Süddeutsche Zeitung

SPD und Ulla Schmidt:Auf die Plätze, fertig, Panne

Endlich sollte es losgehen mit dem großen Wahlkampf. In dieser Woche wollte die SPD auf Attacke schalten - doch prompt kam Ministerin Schmidts geklauter Dienstwagen dazwischen.

Irene Helmes

Es war alles bereit. Mal wieder. Die SPD - dazu verurteilt, allen Meinungsumfragen zum Trotz Optimismus zu verbreiten - hatte die Einladungen für eine Konferenz der Parteispitze mit allen Bundestagskandidaten in Hannover verschickt. Ebenfalls groß angekündigt: Nach einer Klausurtagung an diesem Mittwoch soll am 30. Juli die Mannschaft um Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier der Öffentlichkeit präsentiert werden.

So weit, so gut geplant. Doch nicht auf der Agenda vorgesehen waren Autodiebe im spanischen Urlaubsort Alicante. Genau die blamieren jetzt die SPD-Ministerin Ulla Schmidt, indem sie sich am Wochenende ihres schicken Dienstwagens, eines Mercedes S 500 mit 388 PS, bemächtigt haben. Schmidt muss nun zu Hause rechtfertigen, dass sie mit eben diesem Dienstwagen samt Fahrer im Urlaub unterwegs war.

Wahlkampfleiter Kajo Wasserhövel bemüht sich, die Aufmerksamkeit wieder auf die geplante Offensive der SPD zu lenken, und macht gute Miene. Schmidt habe doch klargestellt, dass sie sich korrekt verhalten habe, so Wasserhövel am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk. Immerhin: "Dass der Dienstwagenklau nicht bei uns in der Terminliste stand, können Sie mal unterstellen."

Auch Parteichef Franz Müntefering kommt am Thema Schmidt an diesem Dienstag nicht vorbei - und zeigt sich optimistisch: Die Ministerin habe "schon viele Male mit Vorurteilen leben müssen", doch sie sei "eine gestandene Frau, die wird das bestehen, da bin ich ganz sicher". Schmidt habe weitere Informationen zur Dienstwagenfrage zugesagt, danach könnten "alle Leute sich wieder in Realismus üben und Vorurteile und Spekulationen vergessen".

Inwieweit sich die Episode über diese Tage hinaus auf Schmidt und die SPD auswirkt, ist Spekulation - fest steht, dass es den Genossen gerade noch gefehlt hatte, öffentliche Diskussionen über den Anstand einer Ministerin im Umgang mit Steuergeldern führen zu müssen. Affären wegen großzügiger Nutzung oder gar wegen Missbrauchs von Staatsmitteln durch Politiker hat die Republik schon einige gesehen, quer durch die Parteien.

Aber für viele mag es symbolisch wirken, dass diesmal das Gebaren einer Sozialdemokratin zur Diskussion steht, deren Partei doch eigentlich immer gegen übermäßige Privilegien und Vorzugsbehandlungen stand. Dass Schmidt in Spanien braungebrannt und lächelnd alle Vorwürfe beiseitewischt, wird ihr Ansehen bei den Wählern nicht unbedingt verbessern, wie auch viele Reaktionen von sueddeutsche.de-Lesern ahnen lassen. Kaum ein Thema bringt die Deutschen bekanntlich mehr in Rage als der Luxus der anderen.

Die Gunst der Stunde hat indes ein deutscher Autovermieter erkannt und wirbt auf seiner Website mit dem Konterfei der Ministerin und dem Spruch: "Mit dem Dienstwagen in den Urlaub - es gibt Sixt doch auch in Alicante (inklusive Diebstahlversicherung)".

Eine Panne also statt der so dringend benötigten guten Presse. Die Misere der Sozialdemokraten im Superwahljahr 2009 ist schließlich fast schon sprichwörtlich. So ungünstig sind die Prognosen, dass sich Wasserhövel dieser Tage in seltsame Argumentationen flüchtet: Zwei Monate vor der Wahl 2005 habe man in der Wählergunst noch weiter zurückgelegen als heute, wiederholt er gebetsmühlenartig in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und im Deutschlandfunk. Als ob ein Hinweis auf den langen Abstieg der einst so stolzen Volkspartei zur Aufmunterung besonders geeignet wäre.

Einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag zufolge gehen momentan nur 13 Prozent der Bürger davon aus, dass Steinmeier Bundeskanzlerin Angela Merkel im September vom Sockel stoßen wird. Seit vielen Wochen dümpelt die Partei in den Sonntagsfragen im Bereich der 23 bis 26 Prozent herum. Die Europawahl am 7. Juni brachte gar das schlechteste nationale Ergebnis bei einer Wahl in der Geschichte der Partei.

Politik sei kein "Beauty Contest", betont nun Wasserhövel sicherheitshalber. Auch der bisherige SPD-Wahlkampf wird wohl keinen Schönheitspreis gewinnen.

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