SPD und Grüne erneuern Kritik:Oettinger-Erklärung kann Gemüter nicht beruhigen

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Ministerpräsident Oettinger hat nach tagelanger Kritik die Wirkung seiner Trauerrede bedauert und von "Missverständnissen" gesprochen. Grünen-Chefin Roth und SPD-Generalsekretär Heil reicht das nicht.

Die SPD kritisierte die Erklärung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) zu dessen umstrittener Filbinger-Rede scharf. "Diese Erklärung ist unzureichend", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil der Bild am Sonntag laut Vorabmeldung.

"Der Respekt vor den Opfern der Nazis verlangt, dass er seine Äußerung, Herr Filbinger sei ein NS-Gegner gewesen, zurücknimmt. Die geschichtliche Wirklichkeit darf nicht verzerrt werden", erklärte Heil.

Auch die Grünen-Chefin Claudia Roth fordert eine eindeutige Entschuldigung Oettingers, nachdem er auf die Empörung über seine Trauerrede für seinen Vorgänger Hans Filbinger reagiert hatte.

Grünen-Chefin Roth: "Kann sich nicht herausreden"

Oettinger könne sich jetzt nicht herausreden, sagte Roth der Welt am Sonntag. "Seine Worte zu Filbinger waren eindeutig und keinesfalls missverständlich", erklärte sie. Sie erwarte von Oettinger deshalb eine ebenso eindeutige Klarstellung und eine deutliche Entschuldigung.

Oettinger habe die historischen Fakten verdreht und die Rolle Filbingers während des Nationalsozialismus verharmlost und relativiert. "Das ist Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen", sagte Roth der Zeitung.

"Och frage mich, wie jemand mit einem solchen Geschichtsverständnis noch Ministerpräsident in Baden-Württemberg sein und glaubwürdig gegen Rechtsextremismus eintreten kann."

Nach tagelanger massiver öffentlicher Kritik wegen der Trauerrede für seinen Amtsvorgänger Hans Filbinger hatte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) am Samstag in einem Offenen Brief "Missverständnisse" bedauert.

Eindruck nicht gewollt

Zugleich wies er Vorwürfe zurück, er habe mit der Würdigung für den ehemaligen Landeschef die Nazi-Diktatur relativieren wollen. "Ein solcher Eindruck war von mir in keiner Weise gewollt. Soweit Missverständnisse in dieser Hinsicht entstanden sind, bedauere ich dies ausdrücklich", äußerte der Regierungschef in einer Erklärung, die der der Presseagentur dpa vorlag.

An seine Kritiker gewandt, versicherte Oettinger: "Ihre Reaktion auf meine Trauerrede für Hans Filbinger bewegt mich, und ich nehme Ihre Kritik sehr ernst."

Allerdings sei die Rede "in erster Linie an die Familie des Verstorbenen und an die Trauergemeinde, darunter eine große Zahl von langjährigen Freunden und Weggefährten", gerichtet gewesen.

Bei derartigen Anlässen gehöre es zu den Gepflogenheiten, "Verdienste und das Lebenswerk des Verstorbenen positiv zu würdigen und ihm die schwierigen Phasen seines Lebens - ohne sie zu verschweigen - nicht nachzutragen."

Massive Kritik an Oettinger

Oettinger hob hervor, für die Landesregierung, für die CDU Baden-Württemberg und ihn selbst sei es selbstverständlich, "dass wir uns zu unserer historischen Verantwortung bekennen".

Oettinger hatte Filbinger bei der Trauerfeier am Mittwoch bescheinigt, er sei "kein Nationalsozialist" gewesen, sondern "ein Gegner des NS-Regimes". Daraufhin erhob sich ein Sturm der Entrüstung.

Die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, tadelte den Stuttgarter Ministerpräsidenten öffentlich. SPD und Grüne erhoben massive Vorwürfe. Bei ihrem Länderrat in Bremen stellten die Grünen den Verbleib Oettingers im Amt in Frage. Die Rede sei "ein schlimmes Beispiel für Verharmlosung, Schönreden und von Geschichtsklitterung", heißt es in einer Resolution.

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sowie der Zentralrat der Juden verlangten von Oettinger eine Entschuldigung bei den Opfern des Nationalsozialismus und den Hinterbliebenen der Soldaten. Thierse nannte Oettingers Äußerungen "peinlich bis dreist".

Die FDP als Koalitionspartner im Land ging deutlich auf Distanz. FDP-Chef Guido Westerwelle forderte die Union zur klaren Distanzierung von jedem Versuch auf, die NS-Vergangenheit Filbingers zu beschönigen. "Ich hoffe, dass die Union in dieser Frage bei sich selbst schnell Klarheit schafft", sagte er der dpa.

Reaktionen in der CDU

Das durch seine Suche nach untergetauchten Nazi-Verbrechern international bekannte Simon-Wiesenthal-Zentrum hatte Oettingers Rücktritt gefordert.

Am Tag nach der Rede hatte Oettinger sich zunächst unbeeindruckt von der Protestwelle gezeigt und in einem Radiointerview lediglich erklärt: "Meine Rede war öffentlich, ernst gemeint und die bleibt so stehen."

In seiner eigenen Partei gingen die Reaktionen auf die Trauerrede weit auseinander. Baden-Württembergs CDU-Landesgruppenchef im Bundestag, Georg Brunnhuber, lobte Oettingers Worte sogar als "Meisterprüfung". Er wies die Kritik Merkels im Namen der CDU-Abgeordneten aus dem Südwesten verärgert zurück.

Innenminister Heribert Rech (CDU) und der Generalsekretär der Südwest-CDU, Thomas Strobl nahmen Oettinger ebenfalls in Schutz und wiesen auf den persönlichen Charakter der Rede hin. Die Vize-Vorsitzende der Jungen Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Julia Klöckner, nannte Merkels Rüge hingegen "gut für die Partei".

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