SPD-Spitzenkandidat Woidke in Brandenburg:Eine Sorge treibt den Schattenboxer um

Brandenburgs SPD-Regierungschef Dietmar Woidke könnte es sich bequem machen, er liegt in Wahlumfragen klar vorn. Anstatt ihn herauszufordern, kämpfen seine Kontrahenten gegeneinander - oder demontieren sich selbst. Einen schwer zu packenden Gegner fürchtet der Favorit allerdings.

Von Jens Schneider

Dietmar Woidke könnte es sich bequem machen, schon seit Wochen eigentlich. In Brandenburg zweifelt niemand daran, dass der 52 Jahre alte Sozialdemokrat aus Forst in der Lausitz nach dem Wahlsonntag Ministerpräsident bleiben wird. Seine SPD liegt in Umfragen klar vorn.

Besonders groß ist sein persönlicher Vorsprung vor denen, die man Herausforderer nennen dürfte, wenn sie Woidke denn herausgefordert hätten. Doch weder Christian Görke, Chef der bisher zweitstärksten Linkspartei, noch CDU-Spitzenkandidat Michael Schierack haben es ernsthaft darauf ankommen lassen. Sie kämpfen lieber gegeneinander und werben um die Gunst, an Woidkes Seite zweiter Mann sein zu dürfen. Geradezu grotesk wirkte es, wie beide sich bei der Spitzenrunde im Fernsehen vor der Wahl angifteten, während der groß gewachsene Woidke heiter über ihr Gezänk hinwegblickte.

Dietmar Woidke

In Brandenburg zweifelt niemand daran, dass Dietmar Woidke (SPD) Ministerpräsident bleiben wird.

(Foto: dpa)

Wie ein Schattenboxer dürfte sich der Regierungschef in diesem Wahlkampf ohne sichtbaren Gegner gefühlt haben. Die Kontrahenten blieben Kandidaten ohne Profil. Woidke absolvierte dennoch einen Veranstaltungsmarathon. Er tourte durch Eberswalde, Glindow und Perleberg, kurz: tingelte durch die Provinz, und widmete sich einem anderen, gesichtslosen Gegner, der schwer zu packen ist: Es ist das Desinteresse, die große Wahlmüdigkeit. Die Bürger sollten am Wahltag, warnte Woidke, bitte nicht zu Hause bleiben, nur "weil es aussieht, als wäre alles entschieden".

Eine geringe Wahlbeteiligung könnte Woidke schaden

Eine geringe Wahlbeteiligung könnte tatsächlich dem Favoriten schaden, für seine Hauptkonkurrenten dürfte vor allem die AfD zu einer Gefahr werden. Geführt vom früheren CDU-Mitglied Alexander Gauland, einem 73-jährigen Publizisten aus Potsdam, setzt die junge Partei auf Themen wie die Asylpolitik, innere Sicherheit, die zunehmende Grenzkriminalität. An der Grenze Brandenburgs zu Polen holte die AfD bei den Kommunal- und Europawahlen im Mai besonders viele Stimmen.

Auch CDU-Chef Michael Schierack, 47, wollte mit solchen Themen punkten. Er warf SPD und Linken, die seit fünf Jahren gemeinsam regieren, vor, sie hätten die Ängste und Sorgen der Bürger der Grenzregion ignoriert und der AfD den Weg bereitet. Mit solchen Tönen könnte er freilich der AfD noch geholfen haben.

Schierack ist ein angesehener Arzt aus Cottbus, der als Politiker bis ins Wahlkampffinale hinein mit seiner Rolle fremdelte, ein Polit-Lehrling. Er ist erst seit 2009 im Landtag, seit 2012 Vorsitzender der lange von Querulanten geprägten Brandenburger CDU, die sich zuletzt aber brav hinter dem kauzigen Orthopäden vereinte. Spott löste sein Auftritt in der TV-Runde aus. Er wurde gefragt, wie er bei Konflikten reagiere: abtauchen oder putschen? "Abtauchen", lautete seine wohl ehrliche, aber unüberlegte Antwort; die Konkurrenz griente.

Immerhin hat Schierack deutlich weniger zu verlieren als sein Konkurrent von der Linken. Es sah sogar mal so aus, als könne er nur gewinnen: Seine CDU erzielte 2009 schwache 19,8 Prozent. Im vorigen Herbst gewann sie bei der Bundestagswahl neun der zehn Wahlkreise, ein Warnsignal für die SPD. Doch inzwischen ist Schierack wieder nur einer der Verfolger.

Der Linken-Vorsitzende Christian Görke aus Rathenow, einst Lehrer für Sport und Geschichte, steht indes wohl vor einem schwierigeren Wahltag. Ob nun als PDS oder Linke: Wann immer seine Partei in einem Land mitregierte, zahlte sie dafür mit Stimmeinbußen und bald dem Verlust der Macht.

Die rot-rote Regierung kann eine beachtliche Bilanz vorweisen

SPD-Spitzenkandidat Woidke in Brandenburg: SZ-Grafik: Bucher; Quelle: Landeswahlleiter Brandenburg

SZ-Grafik: Bucher; Quelle: Landeswahlleiter Brandenburg

In Brandenburg war man im Frühsommer zuversichtlich, dass es diesmal anders sein würde als zuvor in Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern. Die rot-rote Regierung kann eine beachtliche Bilanz vorweisen. Man liegt beim Wirtschaftswachstum bundesweit mit vorn, die Arbeitslosenrate sank auf neun Prozent, beachtlich für Brandenburger Verhältnisse. Als Glanzstück gilt die solide Haushaltspolitik, unter einem Finanzminister der Linken, seit Jahresanfang ist es Görke. Vier Jahre lang wurden keine neuen Schulden aufgenommen, zuletzt sogar Schulden zurückgezahlt.

Nur ist fraglich, ob auf Protest erpichte Stammwähler der Linken sich darüber so sehr freuen. Für einen Teil scheint die AfD attraktiv zu sein, die - wie einst die Linke - das Unbehagen über den Lauf der Dinge bündelt. Andere frühere Anhänger könnten der Linken fehlende Standfestigkeit bei einem Herzensthema anlasten. Die Linke hatte sich eigentlich zum Ziel gesetzt, dass Brandenburg mittelfristig die ökologisch hochbedenkliche Braunkohleförderung beendet. Im Frühjahr setzte sich die Linie der SPD durch: In der Lausitz sollen weitere Dörfer abgebaggert werden.

Die Grünen setzen auf den Unmut über Fluglärm

Auf den Unmut darüber setzen nun die Grünen, auch auf Proteste gegen Massentierhaltung und den Fluglärm, den die Menschen im Speckgürtel um Berlin fürchten, sollte der Hauptstadtflughafen jemals eröffnet werden. Auf die Stimmen der Vorstädte rund um Berlin und aus Potsdam werden die Grünen angewiesen sein, um wieder in den Landtag zu kommen. An eine Regierungsbeteiligung denken sie nicht, es würde mit keiner der großen Parteien dazu reichen, weder arithmetisch noch inhaltlich. Als erledigt gilt bei Umfragewerten unter drei Prozent die FDP.

So dürfte Woidke nach der Wahl zwischen zwei Bräuten wählen können. Er hat sich nicht festgelegt. Der bodenständige Lausitzer, ein studierter Agraringenieur, ist als eher konservativer Sozi bekannt, nicht als Freund der Linken. Aber er regierte mit ihren Ministern harmonisch. Und er weiß, dass es bei der CDU mehr potenzielle Quertreiber gibt, die das Regieren schwer machen könnten. Die Fortsetzung von Rot-Rot gilt damit als wahrscheinlicher. Aber das hänge, so heißt es bei der SPD, vom Ergebnis ab. Woidke hat es gern verlässlich.

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