Außenpolitik:Das schwierige Verhältnis der SPD zu Russland

Außenpolitik: Willy Brandts Denkmal prägt die SPD-Zentrale, seine Ostpolitik noch immer die Partei.

Willy Brandts Denkmal prägt die SPD-Zentrale, seine Ostpolitik noch immer die Partei.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Wie umgehen mit Moskau? Die SPD ist in dieser Frage tief gespalten. Das schwächt die Position von Bundeskanzler Olaf Scholz. Nun wird der Ruf nach klärenden Gesprächen laut.

Von Mike Szymanski, Berlin

Wie halten es die Sozialdemokraten mit Russland? Das kommt darauf an, mit wem in der SPD man spricht. Deutlich wird das am Beispiel der umstrittenen Gas-Pipeline Nord Stream 2, eines der wenigen Druckmittel, das Deutschland angesichts der wachsenden Kriegsgefahr im Grenzgebiet der Ukraine in der Hand hält. Für Kanzler Olaf Scholz bleibt die Röhre ein vorrangig "privatwirtschaftliches Projekt". Aber er sagt auch, unter ausdrücklichem Bezug auf die Pipeline, "dass klar ist, dass es hohe Kosten haben wird, dass alles zu diskutieren ist, wenn es zu einer militärischen Intervention gegen die Ukraine kommt".

Der neue Generalsekretär Kevin Kühnert ist der Meinung, dass der Röhrenstreit in Deutschland endlich beigelegt werden sollte, er will einen "politischen Frieden" in dieser Frage. Damit liegt er zur Überraschung vieler in der eigenen Partei auf Linie des Altkanzlers Gerhard Schröder, eines Putin-Freundes, der für die Pipeline-Gesellschaft arbeitet und seinen Kritikern zufolge durch Lobbyarbeit für Russland auffällt. Von den Vorsitzenden, Lars Klingbeil und Saskia Esken, hört man auffällig wenig.

In der Fraktion geht es munter durcheinander: Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagt: "Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir auch eine Abschreckungskulisse brauchen." Bei den Sanktionen gehöre ein mögliches Nord-Stream-2-Ende "natürlich auf den Tisch". Sein Fraktionskollege Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, spricht klar von "russischer Aggression" gegenüber der Ukraine. Für Ralf Stegner, früherer Parteivize und seit der Bundestagswahl ebenfalls Fraktionsmitglied, ist wiederum zu viel "Säbelrasseln" in der Debatte. Und Fraktionschef Rolf Mützenich skizziert bereits gedanklich eine Sicherheitsordnung, in der es die Nato nicht mehr braucht. Dabei ruhen gerade in diesen Wochen die Hoffnungen in der Ukraine auf diesem Militärbündnis.

Das Verhältnis zu Russland sorgt seit Jahren für Debatten in der SPD, es ist kompliziert. Nun aber ist sie seit anderthalb Monaten Kanzler-Partei. Die Zerrissenheit im Umgang mit Russland lässt sich nicht mehr verbergen und macht die SPD zu einem schwierigen Partner - innerhalb der Ampel-Regierung wie auch bei den internationalen Verbündeten. Alle haben Mühe zu erkennen, woran sie mit der SPD sind.

Willy Brandts Entspannungspolitik prägt die Partei bis heute

Die Positionen changieren verlässlich zwischen dem Wunsch, einerseits Präsident Wladimir Putin klare Grenzen aufzuzeigen und andererseits Verständnis für Moskau aufzubringen und ohne andauernde Drohgebärden zu Lösungen zu kommen. Letztgenannter Blickwinkel ist noch durch die Ostpolitik Willy Brandts geprägt, der in schwierigen Zeiten auf Entspannung zu Moskau gesetzt hatte. Eine ganze Generation an politisch Interessierten ist wegen Brandts Ostpolitik in die SPD eingetreten. Nils Schmid sagt: "Es gibt in der Partei eine Sehnsucht nach Friedens- und Entspannungspolitik." Die trifft gerade auf die Realitäten der Gegenwart.

Die letzte Gelegenheit, ihre Position zu Russland zu klären, ließ die SPD verstreichen. 2018, die Partei hatte gerade an der Seite der Union die große Koalition fortgesetzt, versuchte der neue Außenminister Heiko Maas eine härtere Gangart durchzusetzen. Er warf Russland zu Beginn seiner Amtszeit vor, "zunehmend feindlich" zu agieren. Der Giftanschlag auf den früheren russischen Doppelagenten Sergej Skripal im britischen Salisbury erschütterte das Verhältnis. Aber in seiner SPD musste sich Maas für seine Härte gegenüber Moskau rechtfertigen.

Mancher fühlt sich als "Putin-Versteher" abgestempelt

Die Parteiführung, damals unter der Vorsitzenden Andrea Nahles, hätte der Debatte größeren Raum geben können. Aber am Ende wurden Maas' Kritiker lediglich zur Mäßigung aufgerufen, der Außenminister wiederum musste versichern, weiterhin zum Dialog mit Moskau bereit zu sein. Das war vor allem Manuela Schwesig wichtig, Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern. An ihrer Küste kommt Nord Stream 2 an. Der Blick auf Russland ist geschichtsbedingt in den Ostländern ein anderer, er ist weniger auf ein Feindbild festgelegt. Das sieht auch Martin Dulig so, Ostbeauftragter der SPD und Wirtschaftsminister in Sachsen. "Wir müssen davon wegkommen, all jene, die für ein gutes Verhältnis zu Russland sind, mit Putin-Verstehern gleichzusetzen."

In der Partei wird der Wunsch laut, nun endlich zu einer Klärung der Positionen zu kommen. "Wir müssen wieder mehr über Außenpolitik reden, das haben wir zu selten getan. Das gilt auch für uns in der SPD", sagt etwa Ralf Stegner. "Dies könnte bei einem Kongress passieren." Dort sollte das Verhältnis zu Russland besprochen werden. Auch Dulig will reden: "Wir müssen innerhalb der SPD Formen finden, den Umgang mit Russland zu diskutieren." Bei der Gelegenheit könnte auch Kanzler Scholz einmal darlegen, wo seine Grenzen liegen.

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