Schwesig, die "angebliche Telefonkonferenz in der vergangenen Woche zwischen uns drei und Olaf Scholz: Die hat's nie gegeben".

Auf Anfrage, ob dies auch die Darstellung von Dreyer und Schwesig sei, hatte ein SPD-Sprecher geantwortet: "Es hat am Montag, den 12. August, vor 9 Uhr keine Schalte der drei kommissarischen SPD-Vorsitzenden mit Olaf Scholz gegeben." Die Version Schäfer-Gümbels, es habe diese Telefonkonferenz "nie" gegeben, bestätigte die SPD damit nicht. Die Nachfrage, ob es zu einer anderen Zeit am 12. August eine Schalte gegeben habe, ließ die SPD unbeantwortet und verwies nur darauf, dass die engere Parteiführung "regelmäßig" kommuniziere. Nico Fried

Gleichberechtigt soll es im Rennen um den SPD-Vorsitz zugehen. Geywitz und Scholz betonen, dass alle Bewerber die gleichen Chancen hätten. Die Bewerbungsfrist endet jedenfalls am 1. September, dann geht's ab in die Regionalkonferenzen, gewählt werden soll auf einem Parteitag Anfang Dezember.

Was passiert, wenn es nicht klappt? "Wir kandidieren nicht nur, wir wollen gewinnen", sagt Geywitz. Scholz nickt. Bleibt er Bundesfinanzminister, auch im Falle einer Niederlage? "Ich kandidiere ohne Netz", sagt Scholz. Was er damit meint, bleibt ungesagt.

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Quelle:
SZ vom 22.08.2019
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