SPD-Vize Manuela Schwesig:"Manche Grüne müssen lernen, dass reden nicht reicht"

Rot-Grün oder Grün-Rot, das ist doch eigentlich egal: Die stellvertretende SPD-Chefin Schwesig über den Umgang mit der grünen Konkurrenz, den Verfall der Linken und ihre Hoffnung, dass Westerwelle FDP-Chef bleibt.

Oliver Das Gupta

Manuela Schwesig, Jahrgang 1974, ist Ministerin für Soziales und Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2009 bekleidet die Mutter eines Sohnes zudem das Amt der stellvertretenden SPD-Chefin. Schwesig handelte zuletzt mit Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Kompromiss zur Reform der Hartz-Gesetze aus.

Bundestag SPD Parteivize Manuela Schwesig

Möchte, dass die SPD stärker ihren Markenkern betont: Parteivize Manuela Schwesig

(Foto: dapd)

sueddeutsche.de: Frau Schwesig, war das gestern ein trauriger Wahlabend für Sie?

Manuela Schwesig: Nein. Wieso denn?

sueddeutsche.de: Ihre SPD liegt in Baden-Württemberg hinter den Grünen, in Rheinland-Pfalz hat sie fast zehn Prozentpunkte verloren. Lässt Sie das kalt?

Schwesig: Ich bin froh, dass so viele Menschen zur Wahl gegangen sind und gezeigt haben, dass sie den Atomausstieg und eine energiepolitische Wende wollen - wobei auf der Hand liegt, dass die Grünen als Öko-Partei von der Atomkatastrophe in Japan stärker profitieren als die Volkspartei SPD.

sueddeutsche.de: Das hilft Ihnen nur nicht.

Schwesig: In erster Linie zählen nicht Parteiinteressen, sondern inhaltliche Erfolge. Mit der klaren Absage der Bevölkerung an die Atomenergie haben SPD und Grüne einen inhaltlichen Erfolg erzielt. Wir Sozialdemokraten werden den Menschen in Zukunft noch deutlicher machen, dass die sozialen Themen genauso wichtig sind wie die ökologischen. Beides gehört zusammen und für beides steht die SPD.

sueddeutsche.de: Das allein kann es doch nicht sein. Die Grünen haben in den Umfragen lange vor Fukushima kräftig zugelegt.

Schwesig: Baden-Württemberg ist ein Sonderfall - da kam viel zusammen, unter anderem die Polarisierung durch Stuttgart 21 und das wertkonservative Profil des grünen Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann ...

sueddeutsche.de: ... der offenbar besser ankam als Ihr Spitzenkandidat Nils Schmid.

Schwesig: Nils Schmid hat hervorragende Persönlichkeitswerte. Entscheidend ist, dass wir ein klares Votum für rot-grüne Themen haben - soziale Gerechtigkeit, ökologische Vernunft und wirtschaftliche Kompetenz.

sueddeutsche.de: Den Zahlen nach sind das eher grün-rote Themen derzeit. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die Grünen mehr und mehr von der SPD fressen?

Schwesig: Nein. Opponieren ist leichter als regieren, und in Rheinland-Pfalz zum Beispiel haben die Grünen sicherlich auch Frust-Stimmen bekommen.

sueddeutsche.de: Wollen Sie sagen, dass die Grünen gerade die Linken als Protestpartei ablösen?

Schwesig: Mir ist es auf jeden Fall lieber, wenn sie statt der Linken von Frustrationen profitieren.

"Merkel hat ihre Landsleute verraten"

sueddeutsche.de: So oder so gehen die Erfolge von Grünen und Linken auf Ihre Kosten.

Schwesig: Einspruch. Die Wahlen an diesem Wochenende zeigen, dass die Linke ihre besten Tage hinter sich hat. Sie wird nicht gebraucht - wer sich ums Soziale sorgt, wählt SPD. In Baden-Württemberg trauten uns manche Beobachter vor kurzem nicht mal 20 Prozent zu. Nils Schmid wird nun zusammen mit den Grünen regieren. Die Baden-Württemberger werden erkennen: Der kann auch Ministerpräsident. Und die Grünen werden die Schattenseiten der Macht kennenlernen. Wer regiert, kann nicht alles Mögliche versprechen, sondern muss Machbares versuchen. Manche Grüne müssen noch lernen, dass reden nicht reicht ...

sueddeutsche.de: ... in Baden-Württemberg zusammen mit Ihren Genossen, die dort ja auch keine Regierungserfahrung haben. Wobei die Grünen dort Koch sind und Sie Kellner - und nicht mehr die SPD Koch und die Grünen Kellner, wie es einst Gerhard Schröder gefordert hat.

Schwesig: Dieses Bild ist doch überholt. Zu der SPD-Generation, die diese Auffassung in ihrem Kopf oder Herzen trägt, gehöre ich nicht. Ich bin ein Fan von Rot-Grün, denn mit den Grünen kann die SPD ihre pragmatische, soziale und ökologische Politik am ehesten umsetzen.

sueddeutsche.de: Trotzdem - wie muss sich die SPD von den Grünen abgrenzen?

Schwesig: Wir sind gut zu unterscheiden. Aber wir sollten unseren Markenkern noch stärker betonen. Das bedeutet eine Sozialpolitik, die gerecht und pragmatisch zugleich ist, dazu eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Das kann nur die SPD, das werden wir weiter herausstellen - auch gegenüber den Grünen.

sueddeutsche.de: Nur bleibt bisher offensichtlich der Erfolg aus. In Umfragen dümpelt die SPD bundesweit unter 30 Prozent. Wieso?

Schwesig: Ich bin Realistin, und als solche stelle ich fest: Die politische Landschaft hat sich durch das aktuelle Fünf-Parteien-System grundlegend verändert. Die SPD hat auch deshalb bei der Bundestagswahl 2009 eine herbe Niederlage erlitten. Nun aber findet sie in den Ländern allmählich zu alter Kraft zurück. Angela Merkel, Guido Westerwelle und ihre Parteien helfen uns dabei nach Kräften.

sueddeutsche.de: 2011 stehen noch drei Landtagswahlen an, in Ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Berlin. Auch in der Hauptstadt könnten die Grünen vor der SPD landen. Müssen Sie nicht mehr Konfrontation wagen?

Schwesig: Ich teile Ihre These nicht. Ich bin sicher, Klaus Wowereit wird wieder Regierender Bürgermeister in Berlin. Ansonsten: Wir kuscheln ja nicht im Wahlkampf, sondern werben für die SPD und sind in Konkurrenz zu allen anderen Parteien. Aber unsere Hauptgegner sind Union und FDP. Es geht gegen die schlechte Politik der Kanzlerin, deren Heimat übrigens die CDU in Mecklenburg-Vorpommern ist. Merkel hat im Wahlkampf in Baden-Württemberg behauptet, die Leute im Südwesten seien schlauer und besser. Dass sie mit solcher Anbiederung ihre eigenen Landsleute im Nordosten verrät, zeigt, dass sie rein machtpolitisch funktioniert. Westerwelle tickt ganz ähnlich. Er sollte am besten nicht mehr lange Außenminister sein - aber gerne FDP-Chef bleiben. Denn dann geht es mit seiner Partei weiter bergab.

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