Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl:Ganz großes Kino

Die SPD präsentiert ihre Kampagne für die Bundestagswahl. Spitzenkandidat Olaf Scholz fehlt, er muss die urlaubende Kanzlerin vertreten und regieren. Aus Sicht der Sozialdemokraten darf das gerne so bleiben.

Von Mike Szymanski, Berlin

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil steht in Saal 6, Delphi Lux Kino, ums Eck vom Bahnhof Zoo. Es ist Mittwoch, kurz nach 11 Uhr. Wo werden sonst sagenhaftere Geschichten erzählt als im Kino?

Heute, wenn man so will, steht auf dem Spielplan: "Das Comeback der SPD". Offiziell präsentiert die SPD ihre Kampagne für die Bundestagswahl im September. Es geht schon mit einer Überraschung los: Die Hauptfigur fehlt. Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat für solche Sachen gerade keine Zeit. Er leitet ein paar Kilometer entfernt, in Vertretung von Kanzlerin Angela Merkel, die Sitzung des Kabinetts.

Das ist aber alles andere als ärgerlich für die SPD, denn Scholz' Fehlen fügt sich aus Sicht der Sozialdemokraten perfekt in die Bilder, die gleich auf der Leinwand präsentiert werden: Ein Scholz regiert das Land, ab September gerne auch vom Kanzleramt aus. Er gehört gar nicht ins Kino.

Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, dass die SPD-Führung Scholz zum Kanzlerkandidaten machte. Man kann sagen: Scholz hat das geholfen. In Umfragen, wen die Bürgerinnen und Bürger nach der Wahl gerne zum Regierungschef hätten, liegt der 63-Jährige mittlerweile regelmäßig vor seinen Konkurrenten, Armin Laschet von der CDU und Annalena Baerbock von den Grünen. Seine persönlichen Beliebtheitswerte können sich sehen lassen. Gleichwohl: Seine Partei hat bisher wenig von Scholz' Glanz abbekommen, sie liegt zementiert bei 16, mal 17 Prozent in den Umfragen.

Die Botschaft ist kämpferisch: "Scholz packt das an."

So gesehen steckt im Slogan, mit dem die SPD auf den letzten Metern des Wahlkampfes die Stimmung doch noch zu ihren Gunsten drehen will, und den Kingbeil spanungsgeladen wie einen neuen Hollywood-Film präsentiert, auch eine kämpferische Botschaft: "Scholz packt das an". Wobei sich der tiefere Sinn erst in den Anfangsbuchstaben erschließt, die bestenfalls noch groß geschrieben werden sollten. S-P-D ergibt das dann, natürlich nur, wenn man das an weglässt. Scholz Packt Das. Auch gut.

Gemeint dürfte dann eher sein, dass sich der Kandidat mit seiner SPD doch noch in den nächsten Monaten an den Grünen vorbeischiebt und immerhin den Platz als zweitstärkste Kraft behauptet. Ein Bündnis jenseits der Union - immerhin nicht auszuschließen. "Wir haben einen starken Kandidaten", sagt Klingbeil.

Tatsächlich lebt die Kampagne von Scholz. In der Parteizentrale sind die Strategen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wählerinnen und Wähler bei ihrer Entscheidung eine Frage für sich beantworten würden. Nämlich: Wem sie es am ehesten zutrauen, das Land zu führen. In diesen Tagen und Wochen sieht Klingbeil Scholz klar im Vorteil, denn mit Laschet und Baerbock seien zwei der drei Kandidaten laufend damit beschäftigt, "sich für Fehler zu entschuldigen". Baerbock etwa für Schludrigkeiten in ihrem Buch, Laschet vor allem für sein Lachen inmitten der Flutkatastrophe.

"Klimaschutz muss aus dem Kanzleramt heraus gesteuert werden."

Über eines der Plakate, auf denen Scholz in Schwarz-Weiß vor knallrotem Hintergrund abgebildet ist, wird "Kompetenz für Deutschland" stehen. In zehn Tagen schon, den anstehenden Start der Briefwahl begleitend, sollen die ersten Großplakate in Deutschland aufgehängt werden. Angesichts der derzeitigen Schwäche von Union und Grünen setzt die SPD voll auf die Briefwähler - wer weiß, was in den verbleibenden Wochen noch passiert.

Weil Scholz heute Vormittag so sehr mit dem Regieren beschäftigt ist, übernimmt Klingbeil kurzerhand im Kino die Rolle des Angreifers: Die Union werde sich auf Attacken für eine aus Sicht der SPD drohende altbackene Wirtschaftspolitik eines Friedrich Merz und für die Aufstellung von Rechtsausleger Hans-Georg Maaßen gefasst machen müssen. Den Spot dazu, der die Union als quasi nicht wählbar abqualifiziert, präsentiert Klingbeil genüsslich als Abspann im Kino.

Den jüngsten Vorstoß der Grünen, nach der Bundestagswahl ein Ministerium für Klimaschutz mit einem Veto-Recht gegenüber anderen Ministerien zu schaffen, kontert Klingbeil eher beiläufig mit dem Satz: "Klimaschutz muss aus dem Kanzleramt heraus gesteuert werden." Ein bisschen Hau-drauf wird es in diesem Wahlkampf also auch mit der SPD geben.

Am 14. August will die Partei mit großem Brimborium in Bochum in die entscheidenden Wochen des Wahlkampfes starten. Im Terminkalender der SPD firmiert dieser Tag tatsächlich als Startpunkt fürs "Comeback" der SPD. In NRW regiert Konkurrent Laschet als Ministerpräsident. Die SPD verspricht ganz großes Kino.

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