"Das ist heute ein großartiger Tag für die Sozialdemokratie", freute sich Torsten Albig nach dem Triumph beim internen Mitgliederentscheid am Samstagabend über die SPD-Spitzenkandidatur für die nächste Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Und der 47 Jahre alte Kieler Oberbürgermeister gab sich bereits siegessicher: "Wir werden diese Wahl gewinnen. Wir haben die besseren Ideen, und wir haben die besseren Leute."
Bei dem SPD-Mitgliederentscheid in Kiel stimmten 7394 Sozialdemokraten für Albig, nur 4154 für Ralf Stegner. Mit 57,2 Prozent der gültigen Stimmen holte Albig sehr deutlich die absolute Mehrheit. Stegner, 51, erreichte nur 32 Prozent. "Das Ergebnis ist für mich selbst überraschend und enttäuschend", räumte Stegner ein. Die Elmshorner Bürgermeisterin Brigitte Fronzek, 58, holte 1174 Stimmen (gut neun Prozent), der bislnag vollkommen unbekannte Kieler Gewerkschafter Mathias Stein, 41, schaffte 165 (gut ein Prozent). Die Wahlbeteiligung betrug fast 70 Prozent: Mehr als 13.000 der 19.200 Parteimitglieder beteiligten sich.
Der Landtag wird wahrscheinlich im nächsten Jahr neu gewählt. Das Landesverfassungsgericht hatte einen vorgezogenen Urnengang bis Herbst 2012 verlangt, nachdem es das geltende Wahlgesetz als nicht verfassungsgemäß eingestuft hatte.
"Schleswig-Holstein ist ein starkes Land. Es braucht endlich wieder einen starken Ministerpräsidenten, der nicht nur scheinbaren finanziellen Sachzwängen hinterher verwaltet, sondern der dem Land wieder eine klare Richtung gibt", schreibt Albig auf seiner Homepage.
Für CDU und FDP ist Albig ein Angstgegner - schließlich kann er im Gegensatz zu Stegner auch in der Mitte Stimmen holen. Albigs Nachteil: Er ist im Land noch vielen unbekannt - ganz im Gegensatz zu Stegner. Der gebürtige Bremer Albig, der in Ostholstein aufwuchs, gilt als pragmatischer Politiker.
Fischen im bürgerlichen Lager
Albig war lange Jahre Sprecher der sozialdemokratischen Bundesfinanzminister: Zunächst bei Oskar Lafontaine, dann bei Hans Eichel und schließlich bei Peer Steinbrück - auch während des Höhepunkts der Finanzkrise 2008. Erfahrungen mit knappen Kassen sammelte er auch als Kämmerer der an ewiger Geldnot darbenden Landeshauptstadt Kiel. Weitere Karrierestationen waren die Finanzverwaltung Schleswig-Holsteins, auch als Konzernpressesprecher für die Dresdner Bank arbeitete Albig.
Stegner setzt offen auf Rot-Grün, eventuell ergänzt um den SSW (Südschleswigscher Wählerverband), während Albig sich offenkundig auch eine Koalition mit der CDU vorstellen könnte. Dabei hatte Albig sich vor einem Jahr noch kritisch über den Föderalismus geäußert - jetzt will er selbst Ministerpräsident werden: "Es gibt eine überflüssige Ebene in Deutschland - das sind die Länder", sagte der 47-jährige damals in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Nach dem Job bei der Dresdner Bank ging Albig wieder nach Kiel. Seine Rückkehr wurde zum Triumph: Bei der Oberbürgermeister-Direktwahl 2009 fegte er die CDU-Frau Angelika Volquartz mit 52,1 Prozent der Stimmen aus dem Amt - darunter etlicher Stimmen aus dem"bürgerlichen" Lager. Dass er schon im Jahr darauf seinen Hut für die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl in den Ring warf, haben ihm auch einige Weggefährten verübelt. Geschadet hat es ihm innerhalb der SPD bisher allerdings nicht - wie das Ergebnis der Mitgliederbefragung zeigt.
Stegners politische Zukunft ist jetzt hingegen völlig offen. Er gilt zwar als brillianter politischer Kopf, aber eben nicht unbedingt als Menschenfänger. Über seine Pläne werde er mit den Führungsgremien der Partei, der Landtagsfraktion und auch mit Albig sprechen, kündigte Stegner an.
Der SPD-Landesvorstand wird im April neu gewählt. Möglicherweise könnte Rendsburgs Bürgermeister Andreas Breitner, 44, den Vorsitz übernehmen, den Stegner seit 2007 innehat.
Für die CDU soll der Landes- und Fraktionsvorsitzende Christian von Boetticher, 40, im Mai zum Spitzenkandidaten gekürt werden. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, 63, hatte seinen Verzicht auf eine weitere Amtsperiode verkündet. Boetticher und Carstensen gratulierten Albig noch am Abend, ebenso wie die Grünen-Landesvorsitzende Eka von Kalben. "Das Ergebnis lässt den Schluss zu, dass der Landes- und Fraktionsvorsitzende Stegner mittlerweile ein Fremdkörper in seiner Partei ist", meinte FDP-Landeschef Jürgen Koppelin.