Süddeutsche Zeitung

SPD-Sozialpolitikerin:Auftritt: Manuela Schwesig

Sie ist Ministerin in Mecklenburg-Vorpommern und gilt als Gegenbild von Ursula von der Leyen. Mit ihrer Rolle in Steinmeiers SPD-Schattenkabinett geht Manuela Schwesig bisher souverän um.

Nico Fried

Es ist gerade mal sieben Jahre her, als ein Bekannter ihres Mannes eines Abends Manuela Schwesig einlud, in Schwerin an einer Ortsvereins-Sitzung der SPD teilzunehmen. Ein solches Erlebnis kann für einen jungen Menschen durchaus prägend sein, wenn auch selten in der Weise wie für Schwesig: Sie trat der SPD bei, landete bald darauf im Kreisvorstand, ein Jahr später im Stadtparlament, wo sie zur Fraktionsvorsitzenden aufstieg. Sie wurde in den SPD-Landesvorstand gewählt und 2008 vom neuen Regierungschef Erwin Sellering zur Ministerin für Soziales und Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern berufen.

Noch kein ganzes Jahr im Amt, ist für Schwesig nun eine weitere Aufgabe dazugekommen: Im Wahlkampf-Team von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier ist die 35-Jährige für die Familienpolitik zuständig. Schwesig soll das Gesicht sein, das die SPD auf diesem Gebiet nicht mehr hatte, seit Familienministerin Renate Schmidt ihr Büro 2005 an Ursula von der Leyen von der CDU übergeben musste.

Gar nicht spröde

Vor ein paar Wochen kam der Anruf Steinmeiers, der sie, wenn man Schwesig richtig versteht, um ihre Unterstützung bat, noch bevor er sie überhaupt persönlich kennengelernt hatte. Eine Nacht hat sie darüber geschlafen und dann zugesagt.

Wenn ein Kanzlerkandidat, dem ein, nun ja, gedämpftes Temperament und eine eher spröde Ausstrahlung zu eigen sind, mit einer jungen, attraktiven Frau eine politische Verbindung eingeht, dann darf man schon mal unterstellen, dass zumindest nicht ausschließlich ihre mögliche Kompetenz ausschlaggebend war.

Tatsächlich erkannte die Bild-Zeitung in Schwesig prompt das hübscheste Gesicht des bevorstehenden Wahlkampfs, was eine der wenigen positiven Schlagzeilen für die SPD in den vergangenen Wochen war. Schwesig selbst geht mit dieser Wahrnehmung souverän, fast fröhlich um: Zum einen sei Steinmeier aus ihrer Sicht kein Langweiler, sondern "ein Klasse-Typ", sagt sie. Zum anderen sei sie sich "ziemlich sicher, dass ich das Team auch inhaltlich bereichern werde".

Sehr unaufgeregt

Bisweilen wirkt Schwesig für so einen Wahlkampf fast noch ein wenig zu unaufgeregt. Den großen Auftritt wie ihn von der Leyen inszenieren kann, wird sie noch üben müssen. Freundlich beantwortet sie alle Fragen, hält sich eisern an das Wahlprogramm der SPD und hie und da auch an die Sprechblasen der Parteioberen.

Sehr schnell war Schwesig als die Gegenspielerin der SPD für von der Leyen etikettiert. "Ich definiere mich nicht gegen Frau von der Leyen", sagt sie selbst dazu. Das dürfte taktisch auch vernünftig sein, schließlich beschwerte die SPD sich in den vergangenen Jahren stets, dass die CDU-Ministerin sozialdemokratische Ideen kopiere. Auf von der Leyen und ihrer Politik rumzuhacken wäre deshalb eher unglaubwürdig.

Trotzdem gibt Schwesig, die einige Jahre zuerst in Brandenburg und dann in Mecklenburg-Vorpommern in der Finanzverwaltung arbeitete, natürlich ein Gegenbild zu von der Leyen ab. Die Ministerin wirkt mit ihren sieben Kindern wie eine Über-Mutter, während Schwesig, verheiratet, ein Kind, eher dem Typ Normalfamilie entspricht. Zudem ist die berufstätige Frau und Mutter in Teilen des konservativen Milieus noch immer ein gewöhnungsbedürftiges Wesen, während die in Frankfurt (Oder) geborene Schwesig in der DDR aufgewachsen ist, wo in der Regel Mann und Frau zur Arbeit gingen.

Politisch halten sich die Unterschiede in Grenzen. Während die Amtsinhaberin sich besonders und mit derzeit umstrittenem Erfolg darum bemühte, sozusagen die Produktion von Kindern anzuregen und gegen erheblichen Widerstand in den eigenen Reihen das Elterngeld durchgesetzt hat, sagt Schwesig, dass es ihr vor allem um die Kinder gehe, "die schon da sind". Deren soziale Sicherheit müsse verbessert werden, wozu zum Beispiel die Einführung eines Mindestlohnes notwendig sei, damit Eltern ihre Familien auch ernähren könnten.

Ideen für Eltern und Kinder

Ein Rechtsanspruch auf ganztägige Kinderbetreuung gehört ebenso zu Schwesigs Vorstellungen wie eher mentale und klimatische Veränderungen in der Gesellschaft, die ihr in Deutschland zu wenig kinderfreundlich erscheint. Gleichwohl versteht sich Schwesig nicht nur als Familienpolitikerin im engeren Sinne. Der Single, der sich um die Pflege seiner Eltern Gedanken machen müsse, fällt nach ihrer Definition genauso in ihr Fachgebiet, wie Bildungs- und Gesundheitsfragen.

Wichtig ist Schwesig auch ein eher weiter Ansatz, der nicht eine einzelne politische Idee zur Lösung eines ganzen Problems erklärt. Sie befürwortet das Elterngeld, ist auch für dessen Erweiterung vor allem bei Teilzeit-Beschäftigten und Vätern, glaubt aber nicht, dass allein daraus Kindersegen in Deutschland erwachsen wird. Die Frage, ob sie überhaupt Paare kenne, die sich wegen des Elterngeldes für Kinder entschieden hätten, beantwortet Schwesig mit dem hübschen Satz: "Ganz offen gesagt, habe ich Eltern noch nie gefragt, was ihre Gedanken waren beim Zeugen eines Kindes."

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SZ vom 6.8.2009/vw
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