Süddeutsche Zeitung

Mecklenburg-Vorpommern:So hat die SPD keine Chance zur Selbsterneuerung

Der Streit zwischen Schwesig und Brodkorb erweckt den Eindruck, dass dem sozialdemokratischen Nachwuchs die Fähigkeit zum Kompromiss fehlt. Die Partei sendet ein fatales Signal.

Kommentar von Thomas Hahn, Hamburg

Von der SPD-Spitze in Berlin kam kein Wort mehr zum Zerwürfnis von Schwerin. Was hätte die Parteiführung um die Vorsitzende Andrea Nahles auch sagen sollen zu dem Umstand, dass sich in Mecklenburg-Vorpommern zwei relativ junge Spitzenkräfte in einen unversöhnlichen Streit verrannt haben? Der gewandte Mathias Brodkorb, 42, wollte nicht mehr Finanzminister bleiben, weil er mit der Politik der Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, 44, nichts anfangen kann. Von Vertrauensverlust und fachlichen Differenzen sprach Brodkorb. Wenig später präsentierte Schwesig ihren Vertrauten Reinhard Meyer als "den Besten für das Amt". So hart knallten Brodkorb und Schwesig aufeinander, dass die Berliner Genossinnen und Genossen eigentlich nur hoffen konnten, der Donner aus dem entfernten Nordosten werde im Rest des Landes nicht zu laut zu hören sein.

Denn ein Ausweis von vereinter sozialdemokratischer Kraft ist das nicht, wenn es im Gebälk einer Landesregierung derart kracht, dass der interne Streit nicht mehr beizulegen ist. Schon gar nicht, wenn Personen beteiligt sind, die kraft ihres Alters und ihres Talents für eine bessere Zukunft der kriselnden SPD stehen sollen. In Landesregierungen können junge Politiker beweisen, dass sie das Format für höhere Aufgaben haben und kluge, bürgernahe Entscheidungen treffen können.

Gerade Mecklenburg-Vorpommern ist in dieser Hinsicht ein spannendes Bundesland, hier hat der frühere SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering in den vergangenen Jahren diverse junge Leute an die Macht herangeführt, deren Talente er erkannte und schätzte. Zum Beispiel Schwesig, zum Beispiel Brodkorb oder den aktuellen Infrastrukturminister Christian Pegel. Diese Leute standen nie nur für sich, sie standen für eine Generation, der die SPD gerne ihre Zukunft anvertrauen würde. Gerade die frühere Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig trägt als Regierungschefin und stellvertretende Bundesparteivorsitzende die Hoffnungen der SPD auf ein zukunftsfähiges Profil.

Brodkorb war nicht belehrbar und zu begeistert von sich selbst

Aber der jüngste Streit zeigt auf beunruhigende Art, dass die früh Beförderten mit dem Anspruch überfordert sind, Politik über ihre eigenen Egos hinauszudenken. Manuela Schwesig hat es als Regierungschefin nicht geschafft, mit ihrem Kabinettskollegen und Parteigenossen Brodkorb zusammen eine sozialdemokratische Finanzpolitik zu gestalten. Die Diskussionen müssen teilweise sehr laut gewesen sein. Brodkorbs Vorhaben, Theaterlandschaft und Finanzamtsstruktur zu verschlanken, kassierte Schwesig derart brüsk, dass ihre Gegner davon sprechen, sie habe Brodkorb gedemütigt. Dass sie ihm am Ende auch noch ihren Vertrauten Heiko Geue ins Ministerium setzte, zeigt zwar ihr Machtbewusstsein, aber auch ihre Unfähigkeit, Konflikte zum Kompromiss zu führen.

Brodkorb wiederum hat sich über die Jahre als ein Politiker gezeigt, der kein Gespür dafür hat, wann im Sinne der Bürgerinnen und Bürger auch mal genug gespart ist. Mecklenburg-Vorpommern hat sich in den vergangenen Jahren verschiedene Zusammenlegungen und schlankere Strukturen verschrieben. Viele waren nachvollziehbar oder sogar notwendig. Brodkorb wollte die Staatsausgaben in manchen Bereichen immer noch schlanker machen, und konnte dabei irgendwie nicht einsehen, dass gut gerechnet nicht immer auch klug gedacht ist. Für einen intelligenten Ressortchef, der selbst gerne Ministerpräsident geworden wäre, hatte er zu wenige Ideen für eine Politik, die mehr kann, als nur knausrig sein. Er war nicht belehrbar und zu begeistert von sich selbst. Wenn solche Sozialdemokraten in Verantwortung bleiben, ohne sich zu überdenken, hat die SPD keine Chance zur Selbsterneuerung.

Ernüchternd: Ausgerechnet zwei junge, etablierte SPD-Menschen haben mit ihrem Streit den Eindruck erweckt, dass der sozialdemokratische Nachwuchs lieber entscheidet als überzeugt, lieber die eigene Position stärkt als gemeinsam mit Andersdenkenden eine Lösung sucht. Ob der Partei bewusst ist, was das einen Monat vor Kommunal- und Europawahlen für ein Signal aussendet? Auf der Fraktionssitzung am Dienstag im Schweriner Schloss wollte sich die SPD jedenfalls offiziell vor allem mit weiteren Personalfragen befassen. Ministerpräsidentin Schwesig hat ihre Leute platziert und geht schnell zur Tagesordnung über - wie sich das gehört für eine Machtpolitikerin in ihrer hoheitlichen Blase. Und in Berlin tut man so, als wäre nichts gewesen.

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