SPD: Steinmeier mutlos:Hinter dem Horizont geht's weiter

SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier auf Presse-Tour: Er gibt sich seriös - und mag nicht verstehen, dass das dem Wähler wohl nicht reicht.

Thorsten Denkler, Berlin

Die Hände sind auf die Stuhllehnen rechts und links gestützt. Er lächelt. Er gibt sich entspannt, als hätte er gerade sechs Saunagänge hinter sich.

SPD: Steinmeier mutlos: Außenminister Frank-Walter Steinmeier gibt sich gelassen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier gibt sich gelassen.

(Foto: Foto: ddp)

Dabei hätte Frank-Walter Steinmeier allen Grund, sich etwas aufgeregter - oder energischer - zu zeigen. Der Sozialdemokrat will Kanzler werden, das sagt er zumindest andauernd. Wobei, so deutlich sagt er das auch nicht mehr: Die Zielvorgabe, die der Außenminister an diesem Vormittag in der Bundespressekonferenz formuliert, sieht eine möglichst starke SPD vor, die eine Regierung führen könnte.

Das sind ja mal ganz neue Aussichten! Wenn das Mut ist, dann ist eine Sandburg am Ostseestrand eine Festung.

Ganz kurzfristig hat Steinmeier zu dieser Pressekonferenz geladen. Thema: "aktuelle Themen". Pressekonferenzen dieser Art sind immer mittlere Großveranstaltungen im politischen Hauptstadtbetrieb. Legendär die Gerd-Shows, die Gerhard Schröder hier zu seinen Zeiten als Medienkanzler aufgeführt hat. Bei diesen Aufführungen teilte der Profi süffisant nach links und rechts aus.

Davon ist sein langjähriger Helfer Steinmeier weit entfernt. Er will da auch gar nicht hin. Er ist Kanzlerkandidat, kein Showman. Die Showbühne gehört an diesem Dienstag ohnehin eher der Formel-1-Legende Michael Schumacher, der sein Comeback absagen musste. Es ist auch Pech für Steinmeier, dass die Dienstwagen-Affäre der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Kampagne zur Bundestagswahl störte.

Der Kandidat fordert das Glück aber auch nicht gerade heraus. So beginnt die Pressekonferenz mit den Themen des Außenministers. Zum Entführungsschiff Hansa Stavanger sagt Steinmeier, das sei jetzt kein Grund, eine Debatte über eine Grundgesetzänderung vom Zaun zu brechen, wie es Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) mache. Und zur Lage auf der Ferieninsel Mallorca nach den Anschlägen der Eta verkündet er: Nein, es werde diesbezüglich keine Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes geben. "Mallorca ist nicht Somalia oder der Gaza-Streifen", sagt Steinmeier.

Wer danach gepfefferte Angriffe auf die Kanzlerin oder wenigstens krachende Attacken gegen die Union erwartet hatte, musste nach der gut einstündigen Vorstellung enttäuscht wieder gehen. Mancher Journalist hatte Mühe, ein Gähnen zu unterdrücken, als Steinmeier über die Vorzüge seines "Deutschland-Plans" referierte oder die Bedeutung von Alternativen bei Wahlen für die Demokratie analysierte.

Zwei Dinge immerhin scheinen Steinmeier bei der öffentlichen Reflexion seines "Deutschland-Plans", der Vollbeschäftigung bis 2020 in Aussicht stellt, doch emotional herausgefordert zu haben. Richtig "geärgert" habe er sich über Kommentatoren, die das Ziel Vollbeschäftigung schon als unrealistisch abgetan hätten, bevor sie das Papier und seine Rede dazu überhaupt erfasst hatten, wettert Steinmeier. Was ihn dann noch umtreibt, scheint die Reaktion der CDU zu sein: Die verspürt offenbar wenig Lust, auf seinen kongenialen Plan überhaupt zu reagieren.

Die Union betreibe Politik ohne Anspruch, ohne Richtung, sie wolle die Öffentlichkeit einlullen, den Wahlkampf überhaupt nicht beginnen lassen, analysiert Steinmeier: "Respekt vor dem Wähler kommt dabei nicht zum Ausdruck."

Ein Journalist bemerkt, dass der Kandidat den Namen seiner Hauptgegnerin, nämlich Bundeskanzlerin Angela Merkel, mal wieder nicht erwähnt habe. Steinmeier kommentiert: "Frau Merkel ist die Parteivorsitzende der CDU. Was ich zur CDU gesagt habe, trifft sie auch." Wenn das beim Wähler auch so ankommt!

Den Vorwurf, er führe nicht den Wahlkampf eines echten Herausforderers, lässt Steinmeier nicht gelten. Die CDU habe offenbar vor, möglichst keinen Wahlkampf zu führen und am Ende mit der Kanzlerin im Rheingoldexpress durch das Land zu tingeln. "Das wird nicht reichen", glaubt der SPD-Politiker: "Bisher entzieht sich die andere Seite einer Debatte. Ich will sie."

Das Problem ist: Der Zug rollt, und Steinmeier sitzt nicht drin. Die Union hat mit ihrer Strategie des passiven Spiels offenbar Erfolg - zumindest liegt sie in der Wählergunst weit vorne. Während Steinmeier erklären muss, dass auch er sich bessere Umfragewerte für die SPD wünsche. Ja, er werde jetzt hart daran arbeiten werde, diese zu ändern.

Steinmeier verweist darauf, dass sich 60 Prozent der Wähler noch nicht entschieden hätten. Ein Reporter bemerkt daraufhin ironisch, dass das ja wohl meist ein Argument von jenen war, die am Ende die Wahl verloren hätten.

Ein Boxer, der auf einen Punktsieg setzt

Eine Reporterin fragt später, ob er verstehen könne, dass noch immer viele Menschen nicht wüssten, warum Steinmeier nun eigentlich Kanzler werden wolle? Seine schmallippige Antwort. "Nein, das kann ich nicht verstehen."

Womöglich liegt genau darin sein Problem. Steinmeier benimmt sich im Kampf ums Kanzleramt wie ein Boxer, der Weltmeister werden will, aber im alles entscheidenden Fight auf einen technisch sauberen Punktsieg setzt - während der Champ nur ein wenig hin und her tänzeln muss, um Champ zu bleiben.

Der SPD-Kandidat aber glaubt nicht, dass die Menschen einen Kämpfer Steinmeier sehen wollen. Die Stimmung, die ihm bei seinen Reisen durchs Land entgegenschlage, fasst er so zusammen: "Endlich, endlich mal einer, der nicht das allgemeine Krisenlamento fortsetzt, der über den Horizont hinausdenkt."

Hinter dem Horizont geht es also weiter - aber die Bundestagswahl zu gewinnen, das ist eine ganz und gar irdische Herausforderung.

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