SPD und Linke: Tauwetter:Gabriel lockt Linke mit Machtaussicht

Versöhnung statt Stunk: SPD-Chef Gabriel appelliert an die Reformer in der Linken und spricht von "Gemeinsamkeiten". Dort poltert man noch kräftig wegen der Präsidentenwahl - und zeigt sich dennoch offen für einen Oppositionsgipfel mit Rot-Grün.

Die Nachbereitung der Bundespräsidentenwahl bei der Opposition fällt überraschend aus. Nach dem Knatsch um Joachim Gauck, den Kandidaten von SPD und Grünen, den die Linkspartei partout nicht unterstützen wollte, gibt es versöhnliche Signale von beiden Seiten.

Tauwetter zwischen Rot und Dunkelrot: Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel (r) und der Parteichef der Linken, Klaus Ernst (l)

Tauwetter zwischen Rot und Dunkelrot: Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel (r) und der Parteichef der Linken, Klaus Ernst (l)

(Foto: dpa)

Mit Blick auf die Ablehnung Gaucks durch die Linke appellierte SPD-Chef Sigmar Gabriel im Spiegel an die "Demokraten, Pragmatiker, Realisten dort". Sie müssten "endlich um die Zukunft ihrer Partei kämpfen, statt die Vergangenheit zu beschönigen".

Einladung zum gemeinsamen Opponieren

Gabriel lockt die dunkelrote Konkurrenz unverhohlen mit der Aussicht auf Teilhabe an der Macht: Falls sich die realpolitischen Kräfte in der Linken durchsetzen würden, wertet der SPD-Vorsitzende dies als Grundlage für Koalitionen. "Dann gibt es genug Gemeinsamkeiten mit der SPD, um auch über Regierungshandeln im Bund und in den Ländern zu reden."

Auch Linkspartei-Chef Klaus Ernst ging auf die SPD zu. Er möchte die Führung von SPD und Grünen zu einem gemeinsamen Oppositions-Gipfel einladen. "Auch die Opposition braucht einen Neustart", sagte Ernst der Leipziger Volkszeitung. "In wichtigen Fragen wie der Verhinderung des Kürzungspakets und der unsozialen Kopfpauschale erwarten die Menschen mehr Geschlossenheit in der Opposition. Darüber müssen wir gemeinsam reden." Man könne nun nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. "Die Regierung wackelt. Die Opposition ist zerstritten, weil niemand führt und moderiert."

Ernst sieht die Ursache hierfür freilich nicht in der eigenen Partei - sondern in der SPD. Die sei stärkste Oppositionspartei, aber noch nicht im Fünf-Parteien-System angekommen, sagte Ernst. Besonders die SPD-Führungsriege griff Ernst an: "Steinmeier ist blass und unglaubwürdig. Gabriel spaltet, wo Geschlossenheit wichtig und richtig wäre."

Was die Bundespräsidentenwahl angeht, polterte Ernst unvermindert gegen Rot-Grün: Zu den Vorwürfen von SPD und Grünen an die Linkspartei wegen verpasster Mehrheits-Chancen bei der Bundespräsidentenwahl sagte Ernst, Rot-Grün solle keine "Geschichtsfälschung betreiben". Christian Wulff habe im dritten Wahlgang eine eigene schwarz-gelbe Mehrheit gehabt.

Weil SPD und Grüne nicht vor der Bundesversammlung ernsthaft mit der Linkspartei gesprochen hätten, "haben SPD und Grüne Wulff zum Amt des Bundespräsidenten verholfen".

Enkelmann droht Kraft

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, Dagmar Enkelmann, sah in der Causa Gauck gar ein Fanal dafür, dass es zwischen Rot-Grün und ihrer Partei im Bundestag keine Kooperation geben könne.

Enkelmann warf SPD und Grünen vor, mit der Gauck-Kandidatur ein Zusammengehen der Parteien auf Bundesebene endgültig beendet zu haben. Deswegen habe es auch kein Interesse an einem gemeinsamen Kandidaten zur Bundespräsidentenwahl gegeben, sagte Enkelmann der Rheinpfalz am Sonntag.

Jetzt versuchten sie, den Linken die Schuld in die Schuhe zu schieben, "dass eine rot-rot-grüne Koalition in weite Ferne gerückt ist". Mit Gauck sei es SPD und Grünen nicht nur darum gegangen, die Koalition zu irritieren, sondern auch um die Absage einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei.

Laut Enkelmann könnte das Verhalten von SPD und Grünen gegenüber der Linkspartei auch Einfluss auf die Wahl der SPD-Politikerin Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen haben. Ob sie die Stimmen der Linken für eine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang erhalte, sei inzwischen mehr als fraglich.

Andere namhafte Vertreter von Rot-Grün betonten derweil die Distanz zur Linken. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) bezeichnete das Verhältnis seiner Partei zu den Linken seit der Bundespräsidentenwahl als "nachdrücklich beschädigt".

Wörtlich sagte der frühere SPD-Chef zur Welt am Sonntag: "Das wird lange nachwirken. Die meisten in der SPD sind über das Agieren der Linken schlicht entsetzt".Koalitionen mit der Linken wollte Beck zwar für die Zukunft nicht ausschließen. Die Linke sei aber "alles andere als ein bevorzugter Koalitionspartner", sagte Beck.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sah durch die Haltung der Linken bei der Bundespräsidentenwahl eine rot-rot-grüne Koalition im Bund "in weite Ferne gerückt". In ihrem jetzigen Zustand sei die Linkspartei "nicht politikfähig", sagte Künast dem Tagesspiegel. "Wenn sich daran nichts Grundlegendes ändert, wird sich die Frage einer rot-rot-grünen Regierung im Jahr 2013 nicht stellen", fügte sie mit Blick auf die kommende Bundestagswahl hinzu.

Gauck und die "Schönheit der Demokratie"

SPD-Chef Gabriel verteidigte die Entscheidung, auf den Parteilosen Gauck gesetzt zu haben. Man werde auch bei kommenden Bundespräsidenten-Wahlen auf überparteiliche Kandidaten setzen. "Wenn ich in fünf Jahren noch SPD-Vorsitzender bin, werden wir jemanden präsentieren, der wie Joachim Gauck über die Parteien hinaus wirkt", sagte Gabriel dem Spiegel. Das gelte auch für den Fall, dass die SPD dann wieder eine Mehrheit in der Bundesversammlung habe.

"Joachim Gauck hat es geschafft, die Erinnerung daran wachzurufen, dass die Demokratie eine eigene Schönheit hat", sagte Gabriel. "Es erinnert uns Politiker daran, dass wir die wachsende Kluft zwischen der Bevölkerung und dem Staat dringend schließen müssen.

Zugleich legte Gabriel die Marschrichtung seiner Partei fest: Er kündigte harten Widerstand in der Energie- und Gesundheitspolitik an: "Wir werden nicht zulassen, dass mit Zustimmung des Bundesrates die Laufzeiten für alte Atommeiler verlängert werden. Wir werden nicht den Weg in die Kopfpauschale und die Drei-Klassen-Medizin zulassen." Für die kommenden Monate forderte Gabriel Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Zusammenarbeit auf.

Mit Blick auf den anstehenden Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen und die damit verbundene Blockademöglichkeit im Bundesrat sagte er: "Es gibt natürlich Dinge, über die wir uns im Vermittlungsausschuss verständigen müssen."

Als Beispiel nannte er eine bessere Finanzierung von Städten und Gemeinden. "Wir werden sehen, ob sie ein Interesse daran hat, Probleme zu lösen, oder ob sie weiterhin Probleme gar nicht erst angehen will", sagte er überdie CDU-Vorsitzende Merkel.

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