Steinmeier und Gabriel in Berlin:Comeback eines Kanzlerkandidaten

Nach acht Wochen politischer Abstinenz präsentiert sich Frank-Walter Steinmeier an der Seite von SPD-Chef Gabriel in guter Verfassung. Der direkte Vergleich macht deutlich, dass die Frage der Kanzlerkandidatur längst entschieden sein könnte.

T. Denkler, Berlin

Schmaler ist er geworden. Vielleicht wirkt das auch nur so neben dem etwas fülligeren Sigmar Gabriel. Der soll aber auch abgenommen haben in seinem ersten Jahr als Parteichef der SPD.

Steinmeier Gabriel

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (re.) steht hoch im Kurs bei den Wählern - höher als sein Parteichef Sigmar Gabriel (li.)?

(Foto: dpa)

Er und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sind in die Bundespressekonferenz gekommen, um der Öffentlichkeit ihre Sicht auf die schwarz-gelbe Regierungsarbeit der vergangenen zwölf Monate näher zu bringen. Es ist aber auch der erste große Auftritt von Steinmeier, seit er sich vor acht Wochen für seine kranke Frau Elke Büdenbender eine Niere hat herausoperieren lassen. Dieser Auftritt soll also auch so etwas wie ein Fitnessnachweis des früheren Außenministers und Kanzlerkandidaten der SPD sein.

"Nach acht Wochen Abwesenheit melde ich mich gesund und munter zurück", beginnt Steinmeier. "Mir und meiner Frau geht es gut." Die Transplantation sei gelungen. Er hat die Ellenbogen abgewinkelt, als er das sagt, was ihn breiter erscheinen lässt, mächtiger, präsenter.

Pflichtschuldig bedankt er sich, bei den vielen Menschen, die ihn unterstützt hätten in den vergangenen Wochen. Auch bei den Medien, die eine "verantwortungsvolle Diskussion über Organspende wiederbelebt hätten. Und auch dafür, und da spricht er die versammelten Hauptstadtjournalisten direkt an, dass "Sie meinen Wunsch nach Zurückhaltung ernst genommen haben". Das gehöre für ihn zu den "guten Erfahrungen dieser letzten acht Wochen".

Das solle es dann aber auch gewesen sein mit der Selbstbetrachtung. Steinmeier ist hier, um die Regierung auseinanderzunehmen. Wie kaum anders zu erwarten war, fällt seine Generalabrechnung gründlich aus. Unernst, unvorbereitet, dreist sei die Regierung im ersten Amtsjahr vorgegangen. Sie habe Versprechen gebrochen, Lobbyinteressen bedient. Es werde sich gestritten "wie die Kesselflicker". Wirtschaftsminister Brüderle gegen Umweltminister Röttgen. Verkehrsminister Ramsauer gegen Brüderle und Röttgen. Außenminister Westerwelle gegen Kanzlerin Merkel. Und CSU-Chef Seehofer gegen alle. Die angeblichen Traumpartner seien für viele Menschen "zum Albtraum geworden".

Erinnerungen an Schröder und Lafontaine

Steinmeier knüpft an, wo er vor acht Wochen aufgehört hat. Als respektierter, wenn auch nicht unbedingt gefürchteter Oppositionsführer. Was er sagt, liest sich härter als es aus seinem Munde klingt. Früher schröderte er, dass einem die Ohren klingelten. Heute steinmeiert er alles weg. Als er darüber spricht, wie die Bundesregierung versucht, den Aufschwung fälschlicherweise für sich zu verbuchen, da hätte er Brüderles Bild vom XXL-Aufschwung als Vorlage nutzen können. Stattdessen lässt er den Satz im Nichts verdampfen: "Brüderles Aufschwung XXL, das ist Werbesprech, das ist großspurig." Ach so.

Dennoch: Steinmeier ist - nicht zuletzt weil er seiner Frau eine seiner Nieren gespendet hat - hoch im Kurs bei den Wählern. Er ist der zurzeit beliebteste Politiker der SPD. Er liegt nicht allzu weit hinter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Der wird bereits zum Nachfolger von Merkel im Kanzleramt hochgeschrieben, sollten die kommenden Landtagswahlen so desaströs für die CDU enden, wie die Umfragen nahelegen. Ist also der seriöse Steinmeier im Fall der Fälle die richtige Alternative zum Baron zu Guttenberg, wird Gabriel gefragt. "In jeder Hinsicht beantworte ich das mit ja", sagt dieser. Dass Steinmeier auch tatsächlich der nächste Kanzlerkandidat der SPD wird, hat er damit allerdings noch nicht gesagt.

Gabriel hält sich auffallend zurück. Auch er greift die Regierung an, allerdings von einer höheren Warte aus. Während Steinmeier sich Punkt für Punkt an der schwarz-gelben Politik abarbeitet, geht es Gabriel um das Große und Ganze, den Zusammenhalt in der Gesellschaft, neue Fortschrittsvisionen. Sie wollen sich hier auf keinen Fall in die Quere kommen. Nicht, nachdem sie in der SPD-internen Debatte um die Rente mit 67 den Eindruck erweckten, als stünde der Fraktionschef gegen den Parteichef und umgekehrt.

"Na Gott sei Dank!"

An diesem Vormittag soll es aussehen, als passe kein Blatt Papier zwischen die beiden. Das hatten zwei andere auch schon mal von sich behauptet: Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine. Im Vorfeld der Bundestagswahl 1998 war das. Das Gelöbnis überdauerte bekanntlich nicht einmal das erste Regierungsjahr.

Diesmal aber scheint die Nähe nicht gespielt zu sein. Gabriel erzählt die Anekdote, dass Steinmeier ihm in seinem Garten vor vielen Jahren den niedersächsischen Haushalt erklärte habe - beide in kurzen Hosen. Das sei ein Bild, plaudert Gabriel, das Fotografen heute so nicht mehr hinbekämen. "Na, Gott sei Dank!", bemerkt ein Journalist trocken: Steinmeier und Gabriel lachen spontan mit. Vielleicht hat Schröder und Lafontaine diese Art von Humor im Umgang miteinander gefehlt.

Weniger lustig finden sie die ständigen Fragen nach der Stärke der Grünen. Ob es vorstellbar sei, dass die SPD in Berlin oder in Baden-Württemberg als Juniorpartner der Grünen mitregiert, ist eine in verschiedensten Modulationen gestellte Frage. Gabriel will darauf nicht mehr sagen, als dass sich diese Frage erst nach einer Wahl stelle. Nicht im Wahlkampf.

Er ist genervt. "Wenn Sie von mir ein paar intelligente Antworten haben wollen, dann unterfordern Sie mich nicht", verlangt er. Es ist wohl genau diese Tonlage, mit der Gabriel dem Ruch Nahrung gibt, unseriös zu sein. In solchen Momenten scheint die Frage, wer von beiden von der Partei als Kanzlerkandidat aufgestellt wird, längst entschieden.

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