Süddeutsche Zeitung

SPD und Linkspartei:Gabriel: Lafontaines Rückzug ändert gar nichts

Führende Sozialdemokraten sehen keine Chance für eine rot-rote Annäherung. Die Linkspartei will sich rasch neu formieren.

D. Brössler und S. Höll

Nach dem angekündigten Rückzug von Parteichef Oskar Lafontaine hat bei der Linken die Suche nach einer neuen Führung und in der SPD eine Diskussion über mögliche Bündnisse begonnen. "Wir werden jetzt rasch Vorschläge für eine neue Gesamtarchitektur der Führung erarbeiten", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, Klaus Ernst, der Süddeutschen Zeitung. Die Partei könne sich "vier Monate Personaldebatte" bis zum Parteitag im Mai in Rostock nicht leisten. Schon an diesem Montag soll es erste Ergebnisse geben.

Zu Mutmaßungen, er werde mit der Vize-Fraktionschefin im Bundestag, Gesine Lötzsch, ein Führungsduo bilden, wollte sich Ernst nicht äußern. Lafontaine hatte am Samstag sein Mandat im Bundestag zur Verfügung gestellt und angekündigt, im Mai nicht mehr als Parteivorsitzender kandidieren zu wollen. Dies habe "ausschließlich gesundheitliche" Gründe. Lafontaine ist an Krebs erkrankt und musste sich im Herbst einer Operation unterziehen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel widersprach Erwartungen, nach Lafontaines Rückzug rücke eine rot-rote Koalition im Bund näher. Auf die Frage, was sich im Verhältnis der Sozialdemokraten zu den Linken ändere, sagte Gabriel der SZ: "Gar nichts." Die SPD definiere sich nicht in Abgrenzung oder in Annäherung zu einer anderen Partei; das Verhältnis werde auch nicht durch einzelne Personen bestimmt. "Die SPD muss sich darum kümmern, dass sie selbst wieder stark wird", sagte Gabriel.

Koalitionen seien keine Frage der Arithmetik, sondern von Inhalten. "Wenn die Linkspartei, wie gegenwärtig in Nordrhein-Westfalen, mit wirren Programmen antritt, verbietet sich die Zusammenarbeit aus inhaltlichen Gründen", fügte er hinzu. Gabriel äußerte sich auch skeptisch über die programmatische Entwicklung der Linkspartei ohne Lafontaine an der Spitze: "Die, die eine pragmatischere Politik machen wollen, werden erleben, dass Oskar Lafontaine in der Partei viele seiner Jünger hat." Gabriel sagte außerdem, er wünsche Lafontaine eine baldige und volle Genesung.

Spekulationen über eine Annäherung der SPD an die Linkspartei hatten Äußerungen des früheren Juso-Chefs Niels Annen ausgelöst. Annen selbst widersprach aber der Interpretation in einigen Berichten, wonach er nun größere Kooperationsmöglichkeiten mit der Linkspartei sehe. "Die Partei muss sich jetzt sortieren. Alles andere ist Spekulation", sagte er. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte: "Es wird sich zeigen, ob die Linkspartei eine wirkliche Partei mit Programm und Verantwortungsbewusstsein wird oder die vorübergehende Privatbühne von Oskar Lafontaine", erklärte .

Lafontaine selbst hatte Gabriel am Samstag unpolitische "Ausschließeritis" vorgeworfen und betont, seine Partei sei sowohl im Osten als auch im Westen prinzipiell zu Regierungsbeteiligungen bereit. "Über Bedingungen von Regierungsbeteiligungen wird es selbstverständlich immer Diskussionen geben" , räumte er ein. Lafontaine will sich als Fraktionschef im Saarland auch weiterhin in die Bundespolitik einschalten. Auch am Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen wolle er sich beteiligen, soweit seine Gesundheit es zulasse. Ein Einzug der Linkspartei in den Düsseldorfer Landtag sei möglich.

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SZ vom 25.01.2010
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