Süddeutsche Zeitung

Kanzlerkandidat:Wie die SPD die Kontrolle über die Scholz-Kür behielt

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Für die Sozialdemokraten lief ausnahmsweise mal alles nach Plan. Die Parteispitze übt sich in öffentlicher Einigkeit. Und sieht ihre Chancen in Angela Merkel.

Von Mike Szymanski, Berlin

Es ist ein kleiner Triumph für SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: Bei der Nominierung von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten lief alles nach Plan. Der engste Führungszirkel hatte seit einem Treffen beim Franzosen am 7. Juli dichthalten müssen, dass die Parteispitze sich auf den Vizekanzler und Finanzminister verständigt hat. Mit der Zeit wurden immer mehr Mitarbeiter eingebunden, schließlich musste das Gasometer als Ort für die offizielle Vorstellung gemietet und eine Bühne vorbereitet werden. Und tatsächlich, bis zum Schluss behielt die SPD die Kontrolle über ihre wichtigste Personalie in diesem Jahr.

Der Niedersachse Klingbeil, 42 Jahre alt, hat Scholz einen guten Start ermöglicht. Selbstverständlich ist das keineswegs. Als der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel im Januar 2017 entschied, nicht als Kanzlerkandidat anzutreten und stattdessen Martin Schulz ins Rennen zu schicken, überrumpelte er seine Partei regelrecht. Nachzulesen ist dies in einer später erarbeiteten Fehleranalyse. Dort heißt es: "Bis zum 23. Januar 2017 wusste niemand im Willy-Brandt-Haus, der mit Öffentlichkeitsarbeit, interner Organisation, Kampagnenplanung oder Veranstaltungsmanagement zu tun hatte, dass am nächsten Tag ein neuer Kanzlerkandidat präsentiert würde." Verkorkst war auch schon die Kür von Peer Steinbrück 2012, die ebenfalls in der Analyse ausgewertet wird: "Da selbst der Kandidat vom Zeitpunkt seiner Ausrufung nichts wusste, war auch nichts vorbereitet. Keine Rede, keine Sprachregelungen, keine Pressetermine, keine Veranstaltungen - nichts. Mit mühsam zusammengestückelten Redeversatzstücken bestritt der Kandidat das mediale Dauerfeuer der ersten Tage." Diesmal war der Plan, dass es einen Plan geben muss.

Die SPD wittert ihre Chance darin, dass Angela Merkel nicht mehr antritt

Klingbeil war noch unter Martin Schulz Ende 2017 Generalsekretär geworden. Rechnet man die kommissarischen Chefs hinzu, dann hat er seither sechs Vorsitzenden gedient. Die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind Nummer 7 und 8. Sie waren es, die sich am schwersten mit Scholz als Kandidaten getan haben, denn vor acht Monaten hatten sie ihn noch im Wettbewerb um den Parteivorsitz niedergerungen. Es herrschte Misstrauen zwischen ihnen. Sie waren Gegner. Nun wollen sie als Team in den Wahlkampf ziehen. Klingbeil fiel in den vergangenen Monaten die Rolle zu, die Partei zusammenzuhalten. Mit der Entscheidung für Scholz geht auch er in den Wahlkampfmodus über. Er wird Scholz' Kampagne leiten, dies gehört zu den Aufgaben eines Generalsekretärs. Neu ist nur das Standing, das er bei den zentralen Akteuren genießt. Klar, Scholz wird Vertraute ins Wahlkampfteam entsenden. Aber es sollen nicht, wie früher, Nebenzentralen entstehen, die Absprachen erschweren. "Wir werden den Wahlkampf aus dem Willy-Brandt-Haus heraus führen", sagt Klingbeil. "Wir werden als Team mit Scholz zusammenarbeiten." Und er macht klar: "Es werden keine Parallelstrukturen aufgebaut."

Scholz traut sich zu, die SPD deutlich über die Marke von 20 Prozent hieven zu können. Im Moment liegt sie in Umfragen bei etwa 15 Prozent. Die SPD wittert ihre Chance darin, dass Kanzlerin Angela Merkel nicht mehr für die Union antritt. Wer sich 2021, wenn wohl immer noch die Folgen der Corona-Krise zu bewältigen sind, Stabilität wünscht, soll diese in Scholz für sich entdecken. "Es wird im Wahlkampf auch um die Merkel-Wähler gehen", sagt Klingbeil. "Da ist Olaf Scholz genau der richtige Kandidat." In einer Kampagne muss er den Leuten nicht mehr vorgestellt werden. Merkel hat auch schon auf die Botschaft gesetzt: Sie kennen mich. Während die Union noch Monate mit der Suche nach ihrem Kanzlerkandidaten beschäftigt sein dürfte, hat in der SPD die Arbeit am Wahlprogramm begonnen.

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SZ vom 13.08.2020
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