Süddeutsche Zeitung

SPD und Katharina Saalfrank:Alles für die Kleinen

Was brauchen Kinder? Für diese Frage setzt die SPD auf "Super Nanny" Katharina Saalfrank. Bei deren ersten Wahlkampf-Auftritt zeigt sich: Es ist ein Handy-Foto.

Nico Fried und Dirk Graalmann

Die Politik, sagt Katharina Saalfrank, sei ihr zu abstrakt. "Zu viel Papierkram", und außerdem dauere es Jahre, bis etwas umgesetzt werde. "Ich bin lieber praktisch dabei." Die Praxis kann das SPD-Mitglied Katharina Saalfrank, besser bekannt als die "Super Nanny" aus der RTL-Sendung, dann am Montag auf der ersten Station ihrer Werbe-Tour mit SPD-Generalsekretär Hubertus Heil im Bürgerhaus Velbert begutachten. 150 Menschen sind gekommen zum Auftakt der SPD-Reihe "Bildung und Familie: Was brauchen unsere Kinder?"

Die Kinder in Velbert brauchen vor allem ein Handy-Foto von der Super Nanny. Als die 38-jährige Diplompädagogin, selbst Mutter von vier Söhnen, den Raum betritt, juchzen die Jugendlichen vor lauter Aufregung, die Fernseh-Prominente mal leibhaftig zu sehen. Und Heil steht zufrieden daneben.

So viel Begeisterung spürt er derzeit selten. Acht solcher gemeinsamer Auftritte in fünf Bundesländern sind bis Ende Juli vereinbart. Saalfrank möchte keineswegs Politikerin werden, sondern herausfinden, "ob Politik in petto hat, was Familien brauchen". Für die SPD, so sagt es Heil, sei dies eine Gelegenheit ihr familien- und bildungspolitisches Programm "zu erden und das, was wir vorhaben, abzugleichen mit der Lebenswirklichkeit der Menschen".

In der Realität von Velbert wollen die Menschen etwas über den Ausbau der Kinderbetreuung, die Studiengebühren und die Vermittlung von Medienkompetenz wissen. Über nichts aber diskutieren sie so ausdauernd wie über den Sinn des TV-Formats der "Super-Nanny", in dem Saalfrank unter Kamerabeobachtung Familien aufsucht, in denen die Eltern Schwierigkeiten bei der Erziehung ihrer Kinder haben.

Werden Kinder und Familien, so argwöhnen manche, in diesem Format nicht bloßgestellt? Es sei "eine ständige Gratwanderung", sagt sie.

Die 90 Minuten in Velbert sind eine Gratwanderung der SPD; ein Versuch, komplexe Politikansätze mit dem Glanz prominenter Namen zu verbinden. Heil behauptet, mit Wahlkampf habe das eigentlich nichts zu tun, sondern "mit der Sache". Saalfrank ist der Star; und Heil fügt sich. Der Generalsekretär, ansonsten mit markigen Worten unterwegs, gibt den Stichwortgeber, nickt ausdauernd und immerzu verständnisvoll.

So plätschert der Plausch gemütlich dahin, bis die Gastgeberin und SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese auf Bitten von Heil das SPD-Programm von mehr und besserer Kinderbetreuung, offenen Ganztagsschulen und kostenloser Bildung durchdekliniert hat.

Da stellt Moderator Heil, wie er findet, "die fiese Frage: Wie will die SPD das alles denn bezahlen?" Und Griese antwortet entwaffnend ehrlich: "Das muss doch der Generalsekretär wissen." Tut er auch, aber dann berichtet doch Griese vom geplanten "Bildungs-Soli" der SPD durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent, und fragt schmunzelnd: "Ist das richtig, Herr Generalsekretär?"

Heil schließt kurz die Augen, dann nickt er. Der Generalsekretär wirkt zufrieden. Entsprechend gelöst betont er am Ende des Abends, dass "dies nur ein Anfang sein kann. Aber wir nehmen die Erkenntnis mit, das dieses Thema in die Mitte der Gesellschaft gehört".

Das wusste die SPD natürlich schon vor allen anderen. Letztlich, sagt Hubertus Heil, führe die CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen ja nur das fort, was ihre SPD-Vorgängerin Renate Schmidt längst angestoßen hatte. Ganz ohne die Hilfe der Super-Nanny.

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SZ vom 07.07.2009/bavo
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