Süddeutsche Zeitung

SPD-Steuerpläne:"Steuerliche Folterinstrumente"

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Der verblüffende Vorschlag der SPD, für den Verzicht auf eine Steuererklärung einen 300-Euro-Bonus zu gewähren, sorgt für Aufregung: FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms erklärt im Interview mit sueddeutsche.de, ob die Sozialdemokraten noch als Koalitionspartner taugen - und warum die Roten die Wahl nicht gewinnen werden.

Jonathan Stock

Dr. Hermann Otto Solms ist Schatzmeister und finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion - außerdem seit 1998 Vizepräsident des Deutschen Bundestages.

sueddeutsche.de: Herr Solms, die SPD diskutiert heute über einen Lohnsteuerbonus von 300 Euro für alle Steuerzahler, die auf ihre Steuererklärung verzichten und keine weiteren Einkünfte haben. Was halten Sie von dem Vorschlag?

Hermann Otto Solms: Das ist ein Beispiel für den Missbrauch des Steuerrechts, um die bevorstehenden Wahlen zu beeinflussen. Wir müssen endlich Abstand davon nehmen, durch Einzelmaßnahmen in die Finanzen der Bürger einzugreifen. Wir brauchen ein für alle gleichmäßig gültiges Steuerrecht ohne Ausnahmen. Nur so ist Steuergerechtigkeit herzustellen.

sueddeutsche.de: Also alles nur Wahlkampfgetöse ohne Substanz?

Solms: Das ist ein teures Wahlgeschenk, das am Ende die Steuerzahler selbst bezahlen müssen.

sueddeutsche.de: Immerhin eine Strategie die bei vielen kleinen Steuerzahlern funktionieren könnte.

Solms: Unsystematische Einzelmaßnahmen verwirren die Steuerzahler und zerstören bereits verlorengegangenes Vertrauen zusätzlich. So wird man eine Wahl nicht gewinnen können.

sueddeutsche.de: Allerdings fordert die SPD ja nicht nur einen Steuerbonus für kleine Steuerzahler, sondern auch eine erhöhte Reichensteuer, die Einführung einer Börsenumsatzsteuer, Vermögenssteuer und eine Erhöhung der Erbschaftssteuer.

Solms: Das macht alles keinen Sinn. Die Wirtschaft kann nicht in Gang kommen und Wachstum erzeugen, wenn leistungsbereite Arbeitnehmer und mittelständische Investoren mit immer neuen steuerlichen Folterinstrumenten bedroht werden.

sueddeutsche.de: Mit einer Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer wollen die Sozialdemokraten rund drei Milliarden Euro aufbringen, um den Lohnsteuerbonus zu finanzieren. Unter der Regierung Kohl ist diese Steuer 1991 abgeschafft worden. Die richtige Entscheidung?

Solms: Wir waren froh, die Börsenumsatzsteuer endlich vom Tisch zu haben. Seit sie abgeschafft worden ist, hat die Deutsche Börse einen unerwarteten Aufschwung genommen und ist heute die am höchsten bewertete Börse der Welt. Damit kann die Deutsche Börse heute ihrer Aufgabe, die Wirtschaft mit Eigenkapital zu versorgen, wesentlich besser gerecht werden. Daran darf sich nichts ändern!

sueddeutsche.de: Die SPD hat versprochen, die Lohnzusatzkosten zu senken. Inzwischen heißt es, inmitten der Konjunkturkrise sei das zu teuer. Was bedeutet das für den Standort Deutschland?

Solms: Die Lohnzusatzkosten zu senken ist richtig. Dieses durch Steuererhöhungen zu finanzieren ist dagegen falsch. Denn dadurch wird das Nettoeinkommen der Bürger nicht verbessert. Für den Aufschwung müssen wir aber Bürger und Unternehmen entlasten. Dies geht nur durch eine grundsätzliche Steuerreform.

sueddeutsche.de: Was wäre das für eine grundsätzliche Reform?

Solms: Das Steuerrecht vereinfachen und alle Ausnahmen kategorisch beseitigen. Dazu gehört ein Drei-Stufen-Tarif für alle, der alle Steuerzahler entlastet. Außerdem müssen wir zur Senkung der Sozialabgaben die sozialen Sicherungssysteme und die Bundesagentur für Arbeit effizienter organisieren.

sueddeutsche.de: Hat sich die SPD als möglicher Koalitionspartner für die FDP mit diesen finanzpolitischen Vorschlägen disqualifiziert?

Solms: Wir müssen abwarten, was der SPD-Parteitag letztendlich als Wahlprogramm beschließt. Die jetzt diskutierten Vorschläge erschweren eine Zusammenarbeit zwischen FDP und SPD.

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