Süddeutsche Zeitung

SPD und Linke:Schlacht um die Regierungsfähigkeit

Die Linkspartei ist immer noch die Linkspartei. Die Öffnung der SPD für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis ist keiner neuen Lage geschuldet, sondern einer neuen Erkenntnis: Einen Kanzler kann die SPD nur mit der Linken als Koalitionspartner stellen.

Ein Kommentar von Daniel Brössler, Berlin

Falls jemandem über Nacht Zweifel gekommen sein sollten: Die Linkspartei ist immer noch die Linkspartei. Ein paar Kostproben gefällig? "Die Linke steht in den meisten Fragen allein gegen das Kartell der anderen Parlamentsparteien", ist in einem brandneuen Aufruf der Antikapitalistischen Linken zu lesen, einer nicht ganz unbedeutenden innerparteilichen Strömung. Aus ihrer langen Liste von Forderungen seien nur zwei erwähnt: Rente mit 60 und Abschaffung der Bundeswehr. In der Linken sind das keine Mehrheitspositionen, aber auch sie gehören zu der Partei, der sich über Nacht eine Koalitionsoption im Bund eröffnet hat.

Die Leipziger Öffnungsbeschluss der SPD ist keiner neuen Lage geschuldet, sondern einer für die Sozialdemokraten offenbar neuen Erkenntnis. Die SPD wird, das ist ihr klar geworden, keinen Kanzler mehr stellen, solange sie das Problem Linkspartei nicht gelöst hat. Wenn Sigmar Gabriel nun sagt, der Schlüssel für eine künftige Koalition liege in der Parteizentrale der Linken, so ist das nur die halbe Wahrheit. Solange die SPD so getan hat, als gebe es keine Tür, war der Schlüssel wertlos.

Der Beschluss des SPD-Parteitages hat den Blick auf die Tür nun freigegeben und auch klargestellt, welcher Schlüssel passt. Sollte sich die Linkspartei zu finanzpolitischem Realismus und außenpolitischer Vernunft entschließen, käme sie als Partner in einer rot-grün-roten Koalition in Betracht. Das ergibt Sinn. Weniger Sinn ergeben Gabriels Erläuterungen. Weil die Linken sich mitunter inhaltlich so "verrückt" aufstellten, könne kein nüchterner Sozialdemokrat auf die Idee kommen, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Ach so? Dann dürfte es auch jetzt noch keinen Öffnungsbeschluss geben. Denn die Linke ist ja immer noch die Linke.

Die SPD gewinnt einen Koalitionspartner oder verliert einen Konkurrenten

Es ist einfach so, dass die SPD mit ihrer bisherigen Strategie gegen die Wand gelaufen ist. Die Ausgrenzung hat die Linke weder verschwinden lassen noch vernünftiger gemacht. Das miserable Abschneiden der SPD und ein passables Ergebnis der Linkspartei bei der Bundestagswahl sprechen auch nicht eben für einen genialen Wahlkampfplan.

Genutzt hat das Stigma eigentlich nur der Union (die ja trotzdem vor Rot-Rot-Grün warnte) und der Linken selbst. Gregor Gysi und die Seinen konnten ungestört das Lied von der einzig wahren Opposition singen und der SPD gleichzeitig Avancen machen. Der Praxistest droht ja erst jetzt. Die bisherigen Kämpfe in der Linken werden nichts gewesen sein verglichen mit der großen Schlacht um die Regierungsfähigkeit, die der Partei nun bevorsteht.

Für die SPD geht es nicht darum, ob sie jetzt demonstrativen Einladungen der Linken folgt. Sie muss zu einem stringenten Umgang mit der Konkurrenz finden. Sie wird etwa erklären müssen, warum sie die Ex-PDS im Osten als kleineren, nicht aber als größeren Partner akzeptiert. Sollte es der SPD aber gelingen, die Linke zu stellen, kann sie nur profitieren. Entweder gewinnt sie einen Koalitionspartner oder sie verliert eine Konkurrentin.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2013/sks
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