Am vergangenen Freitag, nach der Klausurtagung seiner Abgeordneten, gab sich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann mit Blick auf rechtliche Konsequenzen aus den Übergriffen in der Silvesternacht noch entspannt. "Ich sehe im Augenblick keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf", sagte Oppermann. Ganz ausschließen wollte er verschärfte Regelungen freilich nicht.
Das mag zum einen daran gelegen haben, dass Oppermann zu diesem Zeitpunkt schon die Wünsche des Koalitionspartners von der CDU bewusst waren. Zum anderen kennt der Fraktionschef seinen Parteivorsitzenden lange genug, um zu ahnen, dass Sigmar Gabriel das mit dem Handlungsbedarf ganz anders sieht.
Wenn es nach ihm geht, wäre sogar ein drittes Asylpaket vorstellbar
Schon in die Klausur der Fraktion hinein hatte der SPD-Chef von Kuba aus via Bild-Zeitung mitgeteilt, dass er eine härtere Gangart erwarte. Ein Wochenende und weitere Interviews später zeichnet sich ab, dass Gabriels Bereitschaft zu Gesetzesverschärfungen bedeutend ausgeprägter ist als vielerorts in der SPD.
Mindestens bei der sogenannten Wohnsitzauflage für Asylbewerber hat der Parteichef den Handlungsbedarf bereits öffentlich signalisiert. Und etwas allgemeiner gab er zu erkennen, dass das keineswegs alles gewesen sein muss, wenn die Flüchtlingspolitik nicht durch mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaats diskreditiert werden soll. "Wir werden immer wieder auch nachsteuern müssen", sagte Gabriel am Sonntagabend in der ARD. Nach Köln gebe es ein paar Themen, "die wir schnell regeln müssen". Und wenn das zweite Asylpaket, über das derzeit verhandelt wird, nicht reiche, brauche man eben ein drittes.
Besonderes Augenmerk richtet Gabriel auf die Abschiebepraxis. Sein Instinkt sagt ihm vermutlich, dass es auch potenzielle SPD-Wähler aufregt, wenn Asylbewerber die Regeln des Gastlandes nicht einhalten und trotzdem dessen Schutz erwarten. Straffällig gewordene Ausländer müssten "wesentlich" schneller außer Landes gebracht werden, so der SPD-Chef. Außerdem will er offenbar, dass Wiederholungstäter bei Diebstahlsdelikten abgeschoben werden, auch wenn sie weniger als ein Jahr Strafe aufgebrummt bekommen. Das wäre sogar mehr, als die CDU in ihrer jüngsten Vorstandsklausur beschlossen hat.
Politisch ist Gabriel mit diesem Tatendrang übrigens selbst ein Wiederholungstäter. Manche Sozialdemokraten dürfte das Gebaren des Parteichefs an die Situation vor genau einem Jahr erinnern: Es war nach dem Anschlag auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo, als Gabriel den Kurs seiner Partei in der inneren Sicherheit an entscheidender Stelle veränderte und gegen den Willen seines Justizministers Heiko Maas die Bereitschaft zum Kompromiss mit der Union bei der Vorratsdatenspeicherung signalisierte.