SPD-Politikerin Manuela Schwesig:Hoffnungsträgerin für bessere Zeiten

Schwesig of Social Democratic Party (SPD) arrives to the Germany's SPD leadership meeting in Berlin

Pendeln zwischen Schwerin und Berlin: die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und SPD-Bundesvize, Manuela Schwesig.

(Foto: REUTERS)

Längst gehört die 43-Jährige zum engsten Zirkel der SPD. Manche trauen ihr bereits die Kanzlerkandidatur 2021 zu. Fürs Erste muss sie sich allerdings als Ministerpräsidentin bewähren.

Von Peter Burghardt, Schwerin

Ihr neues Büro gefällt Manuela Schwesig ausgezeichnet, allein diese Aussicht. Draußen glänzen das Schweriner Schloss und der vereiste Burgsee. "Der schönste Arbeitsplatz", sagt die Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern und tritt mit geblümter Bluse ans Fenster, die Sonne scheint. Hinter ihrem Schreibtisch hängt eines der großformatigen Fotos, die ihr stilsicherer Vorgänger Erwin Sellering aufhängen ließ. Für eigene Dekoration war im bundespolitischen Ausnahmezustand noch keine Zeit - rasch ausgetauscht wurde nur die Plakette an der Staatskanzlei. Statt "Der Ministerpräsident" steht da "Die Ministerpräsidentin".

Gleich muss die Ministerpräsidentin wieder nach Berlin, dorthin schauen ja alle. Sitzungen von Partei und Bundesrat stehen an. Vor acht Monaten hat Manuela Schwesig den damals schwer erkrankten Sellering abgelöst und ihr Amt als Bundesfamilienministerin aufgegeben. Seither: Bundestagswahlkampf, SPD-Absturz, Gefeilsche um die Groko. Und jetzt das Warten auf das Votum der Mitglieder. Selbst beim Einkaufen auf dem Mittwochsmarkt in Schwerin wird die SPD-Vize Schwesig gefragt, ob das nun etwas werde.

Auch sie kann und mag sich nicht vorstellen, dass es nichts wird und wieder gewählt werden müsste. Ihr Bauchgefühl prophezeit eine Mehrheit für das Ja, sie hat zuletzt eifrig dafür geworben. "Ich hoffe, wir brauchen keinen Plan B." Am Wahltag hatte sie nach der Niederlage mit der übrigen SPD-Führung unter seinerzeit Martin Schulz beschlossen, in die Opposition zu gehen, und durfte das gleich bei Anne Will erläutern. Kameras geht Manuela Schwesig selten aus dem Weg. Das pfeilschnelle Nein Ende September hält sie nach wie vor für richtig. Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche hätte sie es dann auch für richtig gehalten, wenn die SPD Neuwahlen riskiert hätte, mit neuem Angebot und neuem Kandidaten oder neuer Kandidatin. "Ich glaube, da gab es ein kleines Zeitfenster", sagt sie heute, in ihrem hellen Raum in der Schweriner Staatskanzlei mit dem wunderbaren Ausblick.

Vor allem aber ist Manuela Schwesig jetzt überzeugt davon, dass all das dazu geführt hat, dass es diesen neuen Koalitionsvertrag gibt. Angela Merkel habe so unter Druck gestanden, dass sie zustimmte. Sogar das Finanzressort geht an die SPD. In dem Koalitionsvertrag stehe das, was in den vergangenen vier Jahren mit der großen Koalition nicht gegangen wäre. Manuela Schwesig schwärmt von der Bekämpfung der Kinderarmut, Milliarden für Kitas und Schulen, dem Ausbau der Ganztagsbetreuung. Das sind seit Jahren ihre Themen. "Die Kritik, dass man in dieser Groko nicht weiterkommt, ist durch diesen Koalitionsvertrag widerlegt", findet sie.

Wäre Sellering gesund geblieben, sie säße weiterhin im Bundeskabinett

Die Mutter zweier Kinder hat maßgeblich mitverhandelt, führt allerdings eine eigene Groko an. Im deutschen Nordosten regiert Rot-Schwarz seit mehr als einem Jahrzehnt. Manuela Schwesig leitet das Bündnis seit Sommer 2017, als erste Frau an der Spitze dieses Bundeslandes. Für sie war die Kombination aus Landespolitik, Bundespolitik und Familie zuletzt ein sagenhafter Stress. Die Landsleute erwarten, dass sie Mecklenburg-Vorpommern in der Hauptstadt stärkt. "Sie erwarten aber auch, dass man hier präsent ist." Und auf dem Weg in die Staatskanzlei bringt sie bei Gelegenheit noch die kleine Tochter in die Kita, die irgendwann kostenfrei sein soll.

Auch Manuela Schwesig war entsetzt, als Erwin Sellering wegen eines Krebsleidens sein Amt aufgeben musste. Doch sie folgte seinem Ruf sofort. Die Heimkehr als erste Ministerpräsidentin der Region war in ihrer Lebensplanung vorgesehen, nur nicht so schnell und nicht unter solch traurigen Umständen. Andererseits passt das Tempo zu ihrer Laufbahn. 2003 trat Manuela Schwesig in die SPD ein, 2004 wurde sie Stadträtin in Schwerin, 2008 Landessozialministerin, 2013 Bundesfamilienministerin, 2017 Ministerpräsidentin. Rasant.

Wäre Sellering gesund geblieben, sie säße weiterhin im Bundeskabinett. Die frühere Steuerfahndungsprüferin gehört längst zum engsten Zirkel der SPD und mit 43 zu deren wenigen Hoffnungsträgern für bessere Zeiten. Manche trauen ihr bereits die Kanzlerkandidatur 2021 zu, obwohl vorläufig Andrea Nahles und Olaf Scholz das Kommando übernommen haben. Fürs Erste muss sie sich in diesem stillen Landstrich bewähren und dazu beitragen, den freien Fall der Sozis zu bremsen. Umfragen schreiben der SPD als stärkster Kraft in Mecklenburg-Vorpommern immerhin noch überdurchschnittliche 28 Prozent der Stimmen zu. Bei der Bundestagswahl waren es hier 15 Prozent, weniger als CDU, AfD und Linke. 2016 hatte Sellerings SPD mit 30,6 Prozent gewonnen, die AfD stieg mit 20,8 Prozent zur Nummer zwei auf. "Wahlen", sagt Manuela Schwesig, "entscheiden sich heutzutage immer mehr über Köpfe."

In Vorpommern wählt teilweise jeder Dritte AfD

Erwin Sellering, mittlerweile Ende 60, hatte es als drahtiger Westfale trotz aller Widerstände vom Wessi-Juristen zum Ossi-Landesvater geschafft. Inzwischen ist er wieder Abgeordneter im Landtag gegenüber vom Regierungshaus, es geht ihm besser. Die Nachfolgerin Schwesig dagegen ist eine blonde und vergleichsweise junge Frau, die 1974 in der DDR zur Welt kam, ihre Karriere als Diplom-Finanzwirtin im Schweriner Finanzamt begann und als gestandene Ministerin zurückkehrte. "Küstenbarbie", spottete einst ihr aktueller Stellvertreter und Innenminister Lorenz Caffier, 63, von der CDU. "Man sieht sich immer zweimal", sagt Manuela Schwesig vergnügt, "er ist jetzt mein Minister."

Sie ist nun eine Art Landesmutter der Bundeskanzlerin: Angela Merkels Wahlkreis um Stralsund liegt in ihrem Beritt. Sie sieht sich als Vertreterin jener Wendegeneration, deren Eltern den Umbruch besonders zu spüren bekamen. Der Betrieb ihres Vaters, eines Schlossers, ging über Nacht pleite. Andere zogen in den Westen um. "Wir waren gezwungen, ganz schnell auf eigenen Füßen zu stehen", sagt sie. Auch deshalb sei diese Wendegeneration "sehr klar und zielstrebig und fackelt nicht so lange".

Umso weniger versteht sie, weshalb in Merkels Groko kein einziges Ministerium für einen Mann oder eine Frau aus dem Osten oder wenigstens mit Osterfahrung vorgesehen ist. Bayern oder Saarländer sind reichlich vertreten. "Mir geht's nicht darum, den Jammerossi zu geben", sagt sie. "Mir geht's darum, selbstbewusst die Lebenserfahrung und das Wissen um diese Region einzubringen."

"Frau Ministerin", nennen sie manche Gäste noch

Nachdem sie am 4. Juli 2017 gewählt worden war, reiste sie am 5. Juli 2017 nach Vorpommern, gemeinsam mit dem zuständigen Staatssekretär Patrick Dahlemann, ihrem Ost-Beauftragten. In der Gegend wählt teilweise jeder Dritte AfD. Die Arbeitslosigkeit ist zwar deutlich gesunken, aber noch immer hoch, das Lohnniveau niedrig und der Staat oft fern. Viele Landstriche sind entvölkert, viele Wohnungen auf Rügen oder Usedom sind für Urlauber da und für Einheimische unbezahlbar. Das alles soll sich ändern, das Breitbandnetz vergrößert werden, der Bus notfalls auf Bestellung kommen.

Ein Abend im November 2017, Bürgerforum in Wismar im Westen von Mecklenburg-Vorpommern, zwei Tage nach dem Jamaika-Aus. Gastgeberin Schwesig trägt einen Hosenanzug und stellt sich den Fragen des Publikums. Es geht um Schulen, Straßen, Renten, Pflege - und auch um die Groko, die Schwesig in diesen Stunden noch ablehnt. "Ich war immer in Regierungsverantwortung, seit ich in der Politik bin", sagt die Ministerpräsidentin. Dann hört sie viel zu und antwortet, Mitarbeiter machen Notizen. "Frau Ministerin", nennen sie manche Gäste noch, doch Berlin ist in solchen Momenten weit weg.

Manuela Schwesig mag Twitter, Facebook, PR-Termine. Aber sie lernt in diesem Job wieder, dass sie selbst in abgelegenen Dörfern mit den Leuten am Biertisch sitzen muss, um anzukommen. "Sie müssen die Menschen auch emotional mitnehmen, das hat die AfD gezeigt, aus meiner Sicht natürlich im negativen Sinne", sagt sie in ihrem schönen Schweriner Büro. "Die Kümmerer-Kompetenz ist das A und O. Die Menschen müssen das Gefühl haben: Die haben uns im Blick." Dann fährt sie im Dienstwagen wieder nach Berlin.

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