Olaf Scholz hat noch nicht die Vertrauensfrage gestellt und der Bundespräsident noch nicht über die Auflösung des Bundestags entschieden. Aber nach der Union stellt auch die SPD längst die Weichen für die geplante Neuwahl des Deutschen Bundestags am 23. Februar. Mit einem Dreiklang will die Kanzlerpartei versuchen, den großen Umfragerückstand auf die Union noch zu drehen.
So liegt der Fokus in dem SPD-Wahlprogrammentwurf, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, auf Maßnahmen für mehr Wachstum und Arbeitsplatzsicherung, ferner auf der Entlastung von Familien und der „arbeitenden Mitte“ – und auf der Sicherung der Rente, dem Versprechen schon aus dem Wahlkampf 2021. Aber das Paket, das das Niveau auf 48 Prozent des Durchschnittseinkommens in Deutschland sichern soll, hatte die Ampelkoalition vor dem Bruch nicht mehr durchs Parlament gebracht. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hat die Stabilisierung der Renten zur Bedingung für jede SPD-Beteiligung an einer Regierungskoalition gemacht.
Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel soll sinken, steht im SPD-Wahlprogramm
Im Willy-Brandt-Haus wird mit Blick auf die Finanzierungslücken im Wahlprogramm der Union betont, man mache „keine Kalendersprüche, sondern konkrete Politik“. Allerdings sind geplante Maßnahmen wie eine Reform der Schuldenbremse nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag zu erreichen, also müsste auch CDU-Chef Friedrich Merz mitmachen. Die SPD will ihr Programm an diesem Dienstag offiziell im Parteivorstand beschließen.
Nach den Erfahrungen im US-Wahlkampf, wo bei der Entscheidung vieler Wähler für Donald Trump die stark gestiegenen Lebenskosten eine wichtige Rolle spielten, adressiert die SPD besonders das Thema Entlastungen: So soll der Mindestlohn abermals steigen, auf 15 Euro – eigentlich hatte die SPD in die Arbeit der unabhängigen Mindestlohnkommission nicht wieder eingreifen wollen. Zudem sollen Gering- und Normalverdiener bei der Einkommensteuer entlastet werden und die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent sinken. Erklärtes Ziel ist, dass 95 Prozent der Steuerzahler mehr Netto vom Brutto haben – finanziert durch höhere Belastungen der Bestverdiener und besonders Vermögenden.
Die ausgesetzte Vermögensteuer soll für Vermögen über 100 Millionen Euro wieder eingesetzt werden; die Erbschaft- und Schenkungsteuer so reformiert werden, dass auch Unternehmensvermögen bei deren Übertragung stärker als bisher herangezogen werden. Da viele Bürger mit niedrigen und mittleren Einkommen bisher keine Steuererklärung abgeben, soll die vorausgefüllte Einkommensteuererklärung zum Standard werden. Mögliche Erstattungen sollen automatisch erfolgen. Entlastungen würden durch mehr Konsum auch die Wirtschaft ankurbeln.
Um generell mehr Zukunftsinvestitionen zu erreichen, soll ein „Deutschlandfonds“ mit anfangs 100 Milliarden Euro ausgestattet werden, gespeist aus öffentlichem und privatem Kapital. Ziel sind unter anderem mehr Investitionen in Strom- und Wärmenetze, das Wasserstoffnetz, in E-Ladesäulen und Wohnungsbau. Für Unternehmen, die in Deutschland investieren, ist ein „Made in Germany“-Bonus geplant.
Die Union will massiv die Steuern für Unternehmen und Beschäftigte senken
In der Außenpolitik wird die Unterstützung der Ukraine betont, aber auch konkrete Friedensinitiativen eingefordert, zudem werde man den Marschflugkörper Taurus nicht liefern. Angesichts der Bedrohung durch Russland solle das von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgeschlagene Modell eines neuen Wehrdienstes umgesetzt werden, basierend auf Freiwilligkeit.
Schon am Freitag war ein Wahlprogrammentwurf der Union bekannt geworden, Titel: „Politikwechsel für Deutschland“. Gleich das erste Kapitel widmet sich dem „Wohlstand für alle“, für den einst schon Ludwig Erhard angetreten war. Massiv will die Union die Steuern senken, sowohl für Unternehmen als auch für Beschäftigte. Auch Strom soll billiger werden, und an der Option Kernenergie will die Union festhalten. Zu Finanzierung findet sich im Programm der Union jedoch wenig. Das Bürgergeld in seiner jetzigen Form wollen CDU und CSU schleifen, an der Schuldenbremse will man festhalten.
Die Grünen schlagen derweil zur besseren Finanzierung der Rente einen „Bürgerfonds“ vor. Das geht aus ihrem Wahlprogrammentwurf hervor, der in Teilen der SZ vorliegt. Die Partei will den Kapitalmarkt nutzen, um mehr Mittel für die gesetzliche Rente zu generieren. Ähnliches hatte die FDP mit ihrer Aktienrente vorgeschlagen, aber die Grünen erweitern das Konzept um eine ökologische und soziale Komponente. Spitzenkandidat Robert Habeck hat sich in der Bild am Sonntag zudem für eine Milliardärsteuer ausgesprochen. „Wenn man da einen kleinen Anteil ihres Vermögens besteuern würde, dann hätte man ungefähr fünf bis sechs Milliarden Euro“, warb Habeck. Das Geld solle auch in die Sanierung von Schulen fließen.