K-Frage :„Es hat einfach viel zu lange gedauert“

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Im Wahlkampf 2021 wurde Olaf Scholz als "Respekt-Kanzler" beworben. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Frank Stauss kennt den „Höllenritt Wahlkampf“ gut, er entwarf mehrere Kampagnen für die Sozialdemokraten. Die Kandidatendebatte verfolgte er fassungslos.

Von Georg Ismar, Berlin

Im Jahre 2018, da war Frank Stauss Mitautor der großen Analyse „Aus Fehlern lernen“. Es ging um die Gründe für die herbe SPD-Niederlage bei der Bundestagswahl 2017. Die fünf Autoren attestierten, dass sich Führung und Mittelbau der SPD gefährlich auseinandergelebt hätten, sahen fehlende Geschlossenheit, fehlenden Klartext, falsche Inhalte – kurzum eine „Volkspartei ohne Volk“. Und Kanzlerkandidat Martin Schulz sei am Ende zum „tragischen Helden“ geworden. Stauss hat mehrere Bundestagswahl-Kampagnen für die SPD entworfen, erfolgreiche und weniger erfolgreiche, und sie verarbeitet im Buch „Höllenritt Wahlkampf“.

Für den heutigen SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil wurde die Analyse zur Blaupause für den Wahlkampf 2021, geschlossen wie selten agierte die Partei, setzte Schwerpunkte wie zwölf Euro Mindestlohn oder versprach 400 000 neue Wohnungen im Jahr, um Miet- und Wohnkosten zu dämpfen. Heute ist da eher wieder die SPD von 2017, und statt um Inhalte ging es tagelang nur um die Frage, ob Olaf Scholz noch der Richtige ist, um erneut als Kanzlerkandidat ins Rennen zu gehen. „Das wirkt wie die Rückkehr der alten SPD. Ich hätte das nicht für möglich gehalten“, sagt Stauss. Nachdem Recherchen einen strategischen Plan der FDP zum Koalitionsbruch nahelegten, habe sich die SPD mit ihrer Debatte „erfolgreich dazwischengeworfen“. So war das Thema rasch weg – und die Union müsse gerade nichts machen, sie könne genüsslich zuschauen.

Für Friedrich Merz ist ein Slogan einfacher

Stauss, selbst SPD-Mitglied, muss an sich halten, meint für einen Kampagnenmanager und Werbetexter sei so eine Hängepartie eine Katastrophe. „Das war knapp“, sagt er am Donnerstagabend zur Lösung mit dem Verzicht-Video von Pistorius. 

Wahlkampfexperte Frank Stauss (Foto: Karlheinz Schindler/dpa)

In Stauss’ früherer Rolle ist nun für den SPD-Wahlkampf wie schon 2021 Raphael Brinkert, der mit seiner Agentur damals Olaf Scholz als Anpacker und „Respekt-Kanzler“ verkaufte. Einer, der das Wahlkampf-Geschäft auch gut kennt, muss lange nachdenken für einen überzeugenden SPD-Slogan für die Neuwahl am 23. Februar, für die CDU und Friedrich Merz falle ihm aber sofort einer ein: „Einfach gut regieren.“

Stauss hatte in Sachen Scholz oder Pistorius von Beginn an eine klare Meinung: „Es ist doch eigentlich eine absolute Selbstverständlichkeit, dass ein amtierender Kanzler, der nicht seinen Rückzug ankündigt, auch der Kanzlerkandidat ist.“ Olaf Scholz habe für die SPD das Kanzleramt nach 16 Jahren und aus zunächst aussichtsloser Lage erobert.

Der ideale Moment einer Nominierung wäre aber kurz nach dem Tag des Koalitionsbruchs am 6. November gewesen, als es abends in der Bundestagsfraktion nach der Entlassung von Christian Lindner Standing Ovations für ihn gab. „Da hätte man am nächsten Morgen einen Vorstandsbeschluss per Rundruf machen sollen, damit nichts anbrennt.“ Man hätte Boris Pistorius dazu bringen müssen, dass er das in 30 Sekunden klärt, indem er einfach nur klar gesagt hätte, er stehe nicht zur Verfügung, so Stauss. „Es hat einfach viel zu lange gedauert.“

Pistorius sei stattdessen durch das Offenhalten der Frage Gefahr gelaufen, als das dazustehen, was er nie sein wollte: illoyal. Das Theater hätten nun alle mitbekommen, und die anderen Parteien nähmen die ganzen kritischen Aussagen über Olaf Scholz im Wahlkampf auf Wiedervorlage. „Wichtig ist, dass die Debatte schnell ins Abklingbecken kommt“, meint der 59-Jährige. Doch ob die Basis das so akzeptiert, ist noch die offene Frage.

Es habe hier auch zuletzt der Respekt vor der Institution des Bundeskanzlers gefehlt. „Das gilt besonders für die Debattenbeiträge, als Scholz auf dem G-20-Gipfel weilte. Mein Eindruck bei manchen dieser Wortmeldungen ist, dass es weder um das Land noch die Partei, sondern vor allem und das eigene Mandat geht.“ Es habe ja in der SPD keine inhaltliche Debatte gegeben, wie beim Nato-Doppelbeschluss oder der Agenda 2010, sondern es sei alleine um hochspekulative Wahlchancen gegangen. „Das hat einen Beigeschmack.“ Pistorius sei zuletzt zu einer „reinen Projektionsfläche“ geworden. Es sei auch ein Trugschluss, zu glauben, „die Zeit ist so kurz bis zur Wahl, dass er keine Fehler macht“ – wenn er denn der Kandidat geworden wäre.

Stauss betont, die SPD habe schon zu viele Sturzgeburten von Kanzlerkandidaten erlebt, und alle seien schiefgegangen: Steinmeier, Steinbrück, Schulz. Und es sei auch noch nie jemand wegen der Sympathiewerte gewählt worden. Zudem werde es im Wahlkampf vor allem um die Themen Wirtschaft, Arbeit, Rente gehen, sagt Stauss – das sei ohnehin nicht das Spezialgebiet von Pistorius. Nun wird die interessante Frage sein, ob die kommende Kampagne die Zweifel an Olaf Scholz wird ausräumen können.

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