SPD:Rauchende Köpfe in den Hinterzimmern

Vor dem Parteitag spekulieren manche Sozialdemokraten bereits über das Spitzenpersonal für die Zeit nach Gerhard Schröder.

Nico Fried

Der Appell von Franz Müntefering war eindringlich. Mit Blick auf den Parteitag in Berlin mahnte der SPD-Chef am Vorabend im Parteirat die Genossen, die Veranstaltung müsse in der Halle stattfinden "und nicht auf den Fluren, wo die Journalisten warten". Die Sozialdemokraten sollten bitte "nicht darüber reden, wer beim nächsten Mal aufgestellt wird. Das ist alles Quatsch", so Müntefering nach Teilnehmerangaben.

Müntefering weiß natürlich, was in seiner SPD los ist. Viele Sozialdemokraten arbeiten mittlerweile zweigeteilt: Tagsüber reden sie sich auf Wahlkampfveranstaltungen die Kehlen heiser, abends rauchen die Köpfe bei Gedankenspielen über die Zeit nach der Wahl. Im Mittelpunkt stehen dabei Personalfragen. Das Problem dabei: Die selbst ernannten Strategen müssen zweigleisig planen.

Denn noch ist nicht ausgeschlossen, dass die SPD als Juniorpartner in einer großen Koalition landet - eine Perspektive, die vor allem jüngere Sozialdemokraten mit gemischten Gefühlen sehen. Den Spagat zwischen den Zwängen zur Kooperation in der Regierung und der inhaltlichen Profilierung als Partei halten viele für eine Spreizung, bei der es die SPD zerreißen könnte. Allerdings sind auch die Aussichten für eine Oppositionspartei nicht beschaulich: Der SPD steht dann im November in Karlsruhe eine harte Auseinandersetzung bevor.

Die Übriggebliebenen, die Zwangsläufigen und die Ehrgeizigen

Am sichersten erscheint noch immer der Job des Parteivorsitzenden. Niemand erhebt das Wort gegen Franz Müntefering, selbst seine Mitverantwortung für die vorzeitige Wahl gereicht ihm offenbar nicht zum Nachteil.

Zudem gilt die Variante Kurt Beck als Nachfolger Münteferings als illusorisch, weil dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten nicht zuzumuten sei, im Frühjahr einen Landtagswahlkampf zu bestehen und sich nebenher um die Bundespartei zu kümmern. Beck und seine Co-Wahlkämpferin Ute Vogt aus Baden-Württemberg gelten freilich für das Präsidium als gesetzt.

Dahinter teilt sich das Personal in drei Gruppen. Erstens: die Übriggebliebenen. Zu ihnen gehören außer Schröder fast alle Minister. Einige von ihnen könnten darauf pochen, dass zu einem Neubeginn auch erfahrene Kräfte gehören müssen. Zumindest bei Schwarz-Rot käme auch der Ex-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, ins Gespräch, allerdings nur als Minister. Parteiarbeit ist seine Sache nicht.

Zweitens: Die Zwangsläufigen. Zu ihnen gehören Klaus Wowereit und Matthias Platzeck. Den Regierungschefs in Berlin und Brandenburg fällt automatisch mehr Einfluss zu, wobei Wowereit offener seine Ambitionen artikuliert, diese jedoch in der SPD zurückhaltender aufgenommen werden, während Platzeck sich bescheiden gibt, dafür aber von allen als Mann der Zukunft gesehen wird.

Drittens: Die Ehrgeizigen. Nachwuchs ist in der SPD ein dehnbarer Begriff. Gemeinhin zählt man dazu auch noch Olaf Scholz (47) und Sigmar Gabriel (45), in jedem Fall aber Andrea Nahles. Scholz hat sich nach einem glücklosen Intermezzo als Generalsekretär mit seiner Rolle als SPD-Obmann im Visa-Untersuchungsausschuss für neue Ämter empfohlen.

Gabriel, dem gerne unterstellt wird, es gehe ihm nur um die Macht, gibt inzwischen Interviews, in denen er ein zweites Godesberg entwirft. Nahles war nach ihrer Arbeit an der Bürgerversicherung sogar als ministrabel gehandelt worden. Nicht zu vergessen sind auch Heiko Maas aus dem Saarland und Christoph Matschie aus Thüringen. Die Präsidiumswahlen dürften für manche SPDler spannender werden als die Bundestagswahlen.

(SZ vom 31.8.2005)

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