SPD und Linkspartei:Steinbrück: Vorwurf des Wortbruchs nachvollziehbar

Die SPD streitet weiter über ihr Verhältnis zur Linkspartei. Peer Steinbrück warnt eingehend vor einer Koalition in Hessen, Klaus Wowerweit dagegen sieht "ein blödes Tabu".

Der Streit in der SPD um das Verhältnis zur Linkspartei geht unvermindert weiter. Nun meldet sich der Bundesfinanzminister zu Wort. Peer Steinbrück (SPD) hält den Wortbruch-Vorwurf an seine Partei für nachvollziehbar. Der Passauer Neuen Presse sagte Steinbrück auf eine entsprechende Frage: "Ja. Der Fehler ist nicht gewesen, dass man sich in Hessen mit verschiedenen Optionen beschäftigt hat, nach einem in der Tat sehr schwierigen Wahlergebnis. Der entscheidende Punkt ist, dass sich alle entscheidenden Persönlichkeiten vor der Wahl eindeutig geäußert haben und nun ein Strategiewechsel zumindest nicht definitiv ausgeschlossen ist."

SPD und Linkspartei: Peer Steinbrück: "Der entscheidende Punkt ist, dass sich alle entscheidenden Persönlichkeiten vor der Wahl eindeutig geäußert haben."

Peer Steinbrück: "Der entscheidende Punkt ist, dass sich alle entscheidenden Persönlichkeiten vor der Wahl eindeutig geäußert haben."

(Foto: Foto: dpa)

Glaubwürdigkeit sei ein sehr hohes Gut in der Politik, so Steinbrück weiter. "Ohne Glaubwürdigkeit ist man nicht strategie- und kommunikationsfähig. Insofern befindet sich die SPD derzeit in einer sehr schwierigen Lage." Zu dem von der SPD-Spitze auf Initiative Kurt Becks getroffenen Beschluss, wonach Ypsilanti bei der Regierungsbildung freie Hand hat, erklärte Steinbrück: "Im konkreten Fall Hessen halte ich es für falsch, sich auch nur indirekt - über eine in Kauf genommene Duldung - von den Linken wählen zu lassen."

Eindringlich warnte Steinbrück seine Partei davor, auf einen Linkskurs zu setzen. Im Streit um den Umgang mit der Linkspartei spricht sich nach einem Bericht der Bild-Zeitung mit der schleswig-holsteinischen SPD der erste westdeutsche Landesverband offen für eine Zusammenarbeit aus.

Wie das Blatt berichtet, wollen führende Politiker der Nord-SPD die Linkspartei künftig einbinden. Der stellvertretende Parteivorsitzende Andreas Breitner sagte der Zeitung: "Rot-grüne Koalitionen werden immer unrealistischer. Daher müssen wir versuchen, die Linkspartei mit einzubinden. Sollte die Linkspartei in den Landtag einziehen, wird die SPD sie als politischen Faktor ernst nehmen und Gespräche führen."

"Unsinnige" Programme der Linken

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte die hessische SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti auf, eine Koalition mit der Linkspartei abzuwägen. "Diese Prüfung muss stattfinden", sagte Wowereit im ARD-Talkmagazin "hartaberfair".

Es gehe ihm dabei auch darum, "endlich mal dieses blöde Tabu wegzukriegen", das die Linke in den West-Bundesländern als Koalitionspartner ausschließe. Aus Sicht der SPD sei das Tabu "völlig falsch" und nütze nur der CDU und der Linken.

Der thüringische SPD-Landeschef Christoph Matschie forderte seine Partei zu einem entspannteren Umgang mit der Linkspartei auf. Er empfehle der SPD, "ganz nüchtern zu bleiben und das nicht zu einer Grundsatzfrage hoch zu stilisieren", sagte Matschie der Berliner Zeitung. "Man kann diese Frage nicht grundsätzlich klären, sondern nur von Fall zu Fall."

Für eine Regierungszusammenarbeit mit der Linkspartei sollten die selben Kriterien gelten, wie für alle anderen Parteien. Er kritisierte Äußerungen führender Parteikollegen wie SPD-Fraktionschef Peter Struck und Generalsekretär Hubertus Heil, die den hessischen Landesverband vor einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei gewarnt hatten. Einer rot-roten Koalition im Bund erteilte Matschie eine Absage.

Dagegen warnte der frühere Erste Bürgermeister von Hamburg, Klaus von Dohnanyi (SPD), seine Partei vor jeglicher Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Der Bild-Zeitung sagte von Dohnanyi: "Die SPD muss klarstellen, dass die Linke so unsinnige Programme hat, das man mit ihr nicht koalieren kann. Mit der Linken darf die SPD gar nichts zusammen machen", fügte der SPD-Politiker hinzu. Ypsilanti forderte von Dohnanyi auf, sich "auf keinen Fall" von der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen.

Hessen-SPD fordert Ypsilanti-Wahl

Auf Landesebene hat die hessische SPD unterdessen die Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin als Voraussetzung für jede Koalition festgeschrieben. Der Landesvorstand der Partei verabschiedete am Mittwochabend in Frankfurt am Main ein Eckpunktepapier, in dem die Wahl Ypsilantis als unverzichtbarer Bestandteil einer Koalitionsvereinbarung bezeichnet wird.

Ypsilanti sagte nach der Landesvorstandssitzung, ihre Partei werde CDU, FDP und Grünen das Eckpunktepapier überreichen. Die genannten drei Parteien hätten dann Zeit bis zum kommenden Montag, sich für Bündnisgespräche mit der SPD zu entscheiden. Mit den Linken will die SPD allerdings vorerst nicht reden. Ihr Ziel sei nach wie vor eine stabile Regierungsmehrheit auf der Basis einer Ampelkoalition, betonte Ypsilanti.

Die hessische FDP hat allerdings erneut Koalitionsverhandlungen mit Sozialdemokraten und Grünen abgelehnt.

Über die Ergebnisse der Beratungen mit den anderen Parteien soll ein SPD-Parteitag am 29. März entscheiden. Dann könnte auch die Entscheidung fallen, ob Ypsilanti am 5. April zur Wahl des Ministerpräsidenten im Landtag antritt. "Wir sind gewählt worden für eine andere Politik", sagte die SPD-Vorsitzende.

Das Eckpunktepapier fordert unter anderem eine Schulreform in Hessen, die Abschaffung des Abiturs nach zwölf Jahren, die Abschaffung der Studiengebühren sowie die Einstellung von 1200 zusätzlichen Polizisten. Im Bundesrat soll eine künftige hessische Landesregierung Initiativen für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sowie für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer starten.

Im RBB-Inforadio sagte Hahn, die Positionen von Sozialdemokraten und Liberalen lägen meilenweit auseinander: "Deshalb können wir aus inhaltlichen Gründen heraus mit den Sozialdemokraten auch keine Koalition eingehen." Hahn nannte die hessische SPD eine extrem linke Partei. Es bleibe bei der Ablehnung von Koalitionsverhandlungen.

Grüne für Verhandlungen ab kommender Woche

An der SPD-Basis in Hessen gibt es offenbar einen verbreiteten Unmut über jede Öffnung hin zur hessischen Linkspartei. Der Landrat des Main-Kinzig-Kreises, Erich Pipa (SPD), sagte der Frankfurter Neuen Presse, Ypsilanti solle sich derzeit nicht zur Ministerpräsidentin wählen lassen.

Auch der Landrat des Kreises Groß-Gerau, Enno Siehr (SPD), warnte vor der Tolerierung einer SPD-Minderheitsregierung durch die Linke: "Davon kann ich wegen meiner Erfahrungen auf der kommunalen Ebene nur abraten." Der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Offenbach, Carsten Müller, bezeichnete ein Tolerierungsmodell als "gefährlich".

Die Grünen forderten die SPD auf, in der kommenden Woche gemeinsame Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Es müssten endlich konkrete Gespräche über einen Koalitionsvertrag beginnen, sagte Grünen-Chef Tarek Al-Wazir im Rundfunksender NDR info.

Auch der hessische DGB dringt auf eine schnelle Regierungsbildung in Wiesbaden. Nach einem Treffen mit der hessischen SPD-Spitze sagte der DGB-Landesvorsitzende Stefan Körzell, das Land brauche eine Politik, die auf bessere Bildung, mehr soziale Gerechtigkeit und eine nachhaltige Wirtschaftspolitik setze.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: