SPD:Schulz und Gabriel appellieren an die Vernunft ihrer Genossen

  • Am diesem Donnerstag treffen sich die Genossen zum richtungsweisenden SPD-Parteitag, es werden scharfe Debatten über eine mögliche Regierungsbeteiligung erwartet.
  • Martin Schulz und Sigmar Gabriel haben ihre Parteimitglieder im Vorfeld davor gewarnt, die große Koalition für die Probleme der SPD verantwortlich zu machen.
  • Die Gegner, allen voran die Jusos, haben bereits harten Widerstand angekündigt.

Von Christoph Hickmann, Berlin

SPD-Chef Martin Schulz und sein Vorgänger Sigmar Gabriel haben vor dem für die Sozialdemokraten richtungsweisenden Parteitag die Erfolge der letzten großen Koalition gewürdigt und davor gewarnt, das Bündnis mit der Union zum Hauptgrund für die Misere ihrer Partei zu erklären.

Bei einer Konferenz im Willy-Brandt-Haus betonte Schulz mehrmals, dass die SPD in der Regierung sehr gute Arbeit abgeliefert habe und stolz darauf sein könne. Gabriel sagte, es sei "für die Frage des Überlebens der Sozialdemokratie in diesem Land relativ egal, ob wir in eine Regierung gehen oder nicht". Dies zeigten Wahlergebnisse aus Ländern, in denen es keine große Koalition gegeben habe.

Die Äußerungen der beiden ließen sich als Fingerzeig für die beim Parteitag anstehende Auseinandersetzung darüber verstehen, ob die SPD sich nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen trotz ihrer ursprünglichen Absage doch noch an der Bildung einer Regierung beteiligt. Für das an diesem Donnerstag beginnende Delegiertentreffen werden dazu kontroverse Debatten erwartet.

Die Jusos haben harten Widerstand angekündigt

Die Parteispitze will sich das Mandat für weitere Gespräche mit der Union holen und betont, diese "ergebnisoffen" führen zu wollen. Kritiker befürchten jedoch, dass ein solcher Prozess am Ende in eine große Koalition münden würde - zumal führende Genossen ihre Skepsis gegenüber Modellen wie einer Minderheitsregierung zu erkennen gegeben haben. Vor diesem Hintergrund wurde vor dem Parteitag erwartet, dass die Gegner einer großen Koalition versuchen würden, die am Montag beschlossenen inhaltlichen Leitlinien für weitere Gespräche mit der Union zu verschärfen und dadurch die Bildung eines schwarz-roten Bündnisses mindestens zu erschweren. Besonders die Jusos hatten im Vorfeld harten Widerstand angekündigt.

Allerdings kam auch vom linken Flügel, auf dem die Skepsis besonders hoch ist, ein Appell zur Mäßigung. So warnte Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, über die Nachrichtenagentur AFP davor, eine große Koalition vorzeitig auszuschließen: Eine solche Festlegung hielte er "für falsch", sagte Miersch, einer der führenden Parteilinken. Allerdings betonte er zugleich seine Bedenken gegen Schwarz-Rot: Er könne sich vorstellen, "dass wir die Vorbehalte gegen eine neue große Koalition in dem Beschluss noch deutlicher formulieren".

Schulz nimmt seine Partei in die Verantwortung

Angesichts dieser Lage dürfte der Rede von Parteichef Schulz besondere Bedeutung zukommen. Nach der Abstimmung über den Antrag zum weiteren Vorgehen will er sich zur Wiederwahl stellen.

Bei der internationalen Konferenz in der Parteizentrale am Mittwoch nahm er seine Partei in die Verantwortung, Europa mitzugestalten. "Wir können uns nicht damit zufriedengeben, dass die Europäische Union so ist, wie sie ist", sagte Schulz. Es brauche eine andere Union. "Und ich denke: Was auch immer mein Parteitag morgen beschließen wird, diese Europäische Union wird ohne einen aktiven Beitrag der Bundesrepublik Deutschland nicht reformierbar sein."

Gabriel sagte, es gebe sowohl für als auch gegen die große Koalition gute Argumente, die der Parteitag abwägen solle. "Aber die Obsessivität, mit der wir das Überleben unserer Partei in diesem Land an diese Frage koppeln, die ist jedenfalls mit Sicherheit falsch", so der geschäftsführende Außenminister. Er gilt als Verfechter der großen Koalition. Vor vier Jahren hatte er die SPD, damals noch als Parteivorsitzender, gegen Widerstände in das Bündnis mit der Union geführt.

Gabriel: "Zu wenig Rotes"

Gabriel, der Anfang des Jahres die Führung an Schulz abgegeben hatte, ging in seiner Rede am Vortag des Parteitags hart mit der SPD ins Gericht. Die SPD habe sich "oft wohlgefühlt in den postmodernen, liberalen Debatten", sagte er. "Umwelt und Klimaschutz war uns manchmal wichtiger als der Erhalt der Industriearbeitsplätze, Datenschutz wichtiger als innere Sicherheit."

Zudem habe die SPD die Ehe für alle "fast zum größten sozialdemokratischen Erfolg der letzten Legislaturperiode erhoben und nicht die von uns auch durchgesetzten Mindestlöhne, die Rentensteigerungen und die Sicherung von Tausenden fair bezahlten Arbeitsplätzen bei einer großen Einzelhandelskette". Zugespitzt könne man sagen: "Bei uns gibt es oftmals zu viel Grünes und Liberales und zu wenig Rotes."

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