Es war eine furiose Rede, die Sigmar Gabriel am 2. April 1998 in Hannover gehalten hat. Die niedersächsische SPD war nach dem triumphalen Wahlsieg Gerhard Schröders bei der Landtagswahl ohnehin bester Stimmung. An diesem Tag, bei der Aussprache über Schröders Regierungserklärung, registrierten die Sozialdemokraten in Hannover, dass sie einen neuen Star in ihren eigenen Reihen haben: den frisch gewählten Fraktionschef Sigmar Gabriel.
Der damals 38-jährige Lehrer hatte mit einer klassisch sozialdemokratischen Vita zuvor schnell Karriere in der SPD gemacht: Mit 18 Jahren Mitglied der Sozialistischen Jugend Deutschlands - Die Falken, ein Jahr später Eintritt in die SPD, Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft ÖTV und der Arbeiterwohlfahrt, später Kreistagsabgeordneter und Ratsherr seiner Heimatstadt Goslar. 1990 gewann Gabriel das Direktmandat in seinem Wahlkreis und zog in den niedersächsischen Landtag ein.
Dort arbeitete sich der Mann stetig nach oben. Gerhard Schröder und dessen unglücklicher Nachfolger Gerhard Glogowski erkannten früh das Talent und förderten ihn nach Kräften. In der Partei war Gabriel allerdings umstritten, galt als laut, unstet - und zu sehr auf sein eigenes Fortkommen fixiert.
Doch bei seiner Jungfernrede als Fraktionschef an jenem 2. April bringt Gabriel sein stärkstes Pfund, die rhetorische Stärke, so überzeugend zur Geltung, dass auch die Zweifler in langanhaltenden Applaus ausbrechen.
Gabriel nimmt sich Schröders Widersacher, den CDU-Oppositionsführer Christian Wulff, zur Brust. "Die Menschen haben gespürt, was für eine Sorte Politiker Sie sind", wirft er Wulff an den Kopf. "Jung, berechnend und von maßloser Selbstüberschätzung gekennzeichnet." Die Charakterisierung Wulffs kommt an - obwohl wohl nicht wenige in den Reihen der Sozialdemokraten sitzen, die finden, dass sie auch auf den Redner zutrifft.
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