Süddeutsche Zeitung

Brustkrebs-Erkrankung:Was Schwesigs Rückzug für die SPD bedeutet

  • Wegen ihrer Brustkrebs-Erkrankung zieht sich Schwesig als kommissarische SPD-Vorsitzende zurück. Sie will aber Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern bleiben.
  • Schwesig gehört schon lange zur Führungsreserve der SPD.
  • Wenn Schäfer-Gümbel am 1. Oktober abtritt, führt die an Multipler Sklerose leidende Dreyer die Partei für einige Wochen alleine. Das wollte sie eigentlich nicht.

Von Peter Burghardt, Hamburg, und Mike Szymanski, Berlin

Am Dienstag um 12 Uhr tritt Manuela Schwesig in der Schweriner Staatskanzlei vor Kameras und Mikrofone, die Meldung von ihrer Krankheit hat da längst die Runde gemacht. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, 45 Jahre alt, leidet unter Brustkrebs. Sie wird als kommissarische SPD-Vorsitzende zurücktreten, aber Regierungschefin ihres Bundeslandes bleiben. Ihre Ministerrunde hat sie am Vormittag informiert, nun spricht Manuela Schwesig öffentlich.

Sie wirkt gefasst und bewegt zugleich. Die Diagnose habe sie und ihre Familie schwer getroffen, sagt Schwesig, "so etwas ist immer ein riesiger Schock", aber Krebs sei nicht gleich Krebs. "Die gute Nachricht ist: Dieser Krebs ist heilbar." Für die Behandlung, überwiegend ambulant, müsse sie ihre Arbeitsbelastung allerdings reduzieren und die Posten auf Bundesebene aufgeben. Nach Gesprächen mit den Ärzten sei sie zuversichtlich, dass sie wieder "vollständig gesund" werde. "Deshalb habe ich mich entschieden, das Amt der Ministerpräsidentin und auch den Parteivorsitz hier im Land weiter auszuüben."

Auch in Schwerin legte Schwesig Wert darauf, als Bundespolitikerin wahrgenommen zu werden

Natürlich erinnert die Nachricht an den 30. Mai 2017. Damals gab ihr Vorgänger Erwin Sellering bekannt, aus gesundheitlichen Gründen zurückzutreten, bei ihm war Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert worden. Sellering legte seinerzeit all seine Posten nieder. Im Dezember 2017 kehrte er dann als einfacher Landtagsabgeordneter in die Politik zurück.

Sein Rücktritt wegen des Krebsleidens machte Schwesig zur Ministerpräsidentin und SPD-Chefin im deutschen Nordosten. Sellering wollte sie als Nachfolgerin. Sie hörte dafür als Familienministerin im Kabinett Merkel auf. Jetzt, gut zwei Jahre später, zwingt sie ein Tumor dazu, sich aus der Spitze der Bundes-SPD zurückzuziehen. Das zeigt zumindest, wie wenig planbar das Leben und die Politik sind.

Manuela Schwesig gehört schon lange zur Führungsreserve der Partei. Wenn sie es gewollt hätte, wäre sie wohl auch aussichtsreiche Kandidatin für den Parteivorsitz und hätte an diesem Dienstagabend vor der Basis in Nieder-Olm, Rheinland-Pfalz, sprechen müssen. Als Andrea Nahles im Juni den Partei- und Fraktionsvorsitz aufgab, richteten sich die Augen auch auf Schwesig.

Als SPD-Vize hatte sie sich schon länger Gehör verschafft, sei es in Fragen der Rüstungsexportpolitik, die Folgen auch für Jobs an ihrer Küste haben, oder zur Grundrente. Wenn die Parteispitze zu Krisentreffen im Berliner Willy-Brandt-Haus zusammenkam, weil es in der großen Koalition mal wieder gekracht hatte, gehörte sie zu den wenigen, die draußen vor den Journalisten erklärten, wie gerade die Lage ist. Schwesig legte Wert darauf, als Bundespolitikerin wahrgenommen zu werden.

Als kommissarische Chefin der SPD absolvierte sie das Sommer-Interview im Fernsehen, da war sie das Gesicht der SPD. Das große Mecklenburg-Vorpommern, das sollte nicht alles sein. Neben Stephan Weil in Niedersachsen und Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz zählte sie zu den Landeschefs, denen es sofort zugetraut wurde, die Partei zu führen. Trotzdem ist sie in dieser Riege die Unvollkommene. Sie hat keine Wahl gewonnen. Sie kam ins Amt, eben weil ihr Vorgänger erkrankte. Sie ist noch nicht fertig in Mecklenburg-Vorpommern. Und sie treibt die Sorge an, nur eine etablierte Amtsinhaberin könne einer besonders im Osten erstarkenden AfD etwas entgegensetzen.

Ihre Absage kam mit dem Moment, in dem sie, Thorsten Schäfer-Gümbel und Malu Dreyer sich bereit erklärt hatten, die Partei kommissarisch zu führen, aber definitiv nicht länger. Das war dem Vernehmen nach lange vor der Diagnose. Als lange Zeit auch sonst niemand aus der Spitze kandidieren mochte, stieg der Druck. Schwesig hätte sich ihren Teampartner aussuchen können. Für die Doppelspitze, die sich die Partei wünscht, fehlte es an profilierten SPD-Frauen, wie sie eine ist.

Ihr Rückzug von den bundespolitischen Aufgaben bringt die SPD nun in die Bredouille. Bislang hat die Arbeitsteilung zwischen den drei kommissarischen Chefs funktioniert: Thorsten Schäfer-Gümbel übernahm von der Parteizentrale in Berlin aus einen Großteil des Managements. Malu Dreyer und Manuela Schwesig, die ihre Länderregierungen nicht vernachlässigen wollten, arbeiteten ihm nach Kräften zu.

Die Partei muss von Oktober an Malu Dreyer erst einmal alleine führen

In Mainz treten am Dienstag Dreyer und Schäfer-Gümbel vor die Presse. Beide sind betroffen, und sie sollen erklären, wie es an der Spitze der SPD weitergeht. "Sie ist eine starke Frau", sagt Malu Dreyer, ihre Kollegin werde die schweren Monate schaffen. Thorsten Schäfer-Gümbel sagt, die Partei kommissarisch zu führen, diese Aufgabe würden sie jetzt zu zweit "für sich annehmen".

Es ist nur so, dass auch Schäfer-Gümbel nicht mehr lange als Parteichef zur Verfügung steht. In Kürze wechselt er als Arbeitsdirektor zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ. "Es bleibt beim 1. Oktober", sagt er. Danach werde Malu Dreyer alleine die SPD kommissarisch bis zum Parteitag im Dezember führen. Dreyer leidet an Multipler Sklerose, was sie in ihrer Mobilität gelegentlich einschränkt. Sie hatte auf Unterstützung bestanden, sie wollte die SPD nicht alleine durch den Übergang steuern. Aber so kommt es jetzt, für die letzten Wochen.

Manuela Schwesigs Aufstieg in der Partei war rasant. SPD-Mitglied wurde die Finanzwirtin erst 2003, zwei Jahre später rückte sie in den Landesvorstand auf. Sie machte Kommunalpolitik, 2008 wurde sie Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Jahr später holte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sie schon als Familienpolitikerin in sein Schattenkabinett. Bis sie dann wirklich Bundesministerin wurde, dauerte es zwar noch bis 2013. Aber die SPD hatte da längst eine Politikerin, mit der sie für die Zukunft plante.

Genesungswünsche kommen aus allen Parteien, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel rief Manuela Schwesig an. Mit Terminen wird sie vorläufig in ihrer weitläufigen Region kürzer treten, bisher ist sie viel unterwegs und bat immer wieder zu Bürgerversammlungen in der Provinz. Noch am Dienstag, nach ihrer Erklärung, fuhr sie mit der SPD-Landtagsfraktion nach Torgelow in Vorpommern, 240 Kilometer über die A 20. Sie erinnert an andere Frauen, die ihren Umgang mit dem Brustkrebs mit dem Beruf verbinden. Sie wolle jetzt alle Kraft auf Mecklenburg-Vorpommern, ihre Gesundheit und ihre Familie konzentrieren. "Ich habe schon einige Kämpfe in meinem Leben geführt, und ich werde auch diesen Kampf führen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4594766
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.09.2019/saul
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.